China fällt vorerst als Wachstumslokomotive aus

China galt Anfang 2023 als Hoffnungsträger der Weltwirtschaft. Das plötzliche Ende der Null-Covid-Strategie hat mithin die Wachstumsfantasie geweckt. Selbst eine Zuwachsrate des BIP von 6% bis 7% schien im laufenden Jahr möglich. Nach einem vielversprechenden Start ins Jahr ist aber bereits wieder Ernüchterung eingekehrt. Laut Statistikamt legte das BIP im 2. Quartal »nur« um 0,8% zu – nach +2,2% im 1. Quartal (jeweils im Vergleich zum Vorquartal). Setzt sich dieses moderate Expansionstempo fort, dürfte China 2023 nicht einmal das vom Politbüro ausgerufene bescheidene Wachstumsziel von 5,0% erreichen.

Drei Gründe erklären die Lethargie im Reich der Mitte: Erstens lahmt der Export. China verspürt hier mit voller Wucht die Nachfragezurückhaltung aus Europa und den USA. Im Juni lag die Warenausfuhr 12,4% unter dem Vorjahresniveau – der schlechteste Wert seit dem Corona-Absturz Anfang 2020. 

Zweitens schwächelt der Konsum. Das Wachstum der Einzelhandelsumsätze ist zwischen April und Juni von knapp 20% auf rund 3% abgestürzt. Dabei hatte man sich gerade beim privaten Verbrauch nach der Corona-Flaute eine stärkere Gegenbewegung erhofft. Die Konsumenten bleiben aber zurückhaltend, wozu nicht zuletzt die Schwäche des Häusermarkts beiträgt. Ausserdem haben die Privathaushalte in den Jahren 2020/2021 bei weitem nicht solche Sparüberhänge wie in den USA und Europa anhäufen können.  

Das grösste Sorgenkind bleibt jedoch drittens der Immobilienmarkt. Nach einer kurzen Belebung herrscht hier wieder Katerstimmung. Die Juni-Zahlen zu den Baubeginnen (-30% im Vorjahresvergleich) und den Hausverkäufen (-26%) spiegeln dies in erschreckender Weise wider. Mithin fahren die Immobilienentwickler weiter ihre Risiken zurück. Die Rede ist bereits von einer »Bilanzrezession« und damit einer langanhaltenden Abwärtsspirale. 

In Anbetracht dessen werden die Rufe nach staatlichen Stimuli immer lauter. Zum Teil ist die öffentliche Hand dem bereits nachgekommen. So hat die Notenbank die Leitzinsen gesenkt. Gleichzeitig sind die Banken angehalten, den Immobilienentwicklern die Kredite zu verlängern. Der Konsum von Autos und Elek-troartikeln soll zum wiederholten Male durch Steuererleichterungen angekurbelt werden. Schliesslich haben die Politiker klar zu erkennen gegeben, dass im Tech-Bereich vorerst keine neuen Regulierungen anstehen. 

Insgesamt wird somit an vielen Stellschrauben gedreht, der grosse Wurf ist es aber nicht. Angesichts der hohen Verschuldung aller Sektoren und der Sättigungstendenzen im Infrastruktur-Bereich sind der Regierung die Hände gebunden. Wir gehen daher davon aus, dass China weiterhin als globale Wachstumslokomotive ausfällt. Die Lage dürfte sich sogar noch verschlimmern, wenn die USA in den nächsten Monaten in eine Rezession fallen.

Hinzu kommen strukturelle Probleme. China leidet nicht nur unter einer schrumpfenden Bevölkerung und der massiven Staats- und Unternehmensverschuldung, sondern auch unter dem Handelskonflikt mit den USA sowie dem, was viele als Strategie des »Derisking« beschreiben: Viele Unternehmen suchen nach alternativen Produktionsstandorten zu China, um sich aus der einseitigen Abhängigkeit zu befreien und die Lieferketten zu stabilisieren. 

Ungeachtet der günstigen Bewertung fällt es somit schwer, eine Kaufempfehlung für chinesische Aktien abzugeben. In diesem Bereich ist nach wie vor Zurückhaltung geboten. Stattdessen liefert die Wachstumsschwäche in China ein weiteres Argument dafür, dass der globale Disinflationstrend in vollem Gange ist, wovon insbesondere hochqualitative Staatsanleihen profitieren sollten. 

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