Kommentar
28. Februar 2022

Putin in die Enge getrieben

Die Ereignisse in der Ukraine-Krise überschlagen sich. Der russische Angriffskrieg gegen das »Brudervolk« wird mittlerweile von den westlichen Demokratien als so einschneidend bewertet, dass sie sich auf scharfe Sanktionen verständigt haben: Ein Grossteil der russischen Banken wird vom Kapitalmarkt und Zahlungsverkehr (SWIFT-System) abgeschnitten; der Zentralbank wird der Zugriff auf westliche Devisenreserven verwehrt; für Schlüsselgüter (u.a. Halbleiter, Chips, Flugzeugteile) wird ein Exportverbot verhängt; der Luftraum wird für russische Flugzeuge gesperrt und das Vermögen russischer Eliten wird eingefroren. 

Vor dem letzten Mittel – einem Importembargo russischer Rohstoffe – hat der Westen noch Halt gemacht. Dennoch ist die russische Wirtschaft auch schon so weitgehend isoliert. Es wird eine schwere Rezession folgen. Der Rubel wird ins Bodenlose stürzen und selbst ein Bank Run ist nicht auszuschliessen. 

Auch militärisch läuft nicht alles nach Putins Plan. Die Geländegewinne der russischen Armee sind bislang überschaubar. Die Ukrainer wehren sich tapfer und werden nunmehr auch noch verstärkt mit Waffen beliefert. Schon nach wenigen Tagen steht Russland somit vor einem Scherbenhaufen. 

Selbst wenn die Ukraine in den nächsten Wochen eingenommen wird, dürfte Russland weiter ins internationale Abseits geraten. Die Europäer werden alles daransetzen, um sich von den russischen Rohstofflieferungen unabhängiger zu machen. Ausserdem wird die NATO ihre Präsenz in Osteuropa verstärken.

Wie reagiert der russische Präsident darauf? Dass nunmehr die Atomstreitkräfte in Alarmbereitschaft gesetzt werden, ist ein besorgniserregendes Signal. Ausserdem könnte die Brutalität der Kriegsführung gesteigert werden. Ein anhaltend hoher Blutzoll der russischen Armee könnte den Präsidenten jedoch auch zu Friedensverhandlungen zwingen. Es sind somit viele Entwicklungspfade denkbar. 

Welche negativen Folgen der Ukraine-Krieg für die Weltwirtschaft hat, hängt unter anderem davon ab, wie stark das globale Unternehmens- und Verbrauchervertrauen leiden wird. Hier könnte nach einigen Wochen ein »Gewöhnungseffekt« eintreten. Es sei denn, Putin steigert wie oben erwähnt die Brutalität der Kriegsführung oder zündelt noch stärker mit der Drohung eines Atomkriegs.

Mindestens genauso wichtig ist die weitere Entwicklung der Energiepreise. In einer ersten Reaktion hat der Ölpreis auf die verschärften Sanktionen des Westens verhalten reagiert. Entscheidend ist, ob Russland weiterhin den Westen mit Rohstoffen beliefert und somit als internationaler Rohstofflieferant erhalten bleibt. Die Vernunft spricht unverändert dafür, ansonsten würde sich Russlands wirtschaftlicher Niedergang noch beschleunigen. Wenn sich also bald herausstellt, dass sich an der globalen Energieversorgung nichts Wesentliches ändert, sollte sich die Öl- und Gaspreisentwicklung zumindest konsolidieren. 

Mit Blick auf die Finanzmärkte ist kurzfristig aufgrund des verschärften Tons zwischen der NATO und Russland und der vielfältigen Unsicherheitsfaktoren von hoher Volatilität auszugehen. Nicht mehr auszuschliessen ist, dass die europäischen Aktienmärkte in den Korrekturmodus abtauchen, d.h. der DAX unter 13.000 Punkte rutscht. Vorsichtige Anleger sollten daher eine neutrale Ausrichtung bei Risikoassets einnehmen oder ihre Positionen sogar komplett absichern.

Dessen ungeachtet ist nach wie vor ein plausibles Szenario, dass sich die Lage wieder beruhigt. Voraussetzung dafür ist, dass Russland weiterhin als Rohstofflieferant präsent ist und sich der Krieg nicht zu sehr in die Länge zieht – sprich Putin gewinnt oder es zum Waffenstillstand kommt. Risikoassets dürften sich dann wieder vom Schock erholen und in einen Aufwärtstrend einschwenken. 

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