Medienspiegel
12. September 2022

Zeitenwende an den Finanzmärkten

»Wir erleben derzeit eine Zeitenwende an den Finanzmärkten, vor allem, weil sich das Inflationsklima nachhaltig verschlechtert.« Das hat »Bantleon Kapitalmarktstratege« Dr. Harald Preißler im Interview mit der Börsen-Zeitung gesagt. »Es kann durchaus sein, dass sich die Lage an den Energiemärkten und bei den Lieferketten im nächsten Jahr entspannt. Dann würden auch die Inflationsraten wieder sinken. Es wird jedoch nicht zur Rückkehr in die alte Komfortzone um 2% kommen. Die Inflation wird vielmehr hoch bleiben und sich eher um 4% bewegen.«

Die dauerhaft erhöhte Inflation hat Preißler zufolge mit strukturellen Veränderungen zu tun, zu denen neben der Demografie vor allem die Deglobalisierung zählt. »Auch die Dekarbonisierung ist ein struktureller Inflationstreiber. Nicht nur, weil der steigende CO2-Preis alle Energieträger verteuert, sondern weil in den vergangenen Jahren viel zu wenig in den Ausbau erneuerbarer Energien investiert worden ist. Hinzu kommt, dass die Transformation des Energiesystems sehr grosse Mengen an Industriemetallen wie Kupfer, Nickel und Lithium erfordert.«

Ein weiterer Inflationstreiber sei die neue Defizitkultur in der Fiskalpolitik. »Im Ergebnis explodieren jetzt nicht mehr die Notenbankbilanzen, sondern die Staatsschulden, die in den OECD-Staaten in den letzten zehn Jahren so stark gestiegen sind wie in den 50 Jahren davor. Während die Liquidität der Notenbanken an den Finanz- und Immobilienmärkten versickerte, ohne in die Realwirtschaft zu gelangen, entfalten Fiskalausgaben wie etwa die Hilfszahlungen in der Corona-Krise ihre inflationäre Wirkung an den Gütermärkten unmittelbar.«

Mittel- und langfristig müssten Anleger sich auf steigende Zinsen einstellen, stellte Preißler fest: »Nach wie vor dominiert an den Finanzmärkten die Hoffnung, die Notenbanken werden den Zinsanstieg stoppen, sobald die Inflation ihren Hochpunkt durchschritten hat. Ich befürchte hier ein böses Erwachen. Eine dauerhaft erhöhte Inflation zwingt die Notenbanken nämlich zum Handeln, weil sie andernfalls die Kontrolle über die Inflationserwartungen verlieren.« 

Den neutralen Leitzins sieht der Kapitalmarktstratege in den nächsten Jahren auf dem Niveau der prognostizierten Inflationsrate von 3% bis 4%. Daraus folge eine Rendite für zehnjährige deutsche Bundesanleihen von 4% bis 5%. Ein aktives Management der Anleihenlaufzeiten sei in diesem Szenario unverzichtbar, um Kursverluste zu minimieren.

»Für die Aktienmärkte bedeuten höhere Zinsen automatisch niedrigere Bewertungen«, erklärte Preißler. »Ausserdem zehrt die Inflation über höhere Lohn-, Material-, Energie- und Zinskosten an den Margen. Als Folge davon müssen die Gewinnerwartungen deutlich nach unten korrigiert werden und damit verschlechtern sich auch die Perspektiven für die Anlageerträge.« Nominal seien an den Aktienmärkten nicht viel mehr als 2% bis 3% jährlich zu erzielen. Real verliere man damit bei der höheren Inflation somit 1% bis 2% pro Jahr. 

Um dennoch positive Erträge zu erzielen, sei an erster Stelle die aktive Selektion von Unternehmen mit hoher Innnovationskraft wichtig, »denn diese werden ihre Margen erfolgreicher verteidigen können. Während die Anleger mit passiven Instrumenten die zuvor skizzierten Verluste gewissermassen einloggen, bieten aktive Konzepte die Chance auf deutlich bessere Erträge. Der zweite Eckpfeiler ist generell die fortlaufende Anpassung der Investitionsquote, also Erhöhung der Aktienquote im wirtschaftlichen Aufschwung und ihre Reduzierung im Abschwung. Dadurch werden die Verluste in Schwächephasen vermindert, während die Gewinne bei starkem Börsenumfeld abgeschöpft werden können.«

Im aktuellen Umfeld sollte man sich defensiv aufstellen, riet Preißler, »weil wir uns auf dem Weg in eine schmerzhafte Rezession befinden, die unserer Einschätzung nach mindestens bis Mitte 2023 anhält«. Gemessen daran seien die Gewinnerwartungen für 2023 viel zu hoch, entsprechend gross das Korrekturpotenzial. »Die Tiefststände am Aktienmarkt werden daher deutlich niedriger liegen als die bisherigen. Wir erwarten den DAX Mitte 2023 bei 10.000 Punkten.«

Lesen Sie hier das vollständige Interview (Paywall).
 

   

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