Analyse
8. Juni 2021

Italien: Schuldenkollaps nicht vorgezeichnet

Die Staatsschuldenquote Italiens ist in Folge der Coronavirus-Pandemie explodiert und wird dieses Jahr voraussichtlich 160% des BIP erreichen. Sorgen bereitet das bisher aber weder den Ratingagenturen noch den Investoren an den Finanzmärkten. Das liegt zum einen an den massiven Anleihenkäufen der EZB, die so die Renditen italienischer Staatsanleihen niedrig hält, und zum anderen am EU-Wiederaufbaufonds, aus dem Italien in den kommenden Jahren gut 200 Mrd. EUR erhalten wird. Angesichts einer dauerhaft geringen Zinsbelastung sowie günstiger Wachstumsaussichten sollte es Italien möglich sein, seinen Schuldenberg in den nächsten Jahren erkennbar zu verringern – zumindest stehen die Chancen hierfür so gut wie selten zuvor. Die Risikoaufschläge italienischer Staatspapiere haben unseres Erachtens daher noch Einengungspotenzial.

Die Pandemie türmt Italiens Schuldenberg auf

Italien ist mit einem BIP-Rückgang von 8,9% im zurückliegenden Jahr nach Spanien und Portugal das EU-Land, das am härtesten von der Pandemie getroffen wurde. Im 1. Quartal 2021 lag die Wirtschaftsleistung noch knapp 7% unter dem Vorkrisenniveau. Ähnlich wie in den übrigen EU-Ländern hat sich die Regierung in Rom mit Ausgabenprogrammen im Bereich von zig Milliarden Euro gegen die Rezession gestemmt, um noch Schlimmeres zu verhindern. In der Folge erreichte das Haushaltsdefizit im Jahr 2020 den Rekordwert von 156,9 Mrd. EUR bzw. 9,5% gemessen am BIP. Zum Vergleich: Während der Weltfinanzkrise im Jahr 2009 betrug das Defizit 80,8 Mrd. EUR bzw. 5,1% des BIP (vgl. Abbildung 1).

Abb. 1: Defizit und Schulden explodieren

Quellen: Ameco, Bantleon
* ab 2021 Prognose EU-Kommission

Im laufenden Jahr wird das Loch im Staatshaushalt höchstwahrscheinlich noch grösser ausfallen: Die EU-Kommission rechnet in der kürzlich veröffentlichten Frühjahrsprognose mit einem Fehlbetrag von knapp 203 Mrd. EUR bzw. 11,7% des BIP. Infolge des Abrutschens des Haushaltssaldos in den tiefroten Bereich türmen sich die italienischen Staatsschulden so hoch wie nie zuvor: Die Verbindlichkeiten sind von 134,6% des BIP im Jahr 2019 auf 155,8% im zurückliegenden Jahr in die Höhe geschnellt und dürften in diesem Jahr auf rund 160% zulegen (vgl. Abbildung 1).

Angesichts dieser Grössenordnungen stellt sich unweigerlich die Frage, ob ein solcher Schuldenberg auf Dauer tragbar ist. Zur Erinnerung: In Griechenland wurde diese Frage 2012 bei einer Staatsschuldenquote von 175% von EU, EZB und IWF mit einem Nein beantwortet und eine Restrukturierung der Schulden inklusive Schuldenschnitt eingeleitet. Viel genutzt hat es indes nicht: 2020 erreichte diese Kennzahl 205,6%.

Anders als 2011 und 2012 schlägt das Thema Schuldentragfähigkeit derzeit aber keine allzu grossen Wellen – weder im Fall Griechenlands noch im Fall Italiens. Sowohl EU und EZB als auch der IWF geben sich betont gelassen. Sogar die Ratingagenturen halten sich zurück. Stuften S&P, Moody’s und Fitch die italienische Kreditwürdigkeit zwischen 2011 und 2014 noch um jeweils vier bis sechs Stufen herab, hat seit Beginn der Pandemie lediglich Fitch das Rating um eine Stufe gesenkt (vgl. Abbildung 2).

Abb. 2: Ratingagenturen halten sich zurück

Quellen: S&P, Moody’s, Fitch, Bantleon

Auch an den Finanzmärkten ist nichts von Nervosität, geschweige denn Panik zu spüren. Die Rendite 10-jähriger italienischer Staatsanleihen ist seit ihrem Allzeittief bei knapp unter 0,5% im Februar dieses Jahres um lediglich gut 40 Bp auf zuletzt 0,9% gestiegen. Der Risikoaufschlag gegenüber 10-jährigen Bundesanleihen hat sich im selben Zeitraum um etwa 20 Bp auf 110 Bp erhöht. Zum Vergleich: Zwischen März und Dezember 2011 war die entsprechende Rendite italienischer Staatsanleihen von 4,8% auf 7,1% emporgeschnellt. Der Spread gegenüber Bundesanleihen hatte sich damals auf 530 Bp fast vervierfacht (vgl. Abbildung 3).

Abb. 3: Finanzmärkte bisher entspannt

Quellen: Macrobond, Bantleon
2021 ist nicht 2012

Für die bisher entspannte Haltung in Sachen Schuldentragfähigkeit gibt es im Wesentlichen zwei Gründe. Zum einen hat die EZB klar signalisiert, dass sie eine Behinderung des monetären Transmissionsmechanismus durch eine Fragmentierung des Eurostaatsanleihenmarktes in Form von sich (stark) ausweitenden Risikoaufschlägen nicht dulden wird. Im Klartext bedeutet das, sie wird so lange und so viele Staatsanleihen betroffener Euroländer kaufen, bis die Gefahr der Fragmentierung aus ihrer Sicht nicht mehr gegeben ist.

Zu diesem Zweck wurde mit dem PEPP eigens ein neues Anleihenkaufprogramm aus der Taufe gehoben, welches der Notenbank zusätzliche Flexibilität bietet. Anders als bei den bisherigen Programmen gibt es keine festgesetzte Obergrenze für die Käufe von Anleihen eines Emittenten (Issuer Limit) und die Käufe müssen sich nicht am Kapitalschlüssel orientieren.

Bereits jetzt hält die EZB schätzungsweise etwa 25% aller ausstehenden italienischen Staatsanleihen. Die Rendite von (Staats-)Anleihen auf diese Weise den Marktkräften zu entziehen und gewissermassen festzulegen, wird als finanzielle Repression bezeichnet.

Zum anderen wurde mit dem Wiederaufbaufonds Next Generation EU (NGEU) der Grundstein für die gemeinsame Schuldenaufnahme aller EU-Länder gelegt. Zwar ist der Fonds offiziell als temporäre Massnahme geplant – alle Schulden sollen bis spätestens 2058 zurückbezahlt sein –, de facto wird er aber zu einer Dauereinrichtung werden. Hieran lässt neben den Regierungen aus Frankreich und Italien auch der deutsche Finanzminister Olaf Scholz keinen Zweifel. Damit ist die Tür hin zu einer zukünftigen Vergemeinschaftung der Schulden der Euroländer ein gutes Stück aufgestossen.

Vor diesem Hintergrund ist die wohlwollende Haltung der Ratingagenturen und der Märkte mit Blick auf die Schuldentragfähigkeit einzelner Euroländer, wie zum Beispiel Italien, nachvollziehbar.

Italiens Haushaltspolitik ist gar nicht so unsolide wie landläufig unterstellt

Aber auch abgesehen von EZB und NGEU, denen bei der Beurteilung der Schuldentragfähigkeit Italiens eine entscheidende Rolle zukommt, gibt es Argumente, die gegen einen Schuldenkollaps sprechen.

Abb. 4: Die vier Schuldentragfähigkeitsfaktoren deuten ab 2022 auf eine rückläufige Schuldenquote

Quellen: Ameco, IWF, Bantleon; ab 2021 Prognose EU-Kommission
* - (Primärsaldo/BIP nominal) + (Zins - (∆BIP real + ∆VPI))

Es sind vier entscheidende Faktoren, von denen abhängt, ob ein Land zukünftig in der Lage sein wird, seine Schulden zu tilgen, oder ob diese ausser Kontrolle geraten: das Zinsniveau (Zins), das Wirtschaftswachstum (∆BIP real), die Inflation (∆VPI) und der Primärsaldo (PS; vgl. Abbildung 4). Auf eine Formel komprimiert lautet die Gleichung folgendermassen:

Der Schuldenstand gemessen am nominalen BIP nimmt in einem Jahr demnach zu, wenn der Primärsaldo negativ ist oder die Summe aus realem BIP-Wachstum und Inflation, sprich das nominale Wachstum, kleiner ist als der Durchschnittszins, der für die ausstehenden Staatsschulden bezahlt werden muss.

Der Primärsaldo entspricht dem Haushaltssaldo abzüglich der auf die ausstehenden Staatsschulden zu leistenden Zinszahlungen. »Fährt« ein Land laufend ein Primärdefizit, wirkt sich dies negativ auf die Schuldentragfähigkeit aus, da der Schuldenberg auch ohne Zinszahlungen immer grösser wird. Man könnte sagen, das Land wirtschaftet schlecht. Gelingt es dagegen, zuverlässig einen Primärüberschuss zu erzielen, ist das ein Beleg für eine solide Haushaltsführung – man lebt nicht über seine Verhältnisse. Das Land wäre in der Lage, seinen Schuldenstand bei einer nicht prohibitiven Zinsbelastung abzutragen.

Der italienische Staatshaushalt hat seit 1992 nur in zwei Jahren (2009 und 2020) ein Primärdefizit ausgewiesen. Zwischen 2010 und 2019 lag der Primärüberschuss trotz zwischenzeitlicher Euroschuldenkrise bei durchschnittlich 1,5% pro Jahr. Die Behauptung, die Regierung in Rom betreibe seit jeher eine unsolide Haushaltspolitik, ist in dieser Pauschalität mithin nicht zutreffend (vgl. Abbildung 5).

Abb. 5: Italienische Haushaltspolitik war in der Vergangenheit nicht unsolide

Quellen: Ameco, IWF, Bantleon
* ab 2021 Prognose EU-Kommission

Massgeblich verantwortlich für den sich immer höher auftürmenden Schuldenberg Italiens waren die zu leistenden Zinszahlungen. Das Land »litt« darunter, dass der durchschnittliche Zinssatz für seine Schulden in den vergangenen 25 Jahren mit Ausnahme des Jahres 2000 durchweg höher lag als der nominale BIP-Zuwachs – und das, obwohl der Durchschnittszins von 10,3% im Jahr 1995 auf zuletzt 2,4% gesunken ist (vgl. Abbildung 6). Ein »Herauswachsen« aus den Schulden war vor diesem Hintergrund nicht möglich. In Deutschland dagegen übertraf das nominale Wachstum den Durchschnittszins seit 2010 quasi durchweg, weshalb die Verschuldung gemessen am nominalen BIP bis 2019 erheblich sank.

Abb. 6: Italien in Euroschuldenkrise durch höhere Zinsen und geringeres Wachstum doppelt bestraft

Quellen: Ameco, Bantleon
* Durchschnittszins für Staatsverschuldung, ab 2021 Prognose EU-Kommission

Als besondere Belastung stellte sich für Italien in Sachen Staatsschulden die Euroschuldenkrise heraus: zum einen wegen der ungünstigen Auswirkungen auf die Zinsentwicklung, zum anderen wegen des seither geringeren Zuwachses des nominalen BIP.

Während Italien zwischen 1999 und 2010 durchschnittlich nur 0,2%-Punkte mehr Zinsen für seine Schulden bezahlen musste als Deutschland, vergrösserte sich der Abstand zwischen 2011 und 2020 auf 1,3%-Punkte (vgl. Abbildung 6). Ohne diesen Anstieg des Zinsaufschlags wäre die italienische Staatsschuldenquote von 2013 bis 2019 ceteris paribus erkennbar gesunken, statt bei etwa 135% zu stagnieren.

Die Abnahme des nominalen BIP-Wachstums war sowohl die Folge eines Rückgangs der realen Wachstumsraten als auch des spürbar nachlassenden Teuerungsdrucks. Verantwortlich für den geringeren Zuwachs der Wirtschaftsleistung war neben dem niedrigen Produktivitätswachstum auch der Rückgang der Staatsausgaben. Letztere wurden im Zusammenhang mit der Euroschuldenkrise bis 2015 real um knapp 7% gesenkt; bis 2019 hatten sie dann auf dem tieferen Niveau stagniert. Zum Vergleich: In Deutschland wurden die Staatsausgaben zwischen 2010 und 2019 real um gut 19% erhöht. Während das reale BIP hierzulande zwischen 2010 und 2019 auch dank dieses fiskalischen Rückenwinds um durchschnittlich 2,0% zunahm, waren es in Italien im selben Zeitraum gerade einmal knapp 0,3%.

Die geringe gesamtwirtschaftliche Nachfrage in Italien schlug sich auch in einem deutlichen Rückgang der Verbraucherpreisinflation nieder. Während diese zwischen 2000 und 2012 bei durchschnittlich 2,3% pro Jahr gelegen hatte, waren es zwischen 2013 und 2019 nur noch 0,6%.

Für Italien gibt es plausible Wege, den Schuldenberg abzutragen

Nichtsdestotrotz sehen wir in den nächsten Jahren gute Chancen für eine merkliche Aufhellung sowohl des realwirtschaftlichen Umfelds als auch der Inflationsperspektiven. Staatliche Austeritätsprogramme à la Euroschuldenkrise dürften dauerhaft der Vergangenheit angehören. Selbst nach Überwindung der Pandemie ist es unwahrscheinlich, dass die Euroländer zu einer irgendwie gearteten Sparpolitik zurückkehren. Die expansive Fiskalpolitik ist gekommen, um zu bleiben. Der EU-Wiederaufbaufonds NGEU ist das sichtbarste Zeichen dieses Sinneswandels. Die italienische Wirtschaft wird also nicht mehr unter einer restriktiven Haushaltspolitik leiden – im Gegenteil: Sie wird bis 2027 von Mitteln aus dem NGEU-Fonds in Höhe von rund 200 Mrd. EUR profitieren, was 11,1% des nominalen BIP des Jahres 2019 entspricht.

Vor diesem Hintergrund sehen wir langfristig eine jährliche Zunahme der Wirtschaftsleistung um 1,0% als ein wahrscheinliches Szenario an, wobei dieser Wert als Durchschnitt über den Konjunkturzyklus hinweg zu verstehen ist. Die Teuerungsrate dürfte sich in einem solchen Umfeld zwischen den Werten von vor und nach der Euroschuldenkrise einpendeln. Wir setzen sie daher mit 1,5% an. Der nominale BIP-Zuwachs würde sich im kommenden Jahrzehnt folglich auf durchschnittlich 2,5% belaufen.

Langfristig halten wir es für wahrscheinlich, dass der durchschnittliche Zinssatz für italienische Staatspapiere dieses Niveau angesichts der zu erwartenden Politik der EZB nicht übersteigt. In den nächsten Jahren dürfte er vom aktuellen Niveau bei 2,4% sogar noch auf weniger als 2,0% nachgeben. Dabei ist bereits eine Normalisierung des Leitzinsniveaus durch die EZB ab 2023 unterstellt, in deren Folge die Notenbank den Hauptrefinanzierungssatz vorsichtig auf 1,5% bis 2,0% anheben dürfte.

In diesem Fall hinge die Entwicklung der Schuldenquote ausschliesslich von den künftigen Primärsalden ab. Nachdem die Regierung in Rom bereits zwischen 2010 und 2019 bewiesen hatte, dass es trotz einer wirtschaftlich äusserst ungünstigen Entwicklung möglich war, einen durchschnittlichen Primärüberschuss von 1,5% des BIP zu erzielen, halten wir es für sehr plausibel, dass dies auch zukünftig gelingen wird. In unserem Basisszenario sinkt die Schuldenquote folglich ab 2023 jährlich um durchschnittlich 1,5%-Punkte und würde im Jahr 2050 einen Wert von 120% erreichen (vgl. Abbildung 7).

Abb. 7: Ein Schuldenkollaps in den nächsten Jahren erscheint unwahrscheinlich

Quellen: Ameco, Bantleon

Selbst in einem ungünstigen Szenario, in dem das durchschnittliche reale BIP-Wachstum nur bei 0,6% läge, die Inflationsrate bei 1,0% und der Primärüberschuss bei 0,5%, würde der Schuldenberg gemessen am nominalen BIP bis 2050 zumindest nicht weiter zunehmen (vgl. Abbildung 7). In einem solchen Umfeld dürfte nämlich auch die Politik der EZB langfristig deutlich expansiver bleiben als in unserem Basisszenario unterstellt. Der Durchschnittszins für die italienische Staatsschuld läge dauerhaft wohl bei maximal 2%.

In einem günstigen Umfeld mit höherem Wirtschaftswachstum (1,3%), höherer Inflation (1,8%) und einem grösseren Primärüberschuss (2,5%) könnte der Schuldenstand bis 2050 sogar auf unter 90% des nominalen BIP reduziert werden, selbst wenn die Zinsbelastung infolge einer weniger expansiven Geldpolitik auf 3,0% stiege.

Worst-Case-Szenarien, in denen eine dauerhaft anämische Zunahme des nominalen BIP gepaart mit notorischen Primärdefiziten von spürbar steigenden Zinsen begleitet wird, sind theoretisch zwar ebenso vorstellbar wie Best-Case-Szenarien, in denen hohes nominales Wachstum und grosse Primärüberschüsse von äusserst niedrigen Zinsen flankiert werden. Wir halten jedoch beide Szenarien für unwahrscheinlich, da sich die grundlegenden Annahmen fundamental widersprechen: Eine notorisch laxe Haushaltspolitik passt nicht zu Magerwachstum und Mini-Inflation, die sich ihrerseits nicht mit steigenden Zinsen vertragen; das gilt auch im umgekehrten Fall hoher nominaler BIP-Zuwachsraten, die nur schwer mit einer ultraexpansiven Geldpolitik in Einklang zu bringen sind.

Fazit

Die italienische Staatsverschuldung wird im laufenden Jahr mit rund 160% des BIP ein Niveau erreichen, das man unter gewöhnlichen Umständen als besorgniserregend bezeichnen müsste. Von Sorgen hinsichtlich der langfristigen Schuldentragfähigkeit ist bislang aber weder an den Finanzmärkten noch bei den Ratingagenturen sowie bei EZB und EU-Kommission etwas zu bemerken. Für diese »Sorglosigkeit« gibt es nachvollziehbare Gründe.

Die Voraussetzungen für eine nachhaltige und merkliche Rückführung der Schuldenquote sind so gut wie seit Jahrzehnten nicht. Die italienische Regierung wird über Jahre hinweg einerseits von einem günstigen wirtschaftlichen Umfeld profitieren sowie andererseits von einer geringen Zinsbelastung. Italien hat es damit selbst in der Hand, seine Staatsfinanzen wieder in Ordnung zu bringen. Unseren Berechnungen zufolge dürfte der Schuldenberg gemessen am BIP selbst unter ungünstigen Umständen nicht weiterwachsen.

Zudem kann sich Italien auf reichlich Rückendeckung verlassen. So wirken zwei bedeutende Faktoren einem Schuldenkollaps entgegen: die Politik der finanziellen Repression der EZB, die offenkundig gewillt ist, die Zinsbelastung auch für Italien auf Dauer gering zu halten und der EU-Wiederaufbaufonds NGEU, den man als Vorboten einer zukünftig gemeinsamen Schuldenaufnahme der EU- bzw. Euroländer ansehen kann.

Die grösste Gefahr mit Blick auf die Gesundung der italienischen Staatsfinanzen sehen wir in einer Rückkehr der Populisten an die Macht. Sie könnten die Politik der positiven Primärsalden langfristig infrage stellen. Derzeit steht mit Mario Draghi aber ein Garant für seriöse Politik an der Spitze der Regierung. Darüber hinaus wurde den populistischen Parteien durch die gelebte Solidarität der übrigen Mitgliedsländer (Stichwort NGEU) sowie durch das massive Eingreifen der EZB am Staatsanleihenmarkt zugunsten Italiens viel Wind aus den Segeln genommen, da einige ihrer Kernforderungen somit bereits umgesetzt wurden. Vor diesem Hintergrund sind wir zuversichtlich, dass die Versuchung künftiger italienischer Regierungen, die ohnehin grossen haushaltspolitischen Spielräume zu überreizen, begrenzt ist.

Bekennt sich die nächste italienische Regierung nach der – planmässig – für Frühling 2023 angesetzten Parlamentswahl zu einer soliden Haushaltsführung und kristallisiert sich in den nächsten Jahren unser Basisszenario heraus, sehen wir Spielraum für eine weitere Reduzierung der Risikoaufschläge. Der seit Ende 2018 vorherrschende übergeordnete Spreadeinengungstrend sollte sich mithin fortsetzen (vgl. Abbildung 8).

Abb. 8: Etwas Luft für engere Spreads ist noch da

Quellen: Macrobond, Bantleon

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