Kommentar
8. März 2021
EZB sollte sich ein Beispiel an der Fed nehmen

In den vergangenen Wochen haben die Renditen an den Anleihenmärkten weltweit mehr oder weniger synchron angezogen. Die Notenbanken der einzelnen Währungsräume gehen damit jedoch sehr unterschiedlich um. Während sich zum Beispiel bei der Europäischen Zentralbank zuletzt immer mehr Vertreter kritisch zum jüngsten Zinsanstieg geäussert haben, dominiert bei den US-Geldpolitikern Gelassenheit. Fed-Präsident Jerome Powell machte unter anderem bei seinem jüngsten ausführlichen Interview deutlich, dass ihn das mittlerweile erreichte Zinsniveau keinesfalls beunruhigt.

Zum Teil erklärt sich dieses ungleiche Auftreten mit Unterschieden im wirtschaftlichen Umfeld. In den USA kommen die Impfungen gegen das Coronavirus zügig voran – 17% der Bevölkerung haben bereits mindestens eine Dosis erhalten. Darüber hinaus steht ein neues umfangreiches Fiskalpaket kurz vor der Verabschiedung. Das sind gute Gründe, um mit einer bald dynamisch anziehenden Konjunktur zu rechnen, was einen Renditeanstieg lehrbuchmässig rechtfertigt.

In der Eurozone hingegen sind die Impfungen nur sehr träge angelaufen und die Lockdowns werden allenfalls langsam gelockert. Ungeachtet dessen ist der Konjunkturausblick auch in der Währungsunion so erfreulich wie lange nicht mehr. Das Tempo bei den Impfungen dürfte in den kommenden Wochen deutlich anziehen, was zusammen mit günstigeren Witterungsbedingungen und umfangreichen Testungen die Voraussetzung für weitreichende Lockerungen schafft. Dann sollte sich – wie in den USA – ein grosser Spar- und Nachfrageüberhang entladen, der die Wirtschaft kräftig anschiebt. Die wirtschaftliche Belebung dürfte mithin ähnlich dynamisch ausfallen wie in den USA.

Die EZB wäre daher gut beraten, sich nicht über steigende Zinsen zu beklagen. Denn von Marktkräften getriebene Zinsen stellen einen wichtigen Baustein einer auf Transparenz und Berechenbarkeit ausgerichteten Gelpolitik dar. Die Fed liefert ein gutes Beispiel, wie dieser Ansatz funktioniert. Mit ihrer Forward Guidance hat sie definiert, unter welchen makroökonomischen Bedingungen sie die Geldpolitik straffen wird. Wenn nun vieles darauf hindeutet, dass diese Voraussetzungen tatsächlich in absehbarer Zeit erfüllt werden, muss die US-Notenbank – nicht zuletzt ihrer Glaubwürdigkeit wegen – anziehende Leitzinserwartungen und mithin steigende Renditen akzeptieren. 

Es steht aber nicht nur die Glaubwürdigkeit auf dem Spiel. Der Renditeanstieg stellt auch ein bedeutendes Regulativ dar. Er sorgt dafür, dass die Finanzierungskonditionen im Laufe einer wirtschaftlichen Erholung langsam straffer werden. Das trägt dazu bei, realwirtschaftliche Überhitzungen zu vermieden. Ausserdem wird dadurch die Gefahr von Blasenbildungen an den Finanzmärkten gedämpft. 

Würden die Währungshüter diesen Mechanismus unterdrücken, würde also ein wichtiger automatischer Konjunkturstabilisator seine Funktion verlieren. Kurzfristig mag das zu verschmerzen sein. Wenn die Wirtschaft kräftig anzieht und der Teuerungsdruck wächst, werden die Renditen aber früher oder später zulegen müssen. Je länger diese Bewegung hinausgezögert wird, umso kräftiger wird sie dann schliesslich ausfallen. Sprunghafte Verschlechterungen der Finanzierungskonditionen bergen jedoch grosse Gefahren für die Finanzmärkte und die Realwirtschaft. Der vermeintliche kurzfristige Nutzen niedrigerer Renditen würde damit durch langfristig hohe Risiken erkauft. Dieses Zusammenhangs sind sich letztendlich auch die EZB-Vertreter bewusst. Je klarer die Aussicht auf einen bald beginnenden Konjunkturboom werden, umso mehr dürften sie daher auf mittlere Sicht ihre Verbalinterventionen zumindest gegenüber moderat steigenden Zinsen zurückfahren. Wir rechnen entsprechend auch nicht mit einer weiteren Aufstockung des PEPP. 

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