In den kommenden Tagen steht die Veröffentlichung der Ergebnisse zum BIP im 3. Quartal in den USA und in der Eurozone an: Sie könnten unterschiedlicher kaum ausfallen. Die US-Wirtschaft ist unseren Modellen zufolge kräftig gewachsen. In der Währungsunion erwarten wir dagegen einen Rückgang der Wirtschaftsleistung. Während also die Währungsunion mit einer Rezession flirtet, lief der Konjunkturmotor in den Vereinigten Staaten bis zuletzt auf Hochtouren.
Die Gründe für diese Divergenz sind vielfältig. Obwohl beispielsweise Fed (+525 Bp) und EZB (+450 Bp) die Finanzierungskonditionen in den vergangenen Quartalen ähnlich stark gestrafft haben, hat die Zinsbelastung der Unternehmen in der Währungsunion bereits stark zugenommen, was sich negativ auf die Investitionstätigkeit auswirkt. Amerikanische Unternehmen haben dagegen bis zuletzt von rückläufigen Nettozinskosten profitiert, da die stark gestiegene Verzinsung der hohen Cash-Bestände die nur langsam steigende Belastung auf der Finanzierungsseite überkompensiert.
Darüber hinaus hat der private Verbrauch entscheidend zur günstigen konjunkturellen Entwicklung im 3. Quartal in den USA beigetragen. Das war nicht zuletzt wegen der während der Corona-Pandemie aufgebauten Sparüberhänge möglich, die zu einem grossen Teil durch immense Fiskalimpulse gespeist worden waren. Zwischen Juli und September dürften die realen Konsumausgaben um rund 4,5% annualisiert gestiegen sein. In der Eurozone zeichnet sich dagegen lediglich eine Stagnation ab. Einerseits gab es hier deutlich weniger staatliche Zuschüsse, von denen nun gezehrt werden könnte. Andererseits sind die Verbraucher nach wie vor zurückhaltend, was sich in einer noch immer erhöhten Sparquote niederschlägt.
Die wirtschaftliche Divergenz zwischen den USA und der Eurozone spiegelt sich auch an den Kapitalmärkten wider. So sehen wir darin den massgeblichen Treiber für den deutlich stärkeren Renditeanstieg amerikanischer Staatsanleihen verglichen mit Bundesanleihen der vergangenen Wochen. Während die Rendite 10-jähriger Treasuries seit Mitte Juli um 125 Bp auf knapp 5,00% geklettert ist, waren es bei 10-jährigen Bundesanleihen »nur« rund 55 Bp auf 2,92%.
Kurzfristig dürfte diese unterschiedliche Entwicklung noch andauern, da in den USA noch keine konjunkturelle Eintrübung in Sicht ist. Wir gehen allerdings davon aus, dass sich das mittelfristig ändern wird. Unseres Erachtens ist eine merkliche Konjunkturabkühlung in den USA in den kommenden Quartalen unausweichlich, da der scharfe Zinsanstieg seine dämpfende Wirkung noch entfalten wird. Der kräftige Renditeschub der vergangenen Monate, der die Finanzierungskonditionen nochmals spürbar verschärft hat, bestärkt uns in dieser Einschätzung.
Für die Eurozone erwarten wir zwar keine wirtschaftliche Belebung, sondern einen weiteren BIP-Rückgang. Relativ gesehen würde die US-Konjunktur allerdings deutlich stärker an Fahrt verlieren. Aus diesem Grund sollten sich die Leitzinserwartungen mit Blick auf die Fed im Laufe des ersten Halbjahrs 2024 stärker nach unten bewegen als das bei der EZB der Fall ist. In der Folge dürften die Renditen von US-Treasuries dann spürbar nachgeben, während es bei Bundesanleihen spiegelbildlich zum jüngsten Renditeanstieg weniger deutlich nach unten gehen sollte.