Kommentar
8. August 2022

Hoffnung der Fed auf Soft Landing ist Zweckoptimismus

Die US-Notenbank hält ungeachtet des sich spürbar eintrübenden Konjunkturausblicks immer noch ein Soft Landing für möglich. Fed-Präsident Jerome Powell hat erst Ende Juli betont, seiner Einschätzung nach sei es nicht nötig, die US-Wirtschaft in eine Rezession zu treiben, um die Inflation unter Kontrolle zu bringen. Er begründete seine Sicht vor allem mit der guten Verfassung des Arbeitsmarktes, der eine gewisse Abkühlung verkraften könne. Die Beschäftigungszahlen vom vergangenen Freitag, die einen über 50-jährigen Tiefststand bei der Arbeitslosenquote ausweisen, scheinen das auf den ersten Blick zu bestätigen.

Genaugenommen ist die Robustheit des Arbeitsmarktes aber das zentrale Problem bei der Inflationsbekämpfung. So lassen die neusten Daten des Statistikamtes einen weiteren Rückgang der Arbeitssuchenden erkennen. Verglichen mit der Zahl an offenen Stellen – die zuletzt zwar auch gesunken ist – zeigt sich darin, wie heiss der Arbeitsmarkt gelaufen ist: Rund 11 Mio. zu besetzenden Jobs stehen nur knapp 6 Mio. Arbeitssuchende gegenüber. Rechnerisch entfallen auf jeden einzelnen Arbeitslosen damit knapp zwei Jobangebote, was eine historisch beispiellose Situation ist.

Diese Diskrepanz ist zum einen auf die Verwerfungen zurückzuführen, die von der Corona-Krise am Arbeitsmarkt ausgelöst wurden. Zum anderen ist der Mangel an Arbeitskräften aber auch eine Folge des demografischen Wandels. Schon vor der Corona-Krise war das Arbeitskräfteangebot aufgrund der veränderten Altersstruktur der US-Bevölkerung immer langsamer gewachsen. Konkurrierten im Schnitt der Jahre 2000 bis 2017 rechnerisch jeweils zwei Arbeitslose um eine offene Stelle, entfielen in den zwei Jahren vor der Pandemie bereits 1,1 Stellen auf jeden Arbeitssuchenden.

Aus Sicht der Arbeitnehmer ist das kurzfristig eine erfreuliche Entwicklung. Langfristig sorgt dieses Ungleichgewicht aber gesamtwirtschaftlich für grosse Probleme, weil die Löhne immer schneller zulegen und damit die Inflation angeheizt wird. Nahezu alle Lohnstatistiken weisen inzwischen jahrzehntelange Höchststände aus – Tendenz steigend. Jüngste Belege dafür lieferte der von der Notenbank vielbeachtete Arbeitskostenindex. Das Statistik­amt meldete hier mit einer Jahresrate von 5,1% jüngst einen neuen Rekord in dieser 25 Jahre zurückreichenden Datenreihe.

Die Beschleunigung beim Lohnwachstum ist denn auch der Grund, weswegen die Fed den Arbeitsmarkt durch kräftige geldpolitische Straffungen abkühlen bzw. die Zahl der offenen Stellen merklich senken will. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt indes, dass so markante Rückgänge der Jobangebote, wie sie derzeit erforderlich sind, ausnahmslos während Rezessionen zu beobachten waren.

Alles in allem sprechen diese Überlegungen dafür, dass die Fokussierung der Fed auf ein Soft Landing in die Irre führt. Wenn die Währungshüter die Auffassung vertreten, die Inflation könne auch ohne eine Rezession weit genug eingebremst werden, dürfte das reiner Zweckoptimismus sein. Nimmt man die Entwicklung der zurückliegenden Jahrzehnte zur Orientierung, ist in unseren Augen eine Serie ausgewachsener BIP-Rückgänge nötig, um den heiss gelaufenen Arbeitsmarkt so weit abzukühlen, dass der Inflationsdruck nachlässt. Die US-Notenbank dürfte zwar noch geraume Zeit eine andere Auffassung vertreten – auch, um nicht für zusätzliche Unsicherheit zu sorgen. Letztlich sollte aber auch sie nicht umhinkommen, wie die Bank of England den Tatsachen ins Auge zu blicken und eine Rezession prognostizieren.

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