Analyse
3. Februar 2023

EZB-Zinsgipfel rückt in Sichtweite

Bei der EZB geht es weiterhin zwei Schritte vor und einen zurück. Nachdem EZB-Präsidentin Christine Lagarde nach der Zinsentscheidung am 15. Dezember noch äusserst falkenhafte Töne angeschlagen und Zinsanhebungen weit über 3,0% in Aussicht gestellt hatte, trat sie nach der jüngsten Sitzung am 2. Februar nun weniger forsch auf. Auf den jetzigen 50-Bp-Zinsschritt soll im März zwar ein weiterer folgen, endgültig festlegen wollte sich Lagarde dann aber doch nicht. Ihre Ausführungen legen darüber hinaus nahe, dass der EZB-Rat nach März nicht weiter an der Zinsschraube dreht. Für den erneuten Sinneswandel sind zum einen offenbar günstigere Inflationsaussichten verantwortlich. Zum anderen erklärte die EZB-Präsidentin mehrfach, es liessen sich bereits erste konjunkturelle Bremseffekte infolge der bisherigen geldpolitischen Straffung erkennen. Wir sehen uns mithin in unserer Einschätzung bestätigt, dass das zyklische Leitzinshoch in der Eurozone im März erreicht wird. Liegen wir mit unserer Einschätzung zur Konjunktur- und Inflationsentwicklung in der Eurozone sowie der Annahme sinkender Leitzinsen in den USA richtig, sind in der zweiten Jahreshälfte sogar Zinssenkungen wahrscheinlich.

Die wichtigsten Ergebnisse

Die Leitzinssätze wurden auf der Sitzung am 2. Februar um 50 Bp auf 2,50% (Einlagensatz) bzw. 3,00% (Hauptrefinanzierungssatz) angehoben. Für März wird eine weitere Zinsanhebung um 50 Bp in Aussicht gestellt.

Unsere Einschätzung

Die EZB setzt ihren geldpolitischen Zickzackkurs fort. Noch im Dezember wurde EZB-Präsidentin Christine Lagarde nicht müde zu betonen, die Leitzinserwartungen am Markt seien deutlich zu niedrig und die Zinsen würden merklich stärker steigen als auf die damals eingepreisten gut 3,0%. Nun ist nur noch die Rede davon, im März noch einen Zinsschritt um 50 Bp vorzunehmen und den weiteren Zinspfad dann neu zu evaluieren. Damit verabschiedet man sich von der Vorfestlegung der vergangenen Monate und eröffnet sich die Möglichkeit, die Zinsen nach März nicht weiter anzuheben. Während der Pressekonferenz entschärfte Lagarde das an sich falkenhafte Signal der für den nächsten Monat angekündigten Zinsanhebung sogar noch, indem sie sagte, der EZB-Rat beabsichtige, die Zinsen um 50 Bp anzuheben. Dies sei aber keine Vorfestlegung.

Mit der jüngsten Anhebung wurden die Leitzinsen innerhalb nur eines halben Jahres um 300 Bp nach oben geführt. Innerhalb so kurzer Zeit ist das der stärkste Zinsanstieg seit 1999 bzw. unter Einbeziehung der Bundesbank sogar der vergangenen 40 Jahre. Eine derartige Verschärfung der Finanzierungskonditionen wird nicht ohne Auswirkungen auf die Konjunktur bleiben. In der Bauwirtschaft sind bereits deutliche Spuren in Form stark rückläufiger Auftragseingänge sichtbar. Da geldpolitische Massnahmen ihre Wirkung zur Gänze jedoch mit einer Verzögerung von einigen Quartalen entfalten, werden die bisher erfolgten Zinserhöhungen erst im Lauf dieses Jahres voll durchschlagen. Das scheint inzwischen auch die EZB zu erkennen. Lagarde erklärte mehrfach, die ungünstigeren Finanzierungsbedingungen strahlten bereits auf die wirtschaftliche Entwicklung aus.

Vor diesem Hintergrund spricht unseres Erachtens viel dafür, in Sachen geldpolitische Straffung allmählich den Fuss vom Gas zu nehmen. Zumal das Ziel der EZB, die Nachfrage zu dämpfen, bereits erreicht ist. Die realen privaten Konsumausgaben sind im Schlussquartal 2022 vor dem Hintergrund eines stark rückläufigen realen verfügbaren Einkommens aller Wahrscheinlichkeit nach stärker geschrumpft als je zuvor seit Datenverfügbarkeit im Jahr 1995 – sieht man vom temporären coronabedingten Einbruch einmal ab. Es deutet sich an, dass die Verbraucher den Gürtel im laufenden Vierteljahr nochmals enger schnallen. Von einer zu starken (Konsum-)Nachfrage kann mithin keine Rede sein.

Davon abgesehen wird die Inflation in den kommenden Monaten stärker zurückgehen als bis dato von den Währungshütern unterstellt. Wir sehen bis zum Jahresende sogar das Inflationsziel von 2,0% in Reichweite. Setzt die EZB ihren Zinsanhebungskurs dagegen zu lange und zu weit fort, läuft sie Gefahr, zu überstraffen. Die Folge wäre eine konjunkturelle Abwärtsspirale, die zu einem erneuten Unterschreiten des Inflationsziels führen könnte.

Fazit

Vor diesem Hintergrund halten wir an unserer Einschätzung fest, dass der Leitzins auf der kommenden Sitzung Mitte März noch einmal um 50 Bp angehoben wird und der EZB-Rat danach erst einmal eine Wait-and-see-Position einnimmt. Der Einlagensatz würde sein zyklisches Hoch mithin bei 3,0% erreichen, der Hauptrefinanzierungssatz bei 3,5%. Liegen wir mit unserer Einschätzung zur Konjunktur- und Inflationsentwicklung in der Eurozone sowie der Annahme sinkender Leitzinsen in den USA richtig, sind in der zweiten Jahreshälfte sogar Zinssenkungen wahrscheinlich.

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