
Notenbanken unterschätzen Rezessionsgefahren
Die Leitzinsorgie ist in vollem Gang und treibt die Staatsanleihenrenditen auf immer neue Höchststände. Rund um den Globus scheinen sich die Notenbanken bei der Inflationsbekämpfung überbieten zu wollen. Die Fed hat die dritte Leitzinsanhebung in Folge um aussergewöhnliche 75 Bp beschlossen – so schnell wurden die geldpolitischen Rahmenbedingungen in den USA seit rund 40 Jahren nicht mehr gestrafft. Kurz danach zog die SNB mit einem gleich grossen Zinsschritt nach. Schliesslich stellten auch prominente EZB-Vertreter weitere kräftige Straffungen in Aussicht, da der Leitzins in ihren Augen noch lange nicht dort ist, wo er angesichts der überbordenden Inflation sein müsste.
Neu und anders als noch vor einigen Monaten erwecken die Notenbanken inzwischen den Eindruck, dass sie beim Einbremsen der Inflation auch nicht vor namhaften konjunkturellen Bremseffekten zurückschrecken. Immer mehr Währungshüter behaupten, sie würden sogar eine Rezession in Kauf nehmen.
In ihren Prognosen sind die Zentralbanken davon aber zumeist noch weit entfernt. So geht die Fed weiterhin von einem sehr moderaten konjunkturellen Dämpfer aus. Ihren Projektionen ist zu entnehmen, dass die Wirtschaft in den kommenden Quartalen im Mittel mit vergleichsweise robusten 1,2% wachsen wird (annualisiert). Gleichzeitig sollte die Arbeitslosenquote in den nächsten rund eineinhalb Jahren um lediglich 0,7%-Punkte steigen. Von echten »Schmerzen«, wie Jerome Powell es nannte, kann in solch einem Fall nicht die Rede sein – vielmehr wäre das nach wie vor als Soft Landing zu bezeichnen.
Sollte die US-Wirtschaft tatsächlich in den kommenden Quartalen stabil wachsen, wäre es grundsätzlich plausibel, dass die Leitzinsen zunächst nochmals kräftig ansteigen und erst im Laufe von 2023 – wie von der Fed unterstellt – bei knapp 4,75% ihren Höhepunkt erreichen. Ausgehend vom aktuellen Niveau müssten entsprechend noch Anhebungen um zusammen 150 Bp erfolgen. In unseren Augen ist dieses Idealszenario eines nur geringfügig verlangsamten Wachstums jedoch äusserst unwahrscheinlich.
So haben gerade in der vergangenen Woche die neusten US-Immobiliendaten einen weiteren Vorgeschmack darauf gegeben, was der US-Wirtschaft aufgrund der explodierten Kosten und der in die Höhe geschossenen Zinsen bevorsteht. Das 8-Jahres-Tief beim NAHB-Wohnungsmarktindex (nach Ausklammerung des Corona-Einbruchs) kündigt beispielsweise weitere Rückgänge bei den Wohnbauinvestitionen an. Die historisch nahezu beispiellose Verdopplung der Hypothekenzinsen fordert hier wie zu erwarten immer mehr ihren Tribut. Alles spricht dafür, dass es den Unternehmensinvestitionen ähnlich ergeht, was zu einer konjunkturellen Abwärtsspirale führen wird, sprich zu einer ausgewachsenen Rezession mit deutlich rückläufiger Beschäftigung.
Dann wird es zur Nagelprobe kommen. Aktuell lässt sich leicht behaupten, die Leitzinsen würden auch angehoben, wenn die Arbeitslosigkeit steigt. Wenn das aber tatsächlich der Fall ist, wird sich die Fed schnell auf ihr zweites Ziel – Vollbeschäftigung – besinnen. Weil dann gleichzeitig die Teuerungsgefahren infolge der einbrechenden Wirtschaft merklich nachlassen und auch die Inflationserwartungen nachgeben, dürfte sie wie immer in der Vergangenheit eine 180-Grad-Wende vollziehen, und die Leitzinsen wieder senken. Das an den Geldterminmärkten im kommenden Jahr eingepreiste Leitzinsniveau von 4,50% bis 4,75% halten wir daher für viel zu hoch. Folglich sollten die Leitzinserwartungen nach unten drehen und damit auch die Staatsanleihenrenditen wieder sinken.
Rechtlicher Hinweis
Die in diesem Beitrag gegebenen Informationen, Kommentare und Analysen dienen nur zu Informationszwecken und stellen weder eine Anlageberatung noch eine Empfehlung oder Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Anlageinstrumenten dar. Die hier dargestellten Informationen stützen sich auf Berichte und Auswertungen öffentlich zugänglicher Quellen. Obwohl die Bantleon AG der Auffassung ist, dass die Angaben auf verlässlichen Quellen beruhen, kann sie für die Qualität, Richtigkeit, Aktualität oder Vollständigkeit der Angaben keine Gewährleistung übernehmen. Eine Haftung für Schäden irgendwelcher Art, die sich aus der Nutzung dieser Angaben ergeben, wird ausgeschlossen. Die Wertentwicklung der Vergangenheit lässt keine Rückschlüsse auf die künftige Wertentwicklung zu.

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