Kommentar
7. März 2022

Ukraine-Krieg verstärkt Trend zu langfristig höherer Inflation

Welche Folgen der Ukraine-Krieg für die Weltwirtschaft hat, lässt sich heute noch nicht vernünftig abschätzen. Klar ist, Dauer und Intensität der Auseinandersetzung spielen eine Schlüsselrolle. Je länger der Krieg anhält, umso wahrscheinlicher ist eine Fortsetzung der Rohstoffhausse, welche die globale Konjunktur erkennbar belasten würde. Russland hat indes ein hohes Interesse an einer zeitnahen Beendigung des Feldzugs. Ein monatelanges Ringen dürfte wirtschaftlich kaum verkraftbar sein. Dennoch ist das Szenario eines langwierigen Abnutzungskampfes nicht auszuschliessen.

Während somit die konjunkturellen Effekte noch nicht absehbar sind, bestehen in einem anderen Punkt kaum Zweifel über die Folgen des Krieges: Die Inflation erfährt einen weiteren Schub – und zwar nicht nur kurzfristig, sondern auch langfristig. Dazu tragen nicht zuletzt die politischen Konsequenzen des Konflikts bei. So wird es erstens zu einer weltweiten Aufrüstungswelle kommen. Zweitens wird der Westen die Energieunabhängigkeit von Russland anstreben und drittens ganz generell sein Verhältnis zu autokratischen Systemen überdenken. Warum all dies die Teuerung ankurbelt, soll im Folgenden näher erläutert werden.

Der russische Angriffskrieg hat nicht nur den Westen aufgeschreckt. Schon jetzt ist klar, dass er einen globalen Rüstungswettlauf auslöst. Deutschland ist bereits vorgeprescht und will der Bundeswehr zusätzlich 100 Mrd. EUR zur Verfügung stellen. Auf die Staatsverschuldung wird dabei keine Rücksicht genommen. Damit setzt sich eine Tendenz fort, die bereits die Corona-Krise zutage förderte: Solide Staatsfinanzen werden hintangestellt. Schon wird in der EU diskutiert, die Fiskalregeln auch 2023 auszusetzen. Das viele Geld, das die Staaten ausschütten, trifft dabei auf eine Wirtschaft, die vielerorts bereits voll ausgelastet ist. Steigende Preise sind die zwangsläufige Folge. 

Wladimir Putin hat es daneben geschafft, den Europäern russisches Gas und Öl zu verleiden. Sie werden stattdessen auf andere Anbieter und LNG setzen. Ausserdem erfährt der Ausbau der erneuerbaren Energien noch höhere Priorität. Dieser politische Kurswechsel ist zwar aller Ehren wert. Für Unternehmen und Konsumenten sind damit jedoch höhere Kosten vorprogrammiert. 

Die Energieproblematik ist ein weiteres Beispiel dafür, dass sich die Europäer auf ganz vielen Feldern in Abhängigkeit anderer Länder und Regionen begeben haben. Dies hat inzwischen zu einem Umdenken geführt. Nicht nur im Energiesektor, sondern auch im medizinischen und technologischen Bereich (Halbleiter, Batterietechnik) wollen die Europäer autarker werden und Produktion »heimholen«. Damit schreitet die Deglobalisierung weiter voran, was die Produktionsprozesse zwangsläufig teurer macht. 

Im Ergebnis verstärkt der Ukraine-Krieg einen Trend, der bereits ohnehin im Gang ist: Die 2020er Jahre werden ein Jahrzehnt, in dem der Inflationsdruck zunimmt. Neben den oben genannten Faktoren tragen dazu auch der Klimawandel und der weltweit beobachtbare Fachkräftemangel bei. 

Der Investor sollte sich somit nichts vormachen. Selbst wenn es zu einem schnellen Kriegsende kommt, dürfte dies nur zu einer temporären Entspannung an der Inflationsfront führen. Mittelfristig ist von anhaltend steigenden Rohstoffpreisen und wachsendem Lohndruck auszugehen. Auch den Notenbanken wird der aktuelle Konflikt somit nur eine kurze Pause gönnen. Um eine restriktivere Politik werden sie nicht umhinkommen.

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