Die Inflationszahlen der Eurozone hatten zu Jahresbeginn zunächst enttäuscht. Mit +2,8% im Januar und +2,6% im Februar lag die Teuerungsrate jeweils ein Zehntel höher als es der Konsensus erwartet hatte. Schon wurde befürchtet, dass der Disinflationstrend ins Stocken gerät und sich die Unternehmen weiterhin über die Massen gierig verhalten. Daneben wurde immer wieder auf den starken Lohndruck verwiesen.
Hinzu kam, dass in diesem Jahr das Osterfest sehr früh lag, was normalerweise Hotels, Restaurants und Reisebüros dazu veranlasst, Preisanhebungen in den März vorzuziehen. Es zeichnete sich mithin sogar ein Anstieg der Teuerungsrate ab. Die heute veröffentlichten Inflationszahlen der Eurozone für März geben jedoch in dieser Hinsicht Entwarnung: Der sogenannte Ostereffekt ist im vergangenen Monat komplett ausgeblieben. Der Freizeit- und Tourismussektor hat sich sehr besonnen gezeigt und die Preise nur moderat angehoben.
Aber nicht nur hier blieb eine böse Überraschung aus. Gleichzeitig hat sich bei Autos, Elektrogeräten, Computern und Bekleidung – den sogenannten Industriegütern – der übergeordnete Disinflationstrend in hohem Tempo fortgesetzt.
Weiterer Abwärtstrend vorgezeichnet
Im Ergebnis sank die Teuerungsrate der Eurozone im März von 2,6% auf 2,4%, die Kernrate (ohne Energie, Nahrungs- und Genussmittel) sackte erstmals seit zwei Jahren unter 3,0% (2,9% nach 3,1%). Die jüngsten Zahlen sind ein klares Indiz dafür, dass die Unternehmen allmählich zurückhaltender agieren bzw. zuletzt immer weniger Spielraum hatten, höhere Preise durchzusetzen. Einschlägige Frühindikatoren (unter anderem Absatzpreiserwartungen und Großhandelspreise) deuten darauf hin, dass sich der übergeordnete Abwärtstrend bei den Teuerungsraten von Industriegütern und Serviceleistungen fortsetzen sollte und die Kerninflationsrate somit bereits in den kommenden Monaten auf 2,5% nachgeben wird. Die magische 2,0%-Marke dürfte im Sommer in Reichweite rücken.
EZB vor der Fed am Drücker?
Die Tauben im EZB-Rat werden jedenfalls die jüngsten Daten dankbar zur Kenntnis nehmen. Ein restriktives Leitzinsniveau von 4,00% ist in einem Umfeld einer lahmenden Konjunktur und zunehmender Preisstabilität nicht mehr opportun. In der anstehenden EZB-Sitzung werden daher einige von ihnen für eine sofortige geldpolitische Lockerung plädieren. Die Mehrheit dürfte dies aller Voraussicht nach allerdings erfolgreich abbügeln – zu stark hat sich speziell EZB-Chefin Christine Lagarde bereits auf den Juni festgelegt. Dessen ungeachtet ist der Weg zu Zinssenkungen in der Eurozone vorgezeichnet. Die Währungshüter in Frankfurt dürften sich davon auch nicht abhalten lassen, wenn die Kollegen der Fed zur Jahresmitte noch zögern sollten.
Zinssenkungszyklus nicht in trockenen Tüchern
Wie es im 2. Halbjahr 2024 bei der Inflation und der Geldpolitik weitergeht, hängt nicht zuletzt von der konjunkturellen Entwicklung ab. Behalten wir recht und die Weltwirtschaft schwächt sich ab, wird der Preisdruck weiter nachlassen. Insbesondere dürften dann die Rohstoffpreise unter Kontrolle bleiben.
Fährt die US-Wirtschaft hingegen bis zum Jahresende unverdrossen unter Volldampf, droht an vielen Stellen die Rückkehr der Teuerungsgefahren. Allen voran werden die Energiepreise und generell der Kostendruck auf den vorgelagerten Stellen wieder anziehen. In diesem Fall werden die Notenbanken schnell eine 180-Grad-Wende vollziehen und nicht weiter an der Zinsschraube drehen. Ein nochmaliges scharfes Anziehen der Teuerungsraten können sich die Notenbanken nicht erlauben, ohne einen schweren Verlust an Glaubwürdigkeit zu erleiden.