Kommentar
29. August 2022

Notenbanken kämpfen um Glaubwürdigkeit

Jackson Hole war doch wieder einmal mehr als nur ein gewöhnliches Notenbanktreffen in idyllischer Umgebung. Dabei hat Fed-Chef Jerome Powell, dessen Rede im Zentrum des Symposiums stand, gar nicht so viel Neues gesagt. Ein paar Nuancen haben jedoch genügt, um die Zinsängste weiter anzuheizen.

Powell war es besonders wichtig zu betonen, dass die Leitzinsen dieses Mal möglichst lange im restriktiven Bereich gehalten werden müssen. Die Fehler der 1970er Jahre dürften nicht wiederholt werden. Das sei zwar mit Schmerzen für die Wirtschaft – sprich einer möglichen Rezession – verbunden. Am Ende sei es aber für alle am besten, die Inflation unter Kontrolle zu bringen.  

Isabell Schnabel von der EZB griff den Ball auf. Auch sie unterstrich, dass die Geldpolitik nunmehr kraftvolle Schritte bei der Inflationsbekämpfung unternehmen müsse. Bislang waren solche Bekenntnisse aus EZB-Kreisen eher Mangelware. Nicht wenige europäische Währungshüter vertraten bis zuletzt sogar die Auffassung, gegenüber den aktuellen Inflationssprüngen machtlos zu sein. Die Ursache der Energiepreisschocks läge im Ukraine-Krieg.

Schnabel machte jedoch klar, dass solche Ausreden nicht zulässig sind. Schaut die Geldpolitik dem Inflationstreiben tatenlos zu, besteht die Gefahr, dass sich die hohen Teuerungsraten in den Inflationserwartungen verfestigen und die Notenbank nachhaltig an Glaubwürdigkeit verliert.

In Anbetracht dessen verwundert es nicht, dass im Rahmen von Jackson Hole Gerüchte die Runde machten, wonach die EZB am 8. September den Leitzins nicht nur um 50 Bp, sondern sogar um 75 Bp anheben könnte. Allerdings ist unklar, wie die Mehrheitsverhältnisse in dieser Hinsicht liegen. Bislang haben sich vor allem die Falken des EZB-Rats zu Wort gemeldet. Christine Lagarde glänzte hingegen in Wyoming mit Abwesenheit.

Alles in allem spricht viel dafür, dass die Notenbanken in den nächsten Wochen noch aggressiver in der Zinspolitik vorgehen als bislang gedacht. So könnte der Leitzins der Fed im November bereits bei 3,75% liegen und in der Eurozone bei 1,25%. Noch stehen die Wirtschaftsdaten einer solchen Zinspolitik nicht im Weg. Die Eurozone hat sich im 1. Halbjahr 2022 gut geschlagen und in den USA könnte das BIP im 3. Quartal wieder wachsen. 

Dieser leichte Rückenwind vonseiten der Konjunktur wird aber bald in heftigen Gegenwind umschlagen. Speziell in der Eurozone deutet angesichts des Energiepreisschocks mittlerweile alles auf einen scharfen Abschwung hin. Aber auch in den USA gehen wir davon aus, dass die Wirtschaft um die Jahreswende in die Rezession abgleitet. Die Notenbanken werden sich dann in einem ganz neuen Umfeld bewegen. Unter anderem gehen wir davon aus, dass die Arbeitslosenquote in den USA kräftig ansteigt. Die Inflation dürfte zwar immer noch über den Zielniveaus liegen. Es ist aber klar, dass mit einer Rezession der Teuerungsdruck spürbar nachlässt. Die Fed und die EZB werden entsprechend unter Druck geraten, der Wirtschaft unter die Arme zu greifen – mit geldpolitischen Lockerungen.

Wir halten daher unverändert daran fest, dass der Leitzinserhöhungszyklus spätestens Anfang 2023 ausläuft. Die Märkte werden dies antizipieren. Der aktuelle Renditeanstieg stellt somit das letzte Aufbäumen dar, bevor die Renditen in einen übergeordneten Abwärtstrend einschwenken.

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