Analyse
24. Mai 2022

Droht eine neue US-Immobilienkrise?

Die stark gestiegenen Zinsen haben die Finanzierungskonditionen am US-Immobilienmarkt deutlich verschlechtert. Gleichzeitig sind die Preise für Häuser und Wohnungen in den USA massiv gestiegen: seit Beginn der Corona-Krise um 35%. Deshalb wird immer öfter vom Risiko einer platzenden Immobilienblase gesprochen und es werden Parallelen zur Immobilienkrise von 2007 gezogen. Tatsächlich sind aber die fundamentalen Rahmenbedingungen des Immobilienmarktes deutlich besser als vor der Subprime-Krise. Deshalb dürften die Wohnbauinvestitionen wegen der gestiegenen Zinsen zwar nachgeben, aber nicht massiv abrutschen. Gleichzeitig ist nur mit einer moderaten Korrektur der Preise und nicht mit einem Einbruch zu rechnen.

Rekordpreissteigerungen und kräftiger Zinsanstieg mahnen zur Vorsicht

Der US-Immobilienmarkt hat in den vergangenen zwei Jahren eine eindrucksvolle Performance gezeigt. Die Preise von Einfamilienhäusern sind seit Beginn der Corona-Krise um 35% gestiegen und die Zahl der neu gebauten Häuser legte in ähnlicher Grössenordnung zu (vgl. Abbildung 1).

Abb. 1: Der US-Immobilienmarkt brummt

Quellen: Census Bureau, Case-Shiller, Bantleon

Beigetragen zu dieser dynamischen Entwicklung haben neben dem brummenden Arbeitsmarkt die zuvor kräftig gesunkenen Zinsen. Hier hat sich das Umfeld allerdings zuletzt deutlich eingetrübt. Die Aussicht auf umfangreiche Leitzinserhöhungen durch die Fed liess die Hypothekenzinsen massiv in die Höhe schnellen. Mit rund 5,50% für 30-jährige Laufzeiten liegen sie inzwischen fast doppelt so hoch wie noch Anfang 2021 (vgl. Abbildung 2). Nie zuvor haben sich die Finanzierungskonditionen beim Immobilienkauf so schnell verschlechtert. Im Zusammenspiel mit dem Boom der vergangenen Jahre verwundert es folglich nicht, wenn immer öfter vom Risiko einer platzenden Immobilienblase gesprochen wird und Parallelen zur Immobilienkrise von 2007 gezogen werden.

Zweifelsohne werden die gestiegenen Hypothekenzinsen den Immobilienboom bremsen. Wie die Erfah­rungen der vergangenen Jahrzehnte zeigen, schlagen sich höhere Finanzierungskosten mit einer kurzen Verzögerung von ein bis zwei Quartalen in einer Abschwächung der Bauaktivität nieder (vgl. Abbildung 3).

Abb. 2: Historisch beispielloser Zinsanstieg

Quellen: Bloomberg, MBA, Bantleon

Schliesslich wird durch die höheren Zinsen in Verbindung mit den gestiegenen Immobilienpreisen der Kauf einer Immobilie immer weniger erschwinglich – noch ungünstiger war die Lage für den Durchschnittshaushalt zuletzt nur 2008.

Abb. 3: Eine Abkühlung ist unausweichlich

Quellen: BEA, MBA, Bantleon

Weil die Fed mit ihren geldpolitischen Straffungen gerade erst begonnen hat, dürften die Zinsen zu­nächst noch etwas weiter steigen und damit der von dieser Seite ausgehende Gegenwind noch stärker werden.

Wichtige Pluspunkte: Kein übertriebener Bauboom und bessere finanzielle Verfassung

Gleichwohl sollte es sich hier lediglich um eine Abkühlung handeln, aus der kein Absturz erwächst. Denn der Immobilienmarkt befindet sich aus fundamentaler Sicht in einer vergleichsweise guten Verfassung. Von besonderer Bedeutung ist dabei zum einen, dass die Bauaktivität in den vergangenen Jahren nicht aus dem Ruder gelaufen ist, anders als vor der Subprime-Krise in den Jahren 2001 bis 2006. Damals stiegen die Ausgaben der privaten Haushalte für den Immobilienerwerb über Jahre hinweg immer stärker an. Mit einem Anteil von knapp 4% am BIP waren sie schliesslich rund doppelt so hoch wie der langfristige Trend (vgl. Abbildung 4). Aktuell liegen sie im Gegensatz dazu nur bei knapp 2% des BIP – von einer Blasenbildung kann mithin dieses Mal nicht gesprochen werden.

Abb. 4: Anders als vor 15 Jahren – keine Investitionsblase

Quellen: BEA, Bantleon

Diese stabilere Ausgangslage als vor Ausbruch der globalen Finanzkrise vor rund 15 Jahren spiegelt sich auch im Anteil leer stehender Wohnungen und Häuser. So sinkt beispielsweise die Leerstandsrate bei Eigenheimen – trotz der gestiegenen Bauaktivität – seit über zehn Jahren stetig. Anfang dieses Jahres hat sie mit 0,8% sogar den tiefsten Stand in der 65-jährigen Historie dieser Datenreihe erreicht. Dies deutet darauf hin, dass gegenwärtig ein Mangel und kein Überschuss an Wohnungen und Häusern besteht. Zum Vergleich: Vor der Subprime-Krise war die Leerstandsrate im Zuge der damals übertrieben hohen Bauaktivität in Richtung 3,0% gestiegen (vgl. Abbildung 5).

Abb. 5: Aktuell gibt es in den USA nicht zu viele, sondern zu wenige Immobilien

Quellen: BEA, Bantleon

Ein weiterer wichtiger Pluspunkt ist zum anderen die ausgesprochen gute finanzielle Lage, in der sich die US-Bürger gegenwärtig befinden. Die Verschuldung der privaten Haushalte entspricht aktuell knapp 100% des verfügbaren Jahreseinkommens. Das ist deutlich weniger als die über 130%, die im Zuge der Subprime-Blase aufgelaufen waren, und gleichzeitig der niedrigste Schuldenstand seit 20 Jahren (vgl. Abbildung 6).

Abb. 6: Die Schuldenlast ist dieses Mal tragbar

Quellen: Fed, Bantleon

Wegen der niedrigeren Verschuldung und der in den vergangenen Jahren tieferen Zinsen müssen die US-Bürger ausserdem gegenwärtig so wenig wie selten für Zins- und Tilgungszahlungen aufwenden. Die entsprechende Schuldendienstquote bewegt sich mit 9,0% nahe ihrer Allzeit-Tiefststände in dieser bis 1980 zurückreichenden Historie (vgl. Abbildung 6).

Ihren Niederschlag findet die verbesserte wirtschaftliche und finanzielle Lage der US-Bürger auch in den Kennzahlen zur Kreditwürdigkeit. Der einschlägige FICO-Score der Fair Isaac Corporation (FICO) – einem Unternehmen, das die Solvenz von Privat­schuldnern bewertet, vergleichbar mit der deutschen SCHUFA – ist beispielweise für den durchschnittlichen Privathaushalt seit der Subprime-Krise deutlich angestiegen (vgl. Abbildung 7). Unter anderem hat dazu der oben beschriebene Schuldenabbau beigetragen, der zuletzt durch die staatlichen Einkommenshilfen im Zuge der Corona-Krise zusätzlich befördert wurde.

Abb. 7: Höhere Kreditwürdigkeit der US-Bürger

Quellen: FICO, Bantleon

Alles in allem sind also die fundamentalen Rahmenbedingungen des Immobilienmarkts deutlich besser als im Vorfeld der Subprime-Krise. Entsprechend gehen wir davon aus, dass die Wohnbauinvestitionen wegen der gestiegenen Zinsen zwar nachgeben, aber nicht massiv abrutschen werden. Gleichzeitig ist nur mit einer moderaten Korrektur der Preise und nicht mit einem Einbruch zu rechnen. Entsprechend sollte es anders als in den Jahren 2007 bis 2011 nicht zu ausufernden Zahlungsausfällen und Vermögensverlusten der privaten Haushalte kommen, die die US-Wirtschaft damals zusätzlich belastet hatten. Vielmehr beschränken sich die Bremseffekte im Wesentlichen auf rückläufige Wohnbauinvestitionen, die mit einem Anteil von rund 4,0% am BIP nur einen geringen Einfluss auf das Wirtschaftswachstum haben.

Fazit: Kein Platzen einer Immobilienblase, aber Vorbote eines konjunkturellen Abschwungs

Ungeachtet dieser gelassenen Einschätzung liefert die bevorstehende Korrektur am amerikanischen Immobilienmarkt jedoch einen Vorgeschmack auf die Abkühlung bei den Unternehmensinvestitionen. Diese reagieren mit grösserer Verzögerung als die Wohnbauinvestitionen auf straffere Finanzierungskonditionen und sind mit einem Anteil von rund 15% am BIP weitaus wichtiger für die konjunkturelle Entwicklung. Der aktuell scharfe Zinsanstieg wird also aller Voraussicht nach keine Immobilienblase zum Platzen bringen, wohl aber einen normalen konjunkturellen Abschwung in Gang setzen, der sich im Jahr 2023 beschleunigen kann, wenn die Inflation hartnäckig bleibt und somit die Fed weiter an der Zinsschraube drehen muss.

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