Kommentar
20. Februar 2023

Konjunkturoptimismus ist übertrieben

Noch vor wenigen Monaten waren sich die Ökonomen darin einig: Deutschland und Europa steuern auf eine schwere Rezession zu. Gleich um mehrere Prozentpunkte könnte das BIP schrumpfen, wenn Gas rationiert wird. Dann liefen aber zum Jahresende die Gasspeicher voll und die Preise brachen ein. Der Konsensus rechnete daraufhin zunächst nur noch mit einer milden Rezession – und zwar in Europa und in den USA. Seit Jahresbeginn hat die Zuversicht weiter zugenommen. Mittlerweile wird eine Rezession sogar als unwahrscheinlich angesehen. Stattdessen erwarten immer mehr Auguren, dass die Weltwirtschaft vor einem Aufschwung steht. Damit hätten die Notenbanken das Kunststück vollbracht, das sonst selten gelingt: ein Soft Landing.

Was hat den jüngsten Konjunkturoptimismus befeuert? In Europa haben zuletzt die Stimmungsindikatoren nach oben gedreht. Darin kommt das zuvor erwähnte Aufatmen über die Entspannung in der Energieversorgung zum Ausdruck. Noch mehr dürften aber die robusten US-Zahlen für Januar alle Skepsis vertrieben haben. Mit dem Stellensaldo, dem ISM-Service-Einkaufsmanagerindex und den Einzel-handelsumsätzen haben gleich drei Indikatoren positiv überrascht. Kann es 2023 zu einer Rezession kommen, wenn zu Jahresbeginn noch über 500.000 Stellen in einem Monat geschaffen werden? 

Die Antwort darauf lautet kurz gesagt: Ja. Obwohl es verlockend ist, nützt es nichts, aus den aktuellen Daten auf die weitere wirtschaftliche Entwicklung zu schliessen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Welt selbst wenige Monate vor einer Rezession noch völlig in Ordnung erscheinen kann. Um den künftigen Konjunkturtrend abzuschätzen sind andere Informationen relevant – allen voran die monetären Rahmenbedingungen. Voraussetzung für eine kräftig expandierende Wirtschaft ist eine ausreichende Liquidität, die zu günstigen Konditionen zur Verfügung steht. Das ist aber immer weniger der Fall. Die Notenbanken haben die Leitzinsen in kürzester Zeit so deutlich erhöht wie nie zuvor, weil sie die Konjunktur bewusst einbremsen wollen. Gleichzeitig schrumpft die Geldmenge M1 in den USA erstmals seit dem Jahr 2007. In der Eurozone hat sie zuletzt nahezu stagniert. 

Dass die restriktiven Impulse der Notenbanken Wirkung entfalten, zeigt auch das Verhalten der Geschäfts-banken. Laut den jüngsten Umfragen haben die Finanzinstitute mittlerweile die Kreditvergabestandards (z.B. die Anforderungen an die zu hinterlegenden Sicherheiten) so stark gestrafft wie sonst nur während Rezessionszeiten. 

Liquidität ist also zunehmend ein knappes und teures Gut. Daneben haben die Unternehmen aber noch mit anderem Gegenwind zu kämpfen – den gestiegenen Kosten. Obwohl der europäische Gaspreis mittlerweile deutlich tiefer liegt als zu Beginn des Ukraine-Kriegs, ist er immer noch mehr als doppelt so hoch wie im Jahr 2020. Darüber hinaus ziehen die Lohnkosten kräftig an. 

Man kann es somit drehen und wenden, wie man will: Das konjunkturelle Umfeld hat sich in den vergangenen Monaten auf breiter Front verschlechtert. Das wahrscheinlichste Szenario im Jahr 2023 ist mithin nach wie vor ein Hard Landing und kein Soft Landing. Mit Blick auf die Finanzmärkte bedeutet dies, dass der Risikoappetit im Lauf des Jahres abnehmen wird. Der Anleger sollte somit Risikoassets sukzessive untergewichten und stattdessen die sicheren Häfen bevorzugen.

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