China: Der Riese wankt!

Wir hatten erst vor Kurzem darauf hingewiesen, dass China vom diesjährigen Hoffnungsträger zum Sorgenkind mutiert ist (vgl. FMM vom 24. Juli 2023). Diese Tendenz hat sich in den vergangenen Wochen noch verstärkt. So gab das chinesische Statistikamt Wirtschaftsdaten für Juli bekannt, die weit unterhalb der Erwartungen lagen. Demnach expandierte der Einzelhandel nur mit 2,5% (Konsensus: 4,0%) und die Industrieproduktion lediglich mit 3,7% (Konsensus: 4,3%, jeweils im Vorjahresvergleich). Das sind Zahlen, die genauso von einem x-beliebigen reifen Industrieland stammen könnten. Von dem einstigen Wachstumsriesen ist nicht mehr viel übriggeblieben.

China hat derzeit mit zahlreichen Problemen zu kämpfen. Die Corona-Pandemie und die Regulierungswut der Regierung, unter der speziell die Internet-Firmen leiden, hat offensichtlich zu einem nachhaltigen Vertrauensverlust in der Bevölkerung geführt. Der Glaube an den immerwährenden Aufschwung ist mithin beschädigt. In der Folge halten sich die Privathaushalte beim Konsum weiterhin zurück und sparen lieber einen beträchtlichen Teil ihres Einkommens. Zu diesem Verhalten trägt zweifellos auch die steigende Arbeitslosigkeit – speziell unter den Hochschulabgängern – bei.    

Dass das chinesische Wachstumsmodell an seine Grenzen stösst, zeigt sich aber nirgendwo deutlicher als am Immobilienmarkt. Der schwindsüchtige Bauträger Evergrande ist längst kein Einzelfall mehr. Auch einstige als solide angesehene Firmen wie Country Garden befinden sich mittlerweile in Zahlungsschwierigkeiten. Mehr noch, selbst bei den grossen staatlichen Immobilienfirmen türmen sich nach Medienberichten die Verluste auf. 

In diesem Zuge ist die Krise inzwischen auch im Finanzsektor angekommen. In China fungieren Asset Manager – sogenannte Trust Companies – einerseits als Kreditgeber von Bauträgern. Andererseits bündeln sie diese Kredite in Wealth Management Products (WMPs), die dann mit hohen Renditezusagen (6% und mehr) an Privatkunden verkauft werden. Aufgrund der Krise am Immobilienmarkt können diese Zinsversprechen aber nicht mehr eingehalten werden, wie das Beispiel der Zhongzhi Enterprise Group zeigt. Zusammengenommen führt dies anschaulich vor Augen, dass dem Immobilienmarkt bislang in China nicht nur als Konjunkturmotor, sondern auch in der Vermögensanlage eine bedeutende Rolle zufiel.  

Der Staat wird sicherlich alles daransetzen, um eine gravierende Finanzkrise zu verhindern. Die bisherigen Versuche, den Immobilienmarkt zu stützen, waren allerdings halbherzig. In erster Linie wurde an die staatlichen Banken appelliert, ihre Kreditvergabe auszuweiten. Zusätzlich sollen die Eigenmittelanforderungen bei der Aufnahme von Hypothekenkredite gesenkt werden. Ausserdem hat die Notenbank mehrfach geringfügig die Leitzinsen gesenkt. 

Bei all diesen Massnahmen handelte es sich bislang primär um Schadensbegrenzung und auch mit Blick voraus dürfte es der Regierung schwerfallen, den grossen Wumms zu lancieren. So macht es z.B. wenig Sinn, die maroden Bauträger mit noch mehr Krediten vollzupumpen. Auch der Ankurbelung der Nachfrage sind Grenzen gesetzt. Denn allen dürfte klar sein, dass die Goldgräberstimmung am Immobilienmarkt – nicht zuletzt wegen der schrumpfenden Bevölkerung – erst einmal vorbei ist. Alles in allem spricht viel dafür, dass die chinesische Wirtschaft auf unabsehbare Zeit ein latenter Risikofaktor für die Weltwirtschaft und damit auch für die Finanzmärkte bleibt.    
 

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