Zuversicht der Fed ist Zweckoptimismus

In der vergangenen Woche korrigierte die Fed ihre Leitzinserwartungen für das kommende Jahr überraschend deutlich nach oben. Bislang hatten die Währungshüter für 2024 Zinssenkungen um zusammen 100 Bp unterstellt – jetzt gehen sie nur noch von der Hälfte aus. Hauptverantwortlich für diese Anpassung ist ein zuversichtlicherer Wachstumsausblick. Die BIP-Prognose für 2024 wurde von 1,1% auf 1,5% angehoben. 

Diese optimistische Sicht auf die Konjunktur spiegelt sich auch in der Arbeitslosenquote wider. In den Augen der Fed soll sie ausgehend von aktuell 3,8% bis Ende 2024 lediglich um marginale 0,3%-Punkte zunehmen. Der Arbeitsmarkt käme mithin trotz der stärksten geldpolitischen Straffungen seit vier Jahrzehnten nahezu ungeschoren davon. Was die Inflation angeht, halten die Währungshüter derweil ungeachtet der weiter brummenden Wirtschaft an ihrer Erwartung stetig nachgebender Teuerungsraten fest.

Letztlich unterstellt die Fed damit ein Idealszenario – das aus unserer Sicht wenig wahrscheinlich ist. Zum einen beinhaltet es einen gewissen Widerspruch. Wir sehen es als fraglich an, dass die Inflation tatsächlich nachhaltig sinkt, wenn Konsum- und Investitionsnachfrage sowie die Beschäftigungsdynamik kaum nennenswert an Schwung verlieren. 

Zum anderen schreibt die Fed mit ihren Prognosen die aktuell robuste Wirtschaftsentwicklung ohne grosse Abstriche fort, obwohl die gegenwärtige Widerstandsfähigkeit primär Sonderfaktoren geschuldet ist. Erstens wurde die Investitionsnachfrage durch die gesunkene Zinslast und die staatlichen Konjunkturpakete gestützt. Zweitens hat der ungebremste Rückgriff der privaten Haushalte auf die pandemiebedingten Sparüberhänge dem Konsum geholfen.

Die davon ausgehenden Impulse werden aller Voraussicht nach bald abnehmen. So sind die Ersparnisse der Verbraucher inzwischen grösstenteils aufgebraucht. Ausserdem kommen die US-Bürger durch die steigenden Zinsen und die restriktivere Kreditvergabe der Banken unter Druck. Gleichzeitig wird die Zinslast der Unternehmen unweigerlich zunehmen, je länger die günstigen Finanzierungen in der Niedrigzinsphase zurückliegen. Damit von den staatlichen Stimuli auch künftig nennenswerte Wachstumsimpulse ausgehen könnten, müssten die Unternehmen die Investitionen stetig mit hohem Tempo weiter ausweiten, was in unseren Augen keine realistische Annahme ist.

In Anbetracht dessen kann die Zuversicht der Fed noch am besten mit Zweckoptimismus erklärt werden, zu dem die Währungshüter quasi verpflichtet sind. Allerdings dürfte sich auch die Notenbank der wachsenden konjunkturellen Bremseffekte bewusst sein. Nicht umsonst betonte Powell in der Pressekonferenz einmal mehr, dass die Leitzinsprojektionen keinen dezidierten Plan darstellen. Darüber hinaus hatte er bereits früher gemahnt, die mittel- und längerfristigen »Dots« mit grosser Vorsicht zu geniessen.

Wir sehen es als sehr wahrscheinlich an, dass die Wirtschafsdaten der kommenden Monate und Quartale aufgrund der verzögerten Bremseffekte durch die Zinserhöhungen ein weitaus trüberes Bild zeichnen werden, als es die Fed derzeit unterstellt. Ein Hard Landing ist nach unserer Einschätzung – ungeachtet der jüngsten Widerstandfähigkeit der US-Wirtschaft – das plausibelste Szenario. Die Fed sollte daher entgegen der jüngst zum Ausdruck gebrachten Zuversicht und abweichend von den aktuellen »Dots« die Leitzinsen schon in der ersten Jahreshälfte deutlich senken müssen. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein solcher Kurswechsel erforderlich ist.
 

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