Kommentar
6. Februar 2023

Leitzinshochpunkt in Reichweite

Die Federal Reserve und die EZB haben in der vergangenen Woche einen überraschenden Schwenk in der Rhetorik vollzogen. Waren sie im Dezember noch als unerbittliche Kämpfer für tiefere Inflationszahlen aufgetreten, fiel die Tonlage dieses Mal deutlich gemässigter aus. Zwar ist nach wie vor von viel zu hohen Inflationsraten und der Notwendigkeit weiterer geldpolitischer Straffungen die Rede. Die Zwischentöne liessen jedoch darauf schliessen, dass der Leitzinshochpunkt nicht mehr weit entfernt ist. 

Auffallend passiv reagierten die Notenbanker etwa auf die Frage, ob die Märkte inzwischen nicht zu wenige Leitzinserhöhungen einpreisen würden und entsprechend die Finanzierungskonditionen zu locker seien. Anders als im Dezember sah Fed-Chef Jerome Powell darin kein Problem mehr. Zu dieser Gelassenheit dürften die ersten Erfolge bei der Inflationsbekämpfung beigetragen haben. So sprach Powell offen von einer beginnenden Disinflation. Parallel verwies EZB-Präsidentin Christine Lagarde beim Inflationsausblick auf geringere Aufwärtsrisiken. 

Ist der Leitzinshochpunkt in den USA und der Eurozone also bald erreicht? Die Inflationsdaten sollten in den nächsten Monaten den geldpolitischen Tauben weiteren Rückenwind verschaffen. Allein die Basiseffekte bei den Energiepreisen werden in der Eurozone die Teuerungsrate bis Mitte dieses Jahres in Richtung 5% drücken. Die EZB dürfte entsprechend ihre Inflationsprojektionen für 2023 und 2024 im Rahmen der kommenden Notenbanksitzung nach unten anpassen und auch in den USA ist mit weiter nachlassenden Preissteigerungsraten zu rechnen. Hier gibt es überdies bei der Lohninflation erste erfreuliche Indizien für eine Abkühlung. 

Weniger klar ist die Lage bei den Konjunkturdaten. Sie scheinen einer weiteren monetären Straffung nicht im Weg zu stehen. So ist die US-Wirtschaft im 4. Quartal um knapp 3% gewachsen und der bärenstarke Arbeitsmarkt lässt zu Jahresbeginn keinerlei Rezessionsrisiken erkennen. In der Eurozone ist das BIP Ende 2022 zumindest leicht gewachsen und zuletzt haben sich einige Geschäftsklimaindikatoren – ausgehend von tiefem Niveau – erholt. 

Dennoch: Beim Blick nach vorne überwiegen die Abwärtsrisiken. Auch die Notenbanker verweisen immer häufiger darauf, dass die restriktiven Impulse der Geldpolitik erst mit langer Verzögerung ihre volle Wirkung entfalten. Die Immobilienmärkte sind bereits ins Wanken geraten. Gleichzeitig beginnen die Unternehmen, ihre Investitionspläne zu kürzen. Der Konsum leidet unterdessen nach wie vor unter dem Kaufkraftentzug durch die hohe Inflation. Aus unserer Sicht ist daher eine ausgewachsene Rezession unverändert das wahrscheinlichste Szenario für die USA und die Eurozone. 

Alles in allem werden Fed und EZB im März die Zinsschraube voraussichtlich nochmals anziehen. Danach wird die Luft aber dünn. Im Mai werden die Inflationszahlen deutlich tiefer liegen als heute und die Rezessionsrisiken immer klarer zu Tage treten. An einer abwartenden Haltung dürfte dann kein Weg mehr vorbeiführen. Behalten wir überdies Recht und es kommt sowohl in den USA als auch in der Eurozone zu einer konjunkturellen Abwärtsspirale, wird im 2. Halbjahr die Debatte über Leitzinssenkungen schnell an Fahrt gewinnen. Allen voran in den USA sind bei steigender Arbeitslosigkeit Leitzinsen im klar restriktiven Bereich nicht mehr haltbar. 

 

Rechtlicher Hinweis

Die in diesem Beitrag gegebenen Informationen, Kommentare und Analysen dienen nur zu Informationszwecken und stellen weder eine Anlageberatung noch eine Empfehlung oder Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Anlageinstrumenten dar. Die hier dargestellten Informationen stützen sich auf Berichte und Auswertungen öffentlich zugänglicher Quellen. Obwohl die Bantleon AG der Auffassung ist, dass die Angaben auf verlässlichen Quellen beruhen, kann sie für die Qualität, Richtigkeit, Aktualität oder Vollständigkeit der Angaben keine Gewährleistung übernehmen. Eine Haftung für Schäden irgendwelcher Art, die sich aus der Nutzung dieser Angaben ergeben, wird ausgeschlossen. Die Wertentwicklung der Vergangenheit lässt keine Rückschlüsse auf die künftige Wertentwicklung zu.