Kommentar
7. Februar 2022

Die Zinswende ist da

Europäische Staatsanleihen erlebten in der ersten Februarwoche ein wahres Blutbad. Die Kurse brachen auf breiter Front ein. Spiegelbildlich legten die Benchmark-Renditen 2- bis 10-jähriger Bundesanleihen um 25 bis 35 Bp zu. 5-jährige Bundesobligationen rentierten sogar erstmals seit vier Jahren wieder leicht im Plus. Noch schlimmer traf es italienische Staatsanleihen, deren Renditen um fast 50 Bp in die Höhe schossen.

Auslöser dieses Erdbebens waren die Inflationszahlen der Eurozone. Die Hoffnungen auf eine Trendwende haben sich hier nicht erfüllt. Vielmehr markierte die Teuerungsrate im Januar mit 5,1% einen neuen Rekord. Dies veranlasste die EZB – wie kurz zuvor bereits die Fed –, das Narrativ vom temporären Inflationsanstieg fallenzulassen und gleichzeitig Zinserhöhungen in diesem Jahr nicht mehr auszuschliessen. Die Geldterminmärkte reagierten darauf sofort. Bis Ende 2023 werden nunmehr Leitzinserhöhungen um über 100 Bp eingepreist. Knapp 50 Bp mehr als vor einer Woche.

Sind die Märkte damit über das Ziel hinausgeschossen? In unseren Augen nicht. So dürfte die Inflationsrate der Eurozone im Februar weiter in Richtung 5,5% anziehen. Parallel dazu sollte die Konjunktur mit dem Abebben der Pandemiegefahr wieder an Schwung gewinnen. Das sind gute Gründe für die EZB, die Wertpapierkäufe schneller zurückzufahren und bald mit geldpolitischen Straffungen zu beginnen. 

Im 2. Halbjahr wird die Teuerungsrate zwar aller Voraussicht nach sinken. Schliesslich werden die Energiepreise kaum im aktuellen Tempo (knapp 30% im Vorjahresvergleich) weiter zulegen. Allerdings geht von den übrigen Preiskomponenten unverändert Aufwärtsdruck aus. So sind die Unternehmen erst gerade dabei, den aufgelaufenen Kostendruck an die Endverbraucher weiterzugeben. Die Kerninflationsrate wird demnach ihren Aufwärtstrend beibehalten. Alles in allem scheint ein Rückgang der Teuerungsrate unter 2% in diesem Jahr nahezu ausgeschlossen und 2023 unwahrscheinlich. 

Denn schon tauchen neue Inflationsgefahren am Horizont auf. Fast ebenso spektakulär wie die Inflationszahlen haben sich in den vergangenen Monaten die Arbeitsmarktdaten entwickelt. Im Dezember sank die Arbeitslosenquote der Eurozone auf ein Rekordtief von 7,0%. Mit dem Nachlassen der Pandemie wird die Quote weiter fallen. Die Arbeitnehmer besitzen damit bei den anstehenden Lohnverhandlungen eine exzellente Ausgangsposition. Die Durchsetzung eines Inflationsausgleichs scheint das Mindeste. 

Auch bei den Energiepreisen ist mit keiner dauerhaften Entspannung zu rechnen. Die Klimapolitik vieler Länder setzt auf die Verteuerung fossiler Energieträger, um den CO2-Ausstoss zu verringern. Gleichzeitig ist es in Zeiten des ESG-Hypes äusserst unattraktiv in den Öl-, Gas- oder Kohleausbau zu investieren. Das Angebot an fossiler Energie wird daher knapp bleiben. Mit Preissprüngen nach oben ist demzufolge weiter zu rechnen. 

Die Notenbanken werden somit auch über das Jahr 2022 hinaus unter Druck stehen, die Geldpolitik zu straffen. Wir gehen entsprechend davon aus, dass die Renditen in den kommenden Jahren in mehreren Wellen weiter ansteigen. Die meisten Assetklassen sind damit heftigem Gegenwind ausgesetzt. Eine aktive Sektor- und Quotensteuerung über den Konjunkturzyklus hinweg ist im Asset Management folglich mehr denn je das Gebot der Stunde.

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