Aktien und Anleihen

Nach dem bereits fünften positiven Börsenmonat in Folge rechnen wir kurzfristig nicht mit einer dynamischen Fortsetzung der Aktienmarkt-Rallye. Grund hierfür ist die Risikostimmung, die nur noch auf hohem Niveau stagniert und sich nicht mehr signifikant verbessert. Bei US-Treasuries und deutschen Bundesanleihen zeigt sich ein differenziertes Bild.

 

Aktienmarkt

Die Aktienmarkt-Rallye setzte sich nach einem dynamischen Jahresauftakt ungebremst fort. Mit Indexständen von 5254 im S&P500 und 520 im Eurostoxx erreichten die Märkte Anfang April dies- und jenseits des Atlantiks neue Allzeithochs. Treiber waren unter anderem robuste Konjunkturdaten aus den USA und eine Stabilisierung des positiven Sentiments auf hohem Niveau. Wir waren bereits im Februar der Meinung, dass das sehr positive Sentimentbild kaum Raum für weitere Verbesserungen lässt (siehe FMO vom 19. Februar 2024). Zwischenzeitlich ist es tatsächlich zu einer Stagnation gekommen. Messbar wird dies anhand verschiedener Indikatoren. So liegt der Anteil der Aktienmarktoptimisten gemäß der AAII-US-Investor-Sentiment-Readings-Umfrage derzeit bei 47% und ist damit seit Mitte Februar nicht mehr weiter angestiegen. Der Anteil der Bären blieb unverändert auf tiefem Niveau bei 22%. Auch das Verhältnis der Put- zu Call-Optionen der CBOE ist mit 0,72 auf einem nahezu unverändert tiefen Niveau. Gleiches gilt für die Prämien für Kreditausfallversicherungen von High-Yield-Anleihen, die als Maß für den Risikoappetit von Anlegern dienen, und sich seit Anfang März (gemessen am »Markit iTraxx Europe Crossover Index«) nur noch seitwärts und nicht mehr abwärts bewegen. Unterstützt werden die Risikomärkte zudem von den verbesserten Finanzierungsbedingungen in Europa und den USA. Diese sind durch die Flutung der Märkte mit Liquidität in Folge der US-Regionalbankenkrise und der massiven Schuldenaufnahmen des US-Finanzministeriums nun deutlich lockerer.

Indikation einer leichten Anspannung liefert der Volatilitätsindex VIX, der von den Rekord-Tiefständen bei 12 auf nun 17 angestiegen ist. Wir sehen auf diesen Niveaus jedoch noch keinen Grund zur Aufregung. Risikoszenario bleibt weiterhin die Inflationsentwicklung, die bei einem weniger starken Rückgang oder gar einem Anstieg ab Jahresmitte Druck auf die Risikomärkte ausüben könnte. Sollte sich das Sentimentbild eintrüben, besteht die Gefahr einer Kurskorrektur. Dann könnte sich die Börsenweisheit »Sell in May and go away« einmal mehr als zutreffend erweisen. Solange sich die Indikatoren jedoch nicht signifikant verschlechtern, sehen wir das Sentimentbild weiterhin grundsätzlich konstruktiv, zumal saisonal betrachtet ein positiver Jahresauftakt in der Vergangenheit auch oft für einen positiven weiteren Jahresverlauf gesprochen hat.

Die Marktbreite zeigt sich zunehmend stärker. So notieren 74% der Aktien im Eurostoxx und 83% im S&P500 oberhalb ihrer 200-Tage-Linie. Gleichzeitig ist der Outperformancepfad des marktgewichteten S&P500 gegenüber dem gleichgewichteten S&P500 seit Mitte Februar ins Stocken geraten. Auch innerhalb der »Magnificent Seven« performen nicht mehr alle Titel gleichermaßen gut (negative YTD-Entwicklung bei Apple und Tesla ggü. deutlich positiver Entwicklung bei den übrigen Titeln). Entsprechend kommt inzwischen ein größerer Performancebeitrag aus der breiten Masse an Titeln. Zudem entwickelten sich jüngst alle regionalen Aktienindizes positiv und bestätigen damit auch eine verbesserte geografische Marktbreite. Selbst China, Thailand und Russland, die sich zuvor negativ entwickelt hatten, sind inzwischen auf dem Vormarsch. In Summe sehen wir eine bessere Marktdurchdringung und damit eine verbesserte Marktbreite.

Das charttechnische Bild zeigt sich demgegenüber nicht mehr so positiv. Die übergeordneten gleitenden 20-, 50-, 100- und 200-Tage-Durchschnitte sind für beide Indizes zwar noch aufwärtsgerichtet, jedoch deuten MACD, Bollinger-Bänder und der exponenzielle gleitende Durchschnitt, der die jüngsten Datenpunkte höher gewichtet, bereits auf eine Verlangsamung des Trends hin. So hat in Folge der höher als erwarteten US-Inflationsdaten der MACD für den Eurostoxx und den S&P500 ein Verkaufssignal generiert. Inzwischen handeln beide Indizes sogar unterhalb des mittleren Bollinger-Bands, was als Signal für eine Trendumkehr gilt. Sofern keine neue Aufwärtsdynamik aufkommt, ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch die gleitenden Durchschnitte nach unten drehen und das technische Gesamtbild negativ wird. Unterstützung dürfte der S&P500 zunächst auf dem 123,6% Fibonacci-Retracement bei 5130 Punkten (-0,6%) finden, was zugleich dem Niveau der 50-Tage-Linie entspricht. Eine Unterschreitung würde den Weg bis auf 4818 Punkte
(-7,0%; 100% Fibonacci-Retracement) und dann 4505 Punkte (-14,5%; zyklische Hochs) ebnen. Der Eurostoxx dürfte auf dem 138,5% Fibonacci-Retracement bei 503 Punkten (-1,3%) die nächste Unterstützung finden. Eine Unterschreitung würde das Tor für tiefere Niveaus bis auf 487 Punkte (-4,7%; 123,6% Fibonacci-Retracement) bzw. 462 Punkte (-10,3%; zyklische Hochs) öffnen.

Fazit: Die Rallye hat an Dynamik verloren. Während die Marktbreite noch positiv ist, lässt sich beim Sentiment eine Stagnation beobachten. Derweil trübt sich das technische Bild ein. Entsprechend erwarten wir kurzfristig keine dynamische Fortsetzung der Aktienmarkt-Rallye. Sollte sich das Sentiment eintrüben, sehen wir sogar kurzfristig Potenzial für tiefere Bewertungsniveaus.

Abbildung 1: Eurostoxx-Index

Quellen: Bloomberg, Bantleon

Abbildung 2: S&P500-Index

Quellen: Bloomberg, Bantleon

Anleihenmarkt

Steigende US-Inflationszahlen und robuste Arbeitsmarktdaten lasteten erneut auf dem Anleihenmarkt und führten zu einem weiteren Auspreisen von Leitzinssenkungserwartungen. Inzwischen erwartet der Markt nur noch zwei Leitzinssenkungen in den USA bis Februar 2025. Entsprechend stiegen die Renditen von US-Treasuries im mittleren Kurvenbereich um 20 Basispunkte gegenüber dem Vormonat an. Aktien setzten ihren Outperformancetrend gegenüber lang laufenden Anleihen fort. Im Vorfeld der US-CPI-Publikation ist der MOVE-Index – ein Volatilitätsmass für US-Treasuries – in einen Abwärtstrend übergegangen und unter die zuvor mehrmals getestete 100 Punkte-Marke gefallen. Auch wenn der Index nach den CPI-Zahlen wieder über die kritische 100-Punkte-Marke gestiegen ist, sehen wir einen intakten Abwärtstrend und erachten angesichts der überdurchschnittlich hohen Niveaus mittelfristig eine Rückkehr zu tieferen Volatilitätsniveaus als wahrscheinlich. Dies dürfte die Attraktivität von Anleihen für risikoaverse Anleger perspektivisch verbessern.

Angesichts des Gegenwinds seitens der Konjunktur und Inflation änderte sich die pessimistische Positionierung der Anleger in US-Treasuries kaum. So entfielen gemäß CFTC-Daten für 10-jährige US-Treasuries – einem Indikator für die Positionierung der Marktteilnehmer – weiterhin rekordhohe 70% der ausstehenden Future-Kontrakte auf Short-Positionen. Auf Long-Positionen entfielen nur 30%. Ergo fehlen die Treiber für eine Umpositionierung. Stattdessen präferieren Anleger andere Safe-Haven-Assetklassen wie z.B. Gold, um sich gegen geopolitische Unsicherheitsfaktoren und rekordhohe Schuldenstände abzusichern.

Unverändert interessant bleibt jedoch die relative Attraktivität der Anleihen gegenüber Aktien. Europäische Aktien versprechen gemessen am Eurostoxx-Index eine Dividendenrendite von 3,38%, was auf dem Niveau einjähriger Bundesanleihen liegt. Europäische Unternehmensanleihen bringen gar eine Rendite auf Endfälligkeit von 3,70%. Einjährige US-Treasuries rentieren mit 5,15% rund 60 Basispunkte oberhalb der erwarteten Dividendenrendite für den Dow Jones Select Dividend Index (4,55%). Damit besitzen Anleihen, insbesondere im kurzen Laufzeitbereich, eine höhere laufende Rendite als Aktien.

Abbildung 3: Rendite 10-jähriger Bundesanleihen

Quellen: Bloomberg, Bantleon

Abbildung 4: Rendite 10-jähriger US-Treasuries

Quellen: Bloomberg, Bantleon

Charttechnisch setzt sich das Bild einer volatilen Seitwärtsbewegung bei den 10-jährigen Bund-Renditen fort. So bewegen sich die Renditen seit Februar zwischen 2,20 und 2,50% und kreuzen immer wieder das mittlere Bollinger-Band, um dann am oberen oder unteren Band abzuprallen. Im aktuellen Umfeld sollte den Momentum-Indikatoren (MACD und gleitende Durchschnitte) daher wenig Beachtung geschenkt werden. Gleichzeitig hat sich bei 2,50% eine starke Widerstandsmarke entwickelt, was zugleich der 200-Tage-Linie entspricht. Damit dürfte das Aufwärtspotenzial zunächst beschränkt sein. Eine Fortsetzung der Bewegung innerhalb der oben genannten Spanne erscheint uns daher am wahrscheinlichsten.

Ganz anders präsentiert sich das Bild bei den 10-jährigen US-Treasury-Renditen. Diese haben seit Jahresbeginn einen Aufwärtstrend ausgebildet und handeln mit 4,55% aktuell am oberen Ende des Trendkanals. Das Aufwärtsmomentum ist durchweg intakt. So deuten MACD, Bollinger-Bänder und gleitende Durchschnitte auf weiter steigende Renditen hin. Bei 4,60% ist angesichts des 23,6% Fibonacci-Retracements eine starke Widerstandsmarke zu erwarten. Eine Überschreitung könnte die Renditen bis auf 5,00% steigen lassen. Unterstützung finden die Renditen hingegen an der 200-Tage-Linie, die gegenwärtig bei 4,25% verläuft. Das charttechnische Bild deutet bei US-Treasuries auf einen Fortbestand des Aufwärtstrendkanals hin. 10-jährige Bund-Renditen dürften sich eher seitwärts entwickeln.

Fazit: In Summe sind die Vorzeichen für US-Treasuries aus markttechnischer Perspektive weiter negativ. Für Bundesanleihen ist eine seitwärts gerichtete Entwicklung der Renditen das wahrscheinlichste Szenario. Einzig die relative Attraktivität gegenüber den Bewertungsniveaus von Aktien spricht kurzfristig für Anleihen. Wir sehen bei kurz laufenden Anleihen angesichts der robusten Konjunktur- und Arbeitsmarktentwicklung momentan das beste Risiko-Ertrags-Verhältnis. Ändern könnte sich dies mit dem Einläuten des Leitzinssenkungszyklus, was zeitlich auf die Sommermonate zu verorten ist.

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