US-Notenbank vor Leitzinspause

Nachdem der Mai-Arbeitsmarktbericht des Bureau of Labor Statistics (BLS) in den USA einen Beschäftigungszuwachs von 339 Tsd. Stellen ausgewiesen hat, sollte für die Fed der Fall eigentlich klar sein. Der Jobmotor läuft demnach immer noch auf hohen Touren – die Stellenschaffungen fallen rund doppelt so hoch aus wie im Vor-Corona-Jahr 2019. Bei einer Inflation weit über dem 2%-Ziel der Geldpolitik schreit das förmlich nach weiteren Zinserhöhungen.

Ganz so einfach ist die Sache dann aber doch nicht. Schon im Bericht des BLS finden sich einige Wermutstropfen. Zum einen betrifft das den Rückgang bei der Gesamtzahl der geleisteten Arbeitsstunden. Diese traten im Durchschnitt von April und Mai gegenüber dem Mittel des 1. Quartals auf der Stelle, was für sich genommen beim BIP für ein Null-Wachstum sprechen würde. Noch mehr zur Vorsicht mahnt zum anderen die Arbeitslosenquote, die in einer eigenständigen Umfrage erhoben wird und die – ausgehend von historisch tiefem Niveau – um 0,3%-Punkte anstieg. Solch ein Satz nach oben war in der Vergangenheit gewöhnlich nur in Rezessionen zu beobachten. 

Wendet man den Blick den übrigen Wirtschaftsdaten zu, überwiegt eindeutig das Negative. So befinden sich nahezu alle Einkaufsmanager- und Geschäftsklimaindikatoren der Industrie in klaren Abwärtstrends. Sie lassen darauf schliessen, dass die Unternehmensinvestitionen in den kommenden Monaten immer deutlicher unter Druck kommen sollten. 

Im Dienstleistungssektor sieht es ähnlich aus. Auch hier zeigen die Stimmungsbarometer breit abgestützt nach unten. Der private Konsum, der im 1. Quartal der wichtigste Wachstumsmotor war, scheint somit ebenfalls an Schwung zu verlieren. Darauf deuten neben den Verbrauchervertrauensumfragen auch die jüngsten Zahlen zu den Kfz-Verkäufen hin. Mit einem Rückgang von 5,4% im Mai haben sie einen Grossteil des Anstiegs vom April wieder eingebüsst.

Alle diese Entwicklungen lassen erkennen, dass die kräftigsten Leitzinserhöhungen seit über 40 Jahren die US-Wirtschaft mehr und mehr belasten. Die entscheidende Frage ist nun, ob die von den geldpolitischen Straffungen ausgehenden Bremseffekte ihre volle Wirkung bereits entfaltet haben. Hier sind sich eigentlich alle Beobachter einig, dass dies noch nicht der Fall ist. Belege für diese Sicht liefern unter anderem die Kreditvergabestandards der Geschäftsbanken. Gewöhnlich zeichnen sie mit einem Vorlauf von einem bis zwei Quartalen vor, wie sich Konsum und Investitionen entwickeln werden. Die ausgeprägte Verschärfung der Vergabepraxis – die nicht erst seit den Bankenpleiten zu beobachten ist – kündigt hier regelrechte Einbrüche an. 

Vor diesem Hintergrund ist es durchaus plausibel, wenn sich die Währungshüter von robusten Arbeitsmarktdaten nicht beeindrucken lassen, sondern angesichts des inzwischen erreichten Leitzinsniveaus zunächst abwarten wollen. Wir gehen entsprechend davon aus, dass der Offenmarktausschuss in gut einer Woche die Leitzinsen unverändert belässt. Wie wird es beim nächsten FOMC-Treffen Ende Juli weitergehen? Nach unserer Einschätzung sollte sich die wirtschaftliche Datenlage bis dahin weiter verschlechtern, sodass die Währungshüter auch dann die Fed-Funds-Rate aller Voraussicht nach nicht anheben werden. Wenn anschliessend immer deutlicher zu erkennen ist, dass die US-Wirtschaft in eine Rezession gerutscht ist, dürften darüber hinaus die Diskussionen um geldpolitische Lockerungen beginnen – wir rechnen unverändert bis zum Jahresende mit Leitzinssenkungen von 100 bis 150 Bp.

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