Kommentar
23. Mai 2022

Robuste Konsumnachfrage spricht gegen Rezession

Immer drängender stellt sich die Frage, ob die Weltwirtschaft noch in diesem Jahr in eine Rezession rutscht. Der jüngste Absturz der chinesischen Aktivitätsdaten und der Einbruch einiger regionaler Geschäftsklimaindikatoren in den USA sind in dieser Hinsicht Warnsignale. Ob es zu einer konjunkturellen Abwärtsspirale kommt, hängt jedoch aus unserer Sicht ganz entscheidend von der Entwicklung der globalen Konsumnachfrage ab.

Mit dem Abflauen der Pandemie im Frühjahr hat in den USA und Europa zunächst alles für eine kräftige Konsumbelebung gesprochen. Der Ukraine-Krieg und der damit einhergehende Schock bei den Rohstoffpreisen stellt nunmehr aber einen Bremsfaktor dar. Was wiegt schwerer?

Die aktuellen Konsumdaten zeichnen kein einheitliches Bild. Das Verbrauchervertrauen ist – speziell in Europa – infolge der Kriegsgeschehnisse und der Angst vor immer weiter steigenden Preisen in die Knie gegangen. Auf das tatsächliche Konsumverhalten hat sich dies jedoch noch nicht ausgewirkt. Die Einzelhandelsumsätze waren bis zuletzt stabil und Daten zu den Freizeitaktivitäten deuten eindeutig auf eine Belebung bei den Hotelübernachtungen, den Restaurantbesuchen und den Flugbuchungen hin. 

Beim Versuch, die gegenläufigen Effekte zu quantifizieren, kommen wir zu folgenden Ergebnissen: Den Kaufkraftentzug durch steigende Energie- und Nahrungsmittelpreise schätzen wir in den USA und der Eurozone in diesem Jahr auf 1,5% bis 2,0% des BIP. Für sich genommen eine gewaltige Belastung. Dem steht jedoch eine Reihe positiver Faktoren gegenüber. 

So konnten die privaten Haushalte als Folge der riesigen Fiskalimpulse in den Jahren 2020/2021 üppige Rücklagen bilden. Nach unseren Berechnungen belaufen sich die Sparüberhänge auf 6,5% (Eurozone) bis 8,0% (USA) des BIP. Allein hieraus liesse sich der Energiepreisschock also leicht abfedern. 

Hinzu kommt, dass die Vermögen der Privathaushalte trotz der jüngsten Kursrückschläge an den Aktienmärkten in den vergangenen Jahren massiv zugelegt haben. Davon haben zwar eher die wohlhabenderen Bevölkerungsgruppen profitiert. Gleichzeitig läuft es aber auch an den Arbeitsmärkten rund. Hier sind oftmals gerade Arbeitskräfte aus den unteren Lohngruppen (Stichwort: LKW-Fahrer) heiss begehrt, die überdies in vielen Ländern von der Anhebung der Mindestlöhne profitieren.

Schliesslich haben zahlreiche Euroländer Hilfspakete geschnürt, um die Folgen der steigenden Teuerungsraten abzufedern. Zu den Massnahmen zählen unter anderem Benzinrabatte, Energieschecks und Steuerentlastungen. Allein in Deutschland dürfte das Entlastungsvolumen von 40 Mrd. EUR fast die Hälfte des Energiepreisanstiegs kompensieren. 

Summa summarum gibt es daher nach wie vor gute Gründe, die in diesem Jahr für eine robuste Konsumnachfrage in den USA und der Eurozone sprechen. Eine Rezession ist in Anbetracht dessen unwahrscheinlich. Damit dies so bleibt, ist aber eines unerlässlich: Die Energiepreise sollten sich auf den aktuellen Niveaus stabilisieren. Dies hängt wiederum zentral von der weiteren Entwicklung des Ukraine-Kriegs ab. Eine Beruhigung des Konflikts wäre mithin nicht nur für die Menschen in der Ukraine ein Segen, sondern hätte den dankbaren Nebeneffekt, das globale Rezessionsgespenst zu verjagen. 

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