Kommentar
30. Januar 2023

Rezessionssignale in den USA verdichten sich

Von einer Rezession ist für viele Beobachter in den USA nicht viel zu sehen. Im Gegenteil – die neusten Wirtschaftszahlen für Q4 weisen ein erneut robustes BIP-Wachstum von annualisiert knapp 3,0% gegenüber dem Vorquartal aus. Das Expansionstempo lag damit die gesamte zweite Hälfte des vergangenen Jahres merklich über der inflationsneutralen Potenzialrate, die auf knapp 2,0% veranschlagt wird. Auch mit Blick voraus scheint die Lage erfreulich. Für die Zahl der Stellenschaffungen im Januar, die am Freitag bekannt gegeben wird, rechnet der Konsensus mit respektablen 175.000. Das wäre rund doppelt so viel wie nötig, um allen Menschen einen Job zu bieten, die infolge des Bevölkerungswachstums jeden Monat auf den Arbeitsmarkt drängen. 

Soweit die guten Nachrichten. Bei genauerem Hinsehen bleibt davon jedoch nicht viel übrig. So war das Wachstum im Schlussquartal 2022 allein zur Hälfte auf den – wahrscheinlich unfreiwilligen – Aufbau von Lagerbeständen zurückzuführen. Ausserdem sorgte der Aussenhandel für einen zweifelhaften Wachstums-impuls, weil er nicht auf anziehende Exporte, sondern auf eine schrumpfende Importnachfrage zurückzuführen ist. Wird schliesslich noch der Staat herausgerechnet, verbleibt ein verschwindend geringes Plus von lediglich 0,2%. Das zeigt, dass die private inländische Endnachfrage – als letztlich entscheidende Triebkraft des Wachstums – bereits ernsthaft ins Stottern geraten ist.

Kritisch zu beurteilen ist dabei vor allem die Entwicklung der Investitionen. An vorderster Stelle stehen hier die Wohnbauinvestitionen, die 2022 um knapp 20% gesunken sind. Solch ein Absturz war zuletzt im Zuge der Finanzkrise 2009 zu beobachten und die massiv gestiegenen Hypothekenzinsen zeichnen eine Fortsetzung dieser Talfahrt vor. 

Noch problematischer ist aber, dass nun auch die Unternehmensinvestitionen unter Druck kommen. Bei Maschinen und Anlagen ist die Kapitalgüternachfrage inzwischen in zwei der zurückliegenden drei Quartale gesunken. Die monatlichen Daten zur Auftragsentwicklung deuten mit rückläufigen Bestellungen darauf hin, dass es Anfang dieses Jahres weiter nach unten geht. Und werden unsere weit vorauslaufenden Frühindikatoren zu Rate gezogen, ist der Ausblick noch trüber. Sie zeigen an, dass der Zinsschock des vergangenen Jahres und die massiv gestiegenen Rohstoff- und Lohnkosten bis mindestens zum Ende dieses Jahres auf den Gewinnen der Unternehmen lasten werden, die in der Folge ihre Investitionen weiter zurückschrauben dürften. 

Letztlich lassen die jüngsten Wirtschaftsdaten mehr und mehr erkennen, dass die konjunkturelle Abwärtsspirale in Gang kommt, die wir schon seit geraumer Zeit für die US-Wirtschaft prognostizieren. Wenn die Unternehmensinvestitionen nachhaltig zurückgefahren werden, geht das unweigerlich mit einem umfangreichen Personalabbau einher. Immer mehr Konzerne kündigen bereits solche Entlassungen als Reaktion auf eine enttäuschende Umsatz- und Gewinnentwicklung an. Entsprechend kann auch die Aussicht auf einen erneut respektablen Stellenzuwachs im Januar nicht trösten. Das Beschäftigungsumfeld sollte sich vielmehr in den kommenden Monaten deutlich eintrüben.

Alles in allem müssen somit die Wachstumszahlen für das Schlussquartal 2022 und auch die zu erwartenden Arbeitsmarktdaten für Januar als der berühmte Blick in den Rückspiegel betrachtet werden. Mit Sicht voraus ziehen indes immer dunklere Wolken auf, die vor einem deutlichen Wachstumseinbruch warnen. Es verdichten sich die Signale, wonach die US-Wirtschaft wahrscheinlich schon im laufenden Quartal in eine ausgewachsene Rezession abrutscht.

Rechtlicher Hinweis

Die in diesem Beitrag gegebenen Informationen, Kommentare und Analysen dienen nur zu Informationszwecken und stellen weder eine Anlageberatung noch eine Empfehlung oder Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Anlageinstrumenten dar. Die hier dargestellten Informationen stützen sich auf Berichte und Auswertungen öffentlich zugänglicher Quellen. Obwohl die Bantleon AG der Auffassung ist, dass die Angaben auf verlässlichen Quellen beruhen, kann sie für die Qualität, Richtigkeit, Aktualität oder Vollständigkeit der Angaben keine Gewährleistung übernehmen. Eine Haftung für Schäden irgendwelcher Art, die sich aus der Nutzung dieser Angaben ergeben, wird ausgeschlossen. Die Wertentwicklung der Vergangenheit lässt keine Rückschlüsse auf die künftige Wertentwicklung zu.