Analyse
10. Juni 2022

EZB läutet Zinswende ein

Angesichts der völlig aus dem Ruder laufenden Inflation hat nun auch die EZB die Zinswende eingeläutet. Die Leitzinsen werden im Juli um 25 Bp angehoben, im September voraussichtlich um 50 Bp. Danach sollen weitere Zinsschritte folgen, mindestens bis das neutrale Zinsniveau erreicht ist. Wir gehen davon aus, dass dies im 1. Quartal 2023 der Fall sein wird. Darüber hinaus hat EZB-Präsidentin Christine Lagarde mehrfach bekräftigt, dass die EZB eine Fragmentierung innerhalb der Eurozone, sprich einen aus Sicht der Notenbank ungerechtfertigt starken Anstieg der Risikoaufschläge der Peripherieländer, nicht tolerieren wird. Im Zweifel würden bereits bestehende Instrumente wie das OMT eingesetzt oder neue Instrumente geschaffen, um das zu unterbinden.

Die wichtigsten Ergebnisse

Die EZB wird ihre Netto-Anleihenkäufe per 1. Juli beenden. Die Wiederveranlagung von Couponzahlungen und fällig werdender Wertpapiere soll aber bis mindestens Ende 2024 (PEPP) bzw. für einen langen Zeitraum nach Beginn der Leitzinsanhebungen fortgesetzt werden (APP).

Darüber hat die Notenbank eine erste Anhebung der Leitzinssätze um 25 Bp für das nächste Ratstreffen am 21. Juli angekündigt, sowie in der Folge weitere Leitzinsanhebungen. Für September wird ein Zinsschritt um 50 Bp avisiert, sollte die Inflationsprognose für 2024 auch dann noch über 2,0% liegen. Danach ist beabsichtigt, in 25-Bp-Schritten vorzugehen.

Betont wird zudem, dass eine Fragmentierung innerhalb der Eurozone in jedem Fall verhindert werden wird, da eine solche den geldpolitischen Transmissionsmechanismus untergraben würde. Wenn nötig werden neue Instrumente geschaffen, um eine solche Fragmentierung zu verhindern.

Unsere Einschätzung

Wir werten das Ergebnis der jüngsten EZB-Ratssitzung als falkenhaft. Zum einen wegen des klaren Bekenntnisses zu einer langen Reihe an Zinserhöhungen, im Gegensatz zu einem diskretionären Vorgehen mit Zinsanhebungspausen. Zum anderen wegen des Einräumens der Möglichkeit eines grossen Zinsschritts im September.

Das von EZB-Präsidentin Christine Lagarde in ihrem jüngsten Blog-Beitrag erläuterte Konzept der graduellen Zinsanhebungen deutet zwar darauf hin, den Leitzins auch über den Juli hinaus in 25-Bp-Schritten anzuheben, allerdings schliesst es grössere Schritte nicht aus (Optionalität). Das gilt insbesondere für den Beginn der Leitzinsanhebungsphase, da man noch weit entfernt ist vom neutralen Leitzinsniveau.

Der Gefahr einer Fragmentierung innerhalb der Eurozone, sprich des unerwünscht starken Anstiegs der Risikoaufschläge der Peripherieländer, allen voran Italiens, trägt die Notenbank durch ihr Konzept der Flexibilität Rechnung. Um ein Auslaufen der Spreads zu verhindern, sollen zunächst die wieder zu veranlagenden Zuflüsse aus dem APP und dem PEPP verwendet werden. Sollte das nicht ausreichen, lässt die EZB keinen Zweifel daran, bereits bestehende Instrumente wie das OMT einzusetzen oder neue Instrumente zu entwickeln, um einen reibungslosen geldpolitischen Transmissionsmechanismus zu gewährleisten.

Aktuell spricht vieles dafür, dass die EZB den Leitzinssatz mindestens auf das von den Währungshütern als neutral betrachtete Niveau von 1,00% bis 1,50% wird anheben müssen, um dem enorm starken unterliegenden Preisauftrieb die Stirn zu bieten. Derzeit scheint eine Mehrheit im EZB-Rat das noch mit 25-Bp-Schritten tun zu wollen. Wir sehen aber inzwischen eine hohe Wahrscheinlichkeit eines schnelleren Erreichens des neutralen Leitzinsniveaus durch eine oder mehrere Zinsanhebungen um 50 Bp. Für September scheint uns ein solcher Schritt so gut wie sicher: Wir halten es für nahezu ausgeschlossen, dass die Inflationsprognose für 2024 in drei Monaten wieder bei bzw. unter 2,0% liegt. Darüber hinaus sehen wir Spielraum für einen weiteren Schritt um 50 Bp im Oktober oder Dezember. Der Einlagensatz sollte Ende 2022 daher bei mindestens 0,75%, der Hauptrefinanzierungssatz bei 1,25% liegen. Das neutrale Leitzinsniveau sehen wir daher bereits im 1. Quartal 2023 erreicht.

Tab. 1: EZB-Projektionen vom Juni 2022

Quelle: EZB, * Jahresdurchschnitt, in Klammern Projektionen vom März 2022

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