Wie immer geht es dann doch schneller als man denkt. Nach ihrem Höhenflug im Herbst sind die Renditen von Staatsanleihen in den vergangenen vier Wochen regelrecht abgestürzt. Vielerorts ging es zwischen 60 und 100 Bp nach unten. So sackten die Renditen 10-jähriger US-Treasuries von 5,02% auf bis zu 4,20%, 10 jähriger Bundesanleihen von 3,03% auf 2,35% und 10-jähriger italienischer Staatsanleihen von 5,04% auf 4,08% ab. Ein Portfolio aus 1- bis 10-jährigen Bundesanleihen liegt damit gemessen am entsprechenden Merrill-Lynch-Index im bisherigen Jahresverlauf wieder knapp 3,00% im Plus.
Ein Auslöser für die rege Nachfrage nach Staatsanleihen waren die Inflationszahlen für Oktober und November. In der Eurozone sank die Teuerungsrate in den vergangenen zwei Monaten von 4,3% auf 2,4% und näherte sich damit in großen Schritten dem 2%-Ziel an. In den USA sieht es ähnlich aus. Hinzu kam der enttäuschende US-Arbeitsmarktbericht vom Oktober, der erstmals seit Langem auf eine nachlassende Beschäftigungsnachfrage hindeutete. Schließlich verfestigten sich die Indizien, dass die Eurozone im 2. Halbjahr in eine Rezession gerutscht ist.
Dies ließ auch die Währungshüter nicht kalt. So wies der französische Notenbankpräsident François Villeroy de Galhau ziemlich unverblümt darauf hin, dass die Zeit für Leitzinserhöhungen vorbei sei und man im nächsten Jahr über Zinssenkungen debattieren könnte. Auch Fed-Governor Christopher Waller brachte geldpolitische Lockerungen ins Spiel, die allein schon wegen der rückläufigen Inflation gerechtfertigt sein könnten.
An den Märkten fielen diese Aussagen auf fruchtbaren Boden und lösten heftige Zinssenkungsspekulationen aus. Die Geldterminmärkte rechnen nunmehr damit, dass die Leitzinsen 2024 sowohl in den USA als auch der Eurozone um über 100 Bp gesenkt werden. Sind sie damit zu weit vorangeprescht?
In unseren Augen nicht. Wir gehen davon aus, dass es 2024 zu einer weltwirtschaftlichen Abkühlung kommt. Gleichzeitig sollten sich die Teuerungsraten weiter dem 2%-Ziel annähern und es im 2. Halbjahr 2024 sogar unterschreiten. Selbst wenn die große Konjunkturkrise ausbleibt, haben die Notenbanken damit den Spielraum, die Leitzinsen 2024 zumindest auf ein neutrales Niveau zu senken, das in den USA bei rund 3,50% und der Eurozone bei knapp 3,00% liegt. Diese Niveaus sind nunmehr an den Geldterminmärkten eingepreist.
Darüber hinaus bestehen gute Chancen auf noch tiefere Leitzinsen. Aus unserer Sicht ist eine zumindest milde Rezession in den USA, in deren Zuge die Arbeitslosenquote um über einen Prozentpunkt ansteigen sollte, nach wie vor wahrscheinlich. Auf eine solche Entwicklung hat die Fed in der Vergangenheit stets mit einer Reduktion der Leitzinsen von deutlich über 200 Bp reagiert. In Anbetracht dessen sind in den USA und der Eurozone Leitzinssenkungen in Richtung 2,00% möglich. Entsprechend sehen wir bei den Staatsanleihen-Renditen noch weiteres Abwärtspotenzial um 50 (Deutschland) bis 80 Bp (USA).
Dessen unbenommen dürfte der Rendite-Abwärtstrend vor allem in den nächsten Wochen keine Einbahnstraße sein. Jede Inflations- und Arbeitsmarktzahl werden die Märkte mit Argusaugen verfolgen. Dabei wird es die ein oder andere positive Überraschung bei der Konjunktur bzw. Enttäuschung bei der Inflation geben. So dürfte die Teuerungsrate der Eurozone wegen eines ungünstigen Basiseffekts in Deutschland im Dezember wieder Richtung 3,0% ansteigen. Auch wenn dies allgemein bekannt sein sollte, ist eine negative Reaktion nicht auszuschließen. Summa summarum gehen wir davon aus, dass der übergeordnete Trend bei den Renditen bis Mitte 2024 abwärtsgerichtet bleibt, in den nächsten Wochen aber temporäre Gegenbewegungen wahrscheinlich sind.
Renditen haben mittelfristig noch Abwärtspotenzial
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