Kommentar
19. September 2022

Italien wählt – Es stehen unruhige Zeiten bevor

Am 25. September wird in Italien gewählt. Glaubt man den Umfragen, wird das rechte Lager einen sicheren Sieg einfahren. Erste Ministerpräsidentin in der Geschichte des Landes könnte Giorgia Meloni werden. Ihre Partei, die Brüder Italiens, dürfte mit rund 25% der Stimmen stärkste Kraft werden. Zusammen mit der Lega von Matteo Salvini und Silvio Berlusconis Forza Italia wird sie sich auf eine komfortable Mehrheit stützen können.

Wir gehen davon aus, dass die unmittelbaren Marktreaktionen erheblich unspektakulärer ausfallen als vor vier Jahren. Damals schossen die Risikoprämien italienischer Staatsanleihen mit 10-jähriger Laufzeit binnen weniger Monate von 120 Bp um etwa 180 Bp nach oben. Die Märkte reagierten damit auf Aussagen der späteren Wahlsieger Fünf-Sterne-Bewegung und Lega von vor der Wahl, die Rückzahlung der Staatsschulden könnte zur Disposition stehen und ein Austritt aus der Eurozone sei eine Option.

Im Vorfeld der jetzigen Wahl waren solche Äusserungen nicht zu vernehmen. Insbesondere Meloni war tunlichst darauf bedacht, jegliche Provokation zu unterlassen. Obwohl sie selbst noch vor wenigen Jahren einen Austritt Italiens aus dem Euro befürwortete. Auch gegenüber der EU gab sie sich auffällig zurückhaltend, nachdem sie bis dato Brüssel für sämtliche Probleme Italiens verantwortlich gemacht hatte.

Wir sehen für Melonis Sinneswandel im Wesentlichen zwei Gründe. Erstens ist der Euro bei der italienischen Bevölkerung mittlerweile sehr beliebt. Zweitens will sie die rund 200 Mrd. EUR nicht riskieren, die Italien aus dem EU-Wideraufbaufonds erhalten soll.

Wir gehen allerdings nicht davon aus, dass es im Fall einer Regierungsmehrheit für das rechte Lager so harmonisch weitergehen wird. Selbst wenn sich die potenzielle Regierung unter Melonis Führung als stabil herausstellt, was angesichts der durchschnittlichen Lebensdauer bisheriger italienischer Regierungen von knapp zwei Jahren alles andere als sicher ist, dürfte es bald zu Konflikten mit der EU kommen.

So hat Meloni bereits angekündigt, die von der Vorgängerregierung zugesagten Ausgaben für Klimaschutz­massnahmen aus den Mitteln des Wiederaufbaufonds nachverhandeln zu wollen. Darüber hinaus rechnen wir mit einer Politik des »Italien zuerst«. Das heisst, die Kompromissbereitschaft gegenüber der EU dürfte schwinden, die Forderungen in Sachen finanzielle Mittel sollten dagegen grösser werden. Das mag paradox erscheinen, ist doch Italien angesichts seines enormen Staatsschuldenbergs und der steigenden Renditen mehr denn je auf die Unterstützung der übrigen EU-Länder sowie der EZB angewiesen. Gleichzeitig wissen Meloni und ihre Mitstreiter aber auch, dass das Entziehen der Unterstützung und ein möglicher Schuldenkollaps die gesamte Eurozone mit in den Abgrund reissen würde. Es ist davon auszugehen, dass die neue Regierung diesen Umstand maximal ausreizen wird.

Im Zuge etwaiger Konflikte mit der EU dürften auch die Spreads italienischer Staatsanleihen in Mit­leidenschaft gezogen werden. Wir halten es daher für ratsam, diese maximal neutral- bzw. sogar leicht unterzugewichten. Gegen ein starkes Untergewicht spricht in unseren Augen jedoch das Verhalten der EZB. Diese dürfte im Zweifel, wenn auch zähneknirschend, alles daransetzen, eine zu starke Spreadausweitung zu unterdrücken, um eine Abwärtsspirale mit potenziell verheerenden Folgen zu verhindern.

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