Kommentar
6. März 2023

Höhere Kerninflation setzt EZB unter Druck

Die EZB prognostizierte im vergangenen Dezember für den Jahresdurchschnitt 2023 eine Kerninflationsrate – ohne Energie, Nahrungs- und Genussmittel – von 4,2%. Dieser Prognose lag die Annahme zugrunde, der unterliegende Preisauftrieb würde sein zyklisches Hoch um den Jahreswechsel erreichen. Im Verlauf von 2023 sollte sich die Kerninflation dann zurückbilden.

Mit dem Anstieg auf 5,6% im Februar steht jedoch fest, dass die EZB ihre Prognose auf der anstehenden EZB-Ratssitzung am 16. März spürbar nach oben revidieren muss.

Zwei Gründe sind für die veränderte Einschätzung verantwortlich: Ein stärkerer unterliegender Preisdruck und die Anpassung der Warenkorbgewichte. Insbesondere bei Dienstleistungen aus dem Bereich Tourismus haben viele Anbieter den Jahresbeginn genutzt, um ihre Preise nochmals kräftig nach oben zu setzen. Ähnliches war bei einigen Industriegütern wie Einrichtungsgegenständen und Bekleidung zu beobachten. 

Daneben führt die teils erhebliche Anpassung bei den Warenkorbgewichten dazu, dass die Vorjahres-veränderung des Kernindex bis zur Jahresmitte höher liegt als bei Beibehaltung der Gewichte aus dem vergangenen Jahr. Massgeblich verantwortlich ist das deutlich grössere Gewicht für Pauschalreisen, deren Preise unterjährig enormen Schwankungen unterworfen sind.

Diese Entwicklungen haben auch uns dazu veranlasst, unsere Prognose für die Kernteuerungsrate im laufenden Jahr von 4,5% auf 4,9% anzuheben. Wir gehen jedoch unverändert davon aus, dass der unterliegende Preisauftrieb im 2. Halbjahr merklich nachlässt. Hintergrund sind beachtliche Basiseffekte, die sich im Jahresverlauf bemerkbar machen werden. 

Einerseits sollten sich die durch die Aufhebung der Corona-Restriktionen im vergangenen Jahr ausgelösten kräftigen Preisanhebungen in Teilen des Dienstleistungssektors nicht wiederholen. Andererseits hat der Druck für Preisanhebungen bei Industriegütern angesichts der zuletzt markant gesunkenen Beschaffungs-kosten spürbar nachgelassen. Diese Einschätzung wird durch die rückläufigen Absatzpreiserwartungen der unter anderem von der EU-Kommission und dem ifo-Institut befragten Unternehmen untermauert.

Vor diesem Hintergrund sollte die Kerninflationsrate bis Ende 2023 auf etwa 3,5% nachgeben. 2024 ist ein weiterer Rückgang in Richtung des EZB-Inflationsziels zu erwarten.

Nichtsdestotrotz haben sich einige EZB-Vertreter zuletzt besorgt mit Blick auf die hohe Kerninflation geäussert. Dies und die durch die Einkaufsmanagerindikatoren signalisierten kurzfristig günstigeren Konjunkturperspektiven haben uns veranlasst, unsere Leitzinsprognose anzupassen. Wir rechnen nach März (+50 Bp) nun auch mit Zinsanhebungen im Mai und Juni (jeweils 25 Bp). Die Terminalrate sehen wir beim Einlagensatz mithin bei 3,5% (mit Risiko 3,75%), beim Hauptrefinanzierungssatz bei 4,0% (mit Risiko 4,25%).

Dessen ungeachtet gehen wir ab Mitte des Jahres unverändert von einem geldpolitischen Kurswechsel aus. Angesichts der sich eintrübenden Konjunkturperspektiven und des nachlassenden Preisdrucks dürfte die EZB im 2. Halbjahr 2023 nicht nur von weiteren Leitzinsanhebungen absehen, sondern sogar geldpolitische Lockerungen ins Auge fassen. 

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