Analyse
9. September 2022

EZB legt mit Jumbo-Zinsschritt nach

Die EZB zeigt sich entschlossen, die Leitzinsen nach ihrem bis Ende 2021 zu zögerlichen Agieren nun rasch nach oben zu führen. Nach der jüngsten kräftigen Zinsanhebung um 75 Bp sind weitere Zinsschritte im Oktober und Dezember sehr wahrscheinlich. Der Lackmustest steht aber Anfang 2023 an. Wir gehen davon aus, dass sich die Eurozone dann in einer Rezession befindet und sich zudem die Anzeichen mehren, dass die Inflationsrate auf einen Abwärtstrend einschwenkt. Wir halten es für fraglich, ob die EZB in einem solchen Umfeld weiter an der Zinsschraube dreht.

Die wichtigsten Ergebnisse

Die Leitzinssätze werden um 75 Bp angehoben. Der Einlagensatz steigt somit auf 0,75%, der Hauptrefinanzierungssatz auf 1,25%. Darüber hinaus werden weitere Zinsschritte in Aussicht gestellt. Das jeweilige Ausmass wird von Sitzung zu Sitzung in Abhängigkeit der Datenlage festgelegt.

Quantitative Tightening, das heisst das Abschmelzen des riesigen Anleihenportfolios der Notenbank, ist derzeit kein Thema.

Unsere Einschätzung

Nachdem die EZB im Juli als eine der letzten Notenbanken ernsthaft in die Inflationsbekämpfung eingestiegen war, legte sie jetzt nach. Die Rekordinflation in Kombination mit den abermals merklich nach oben korrigierten Inflationsprognosen lässt ihr auch keine andere Wahl (vgl. Tabelle 1). Die für 2023 nach unten revidierte BIP-Prognose zeigt zwar, dass sich auch die Notenbank auf einen markanten Konjunkturabschwung im Winterhalbjahr einstellt (vgl. Tabelle 1). Allerdings überwiegen in den Augen der Währungshüter zurzeit ganz klar die Inflationsrisiken vor den Konjunkturrisiken. Wir gehen daher davon aus, dass die Leitzinsen im Oktober um weitere 50 Bp angehoben werden. Auch um einem etwaigen nachhaltigen Anstieg der langfristigen Inflationserwartungen entgegenzuwirken und dem Euro Halt zu geben.

Gegen Jahresende dürfte sich der Konjunkturabschwung, den die Frühindikatoren bereits signalisieren, auch in den harten Konjunkturdaten widerspiegeln. Die Wirtschaftsleistung wird unserer Einschätzung nach ab dem 4. Vierteljahr 2022 über mehrere Quartale hinweg schrumpfen. Wir unterstellen dabei den permanenten Stopp so gut wie aller Gaslieferungen aus Russland. Die Folge ist ein anhaltend hoher Gaspreis. Die EZB unterstellt diese Entwicklung nur in ihrem Negativszenario, nicht jedoch in ihrem Basisszenario. Wir sehen somit weiteres Abwärtspotenzial für die BIP-Prognose der Notenbank für 2023. Die EZB dürfte nach einem Zinsschritt um 25 Bp im Dezember daher eine Zinsanhebungspause einlegen.Per Jahresende hätten die Währungshüter ihr Minimalziel eines aus ihrer Sicht neutralen Zinssatzes von 1,5% (Einlagensatz) erreicht.

Quantitative Tightening, sprich die Reduktion des Anleihenportfolios, ist derzeit kein Thema. Rückflüsse aus Wertpapieren, die im Rahmen des APP gekauft wurden, sollen noch für lange Zeit reinvestiert werden. Beim PEPP sollen diese Reinvestments bis mindestens Ende 2024 erfolgen.

Fazit

Die EZB zeigt sich entschlossen, die Leitzinsen nach ihrem bis Ende 2021 zu zögerlichen Agieren nun rasch nach oben zu führen. Der Lackmustest steht Anfang 2023 an. Wir gehen davon aus, dass sich die Eurozone dann in einer Rezession befindet und sich zudem die Anzeichen mehren, dass die Inflationsrate auf einen Abwärtstrend einschwenkt. Wir halten es für fraglich, ob die EZB in einem solchen Umfeld weiter an der Zinsschraube dreht.

Eine wichtige Rolle kommt dabei der Fiskalpolitik zu. Fallen die geplanten Unterstützungsmassnahmen (Einmalzahlungen, Strom- und Gaspreisbremse, Tankrabatte, Steuersenkungen etc.) zur Bewältigung des Energiepreisschocks zu grosszügig aus, könnte sich unsere Konjunkturprognose als zu pessimistisch herausstellen, die von den Währungshütern erhoffte Nachfragedämpfung könnte ausbleiben.

Tab. 1: EZB-Projektionen vom September 2022

Quelle: EZB, * Jahresdurchschnitt | in Klammern Projektionen vom Juni 2022

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