Eurozone: Abschwung nimmt Fahrt auf

Der Ukraine-Krieg hat den Konjunkturaufschwung in der Eurozone im Frühjahr des vergangenen Jahres abrupt abgewürgt. Seit Februar 2022 ist z.B. der Einkaufsmanagerindex der Industrie von 58,2 Punkten auf mittlerweile 43,6 Punkte abgerutscht. Vor allem die Angst vor einer Energiekrise hatte die Wirtschaft ins Mark getroffen. Inzwischen ist diese Gefahr jedoch geschwunden und generell hat ein Gewöhnungseffekt gegenüber den Geschehnissen in der Ukraine eingesetzt. Selbst die Drohung mit einem Atomschlag findet kaum noch Widerhall. Entsprechend dürften auch die jüngsten Ereignisse um den Aufstand der Wagner-Gruppe keine nachhaltige Wirkung an den Finanzmärkten entfalten, selbst wenn sich dadurch die militärische Situation für die Ukraine verbessert haben sollte. 

Statt des Ukraine-Kriegs hat einmal mehr die Zinspolitik der Notenbanken die Führungsrolle im Konjunkturzyklus eingenommen. Die EZB hat die Leitzinsen seit Mitte 2022 um 4%-Punkte angehoben und damit in Europa den grössten Zinsschock seit 40 Jahren ausgelöst. Es ist klar, dass die daraus resultierenden konjunkturellen Wirkungen negativ sind. Schliesslich ist das auch die Intention der Notenbank: Die Nachfrage soll durch eine restriktivere Geldpolitik gedrosselt werden. Die Frage ist nur, wie stark die Dosis wirkt. 

An zwei Stellen sind die dämpfenden Effekte des Zinsanstiegs bereits unübersehbar. Die Nachfrage nach Wohnungen ist eingebrochen. Im April lagen z.B. die Baugenehmigungen in Deutschland 32% unter dem Vorjahresniveau. Daneben sehen sich die Banken auf allen Ebenen einer nachlassenden Kreditnachfrage gegenüber. 

Damit aber nicht genug: Inzwischen ist auch die Krise im verarbeitenden Gewerbe omnipräsent. Die jüngsten Belege dafür lieferten der Einkaufsmanagerindex und das ifo-Barometer, die ihren Abwärtstrend im Juni fortgesetzt haben. Der deutsche Industrie-EMI sank auf 41,0 Punkte. Abgesehen vom Corona-Einbruch ist das der tiefste Stand seit 2009. Die positiven Effekte der sinkenden Gaspreise und der wieder funktionierenden Lieferketten sind inzwischen verpufft. Stattdessen haben die Industrieunternehmen weltweit aufgrund der gestiegenen Kosten Sparmassnahmen eingeleitet, die sich in einer global schwindenden Nachfrage nach Industriegütern niederschlagen.

Das Dienstleistungsgewerbe hat sich auf den ersten Blick bis zuletzt wacker geschlagen. Dies ist aber nur einer Handvoll Branchen – allen voran dem Reise- und Tourismussektor – zu verdanken, die in den vergangenen Monaten höhere Preise durchsetzen konnten. Mittlerweile schwindet aber auch im Freizeitgewerbe der Preisüberwälzungsspielraum. Der Dienstleistungssektor dürfte daher in den nächsten Monaten ebenfalls unter Druck kommen. Alles in allem gehen wir davon aus, dass sich die bislang noch äusserst milde Rezession in der Eurozone im 2. Halbjahr verschärft. 

Für die Aktienmärkte sind das keine guten Perspektiven. Verharrt die Eurozone in der Rezession, müssen die Schätzungen zu den Unternehmensgewinnen in Europa nach unten korrigiert werden. Das gilt auch für die zumeist global agierenden DAX-Konzerne, denn wir rechnen nicht nur in der Eurozone, sondern auch in vielen anderen Ländern – allen voran in den USA – mit einer Rezession. Im Gegenzug steigt die relative Attraktivität von Staatsanleihen. Hier winken nicht nur Zinserträge in Höhe von 2% bis 3%, sondern auch namhafte Kursgewinne. 

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