Kommentar
29. März 2021
Augen zu und durch

Wieder einmal stellt sich für die Finanzmärkte die Frage: Hindurchschauen oder nicht? Die Coronavirus-Pandemie hat sich mit Macht zurückgemeldet. Insbesondere in Europa scheint die dritte Welle in vollem Gange zu sein. Bestand lange Zeit die Hoffnung, dass es im April zum Befreiungsschlag kommt, droht nunmehr das Gegenteil. In Deutschland sind unter anderem nächtliche Ausgangssperren, der komplette Lockdown des Einzelhandels (mit Ausnahme von Lebensmitteln), eine Testpflicht in Unternehmen und Schulen sowie sogar das Herunterfahren von Teilen der Industrie im Gespräch.

Dabei ist die Pandemielage derzeit alles andere als klar. So dürfte ein erheblicher Teil der anschwellenden Inzidenzwerte eine Folge der gestiegenen Tests sein, die in der Eurozone seit Jahresbeginn um 50% zulegten. Die Positivquote (Anteil positiver Tests an Gesamttests) zieht zwar auch an, aber nicht exponentiell. Ausserdem könnte die Quote durch die vielen vorgelagerten Schnelltests nach oben verzerrt sein. Auch regional bietet sich ein differenziertes Bild: Während in Deutschland und Frankreich die Neuinfektionszahlen kräftig ansteigen, ist der Trend in Portugal und Spanien immer noch rückläufig.

Am Ende dürfte die Angst vor eine Überlastung des Gesundheitssystems den Ausschlag für eine erneute Verschärfung der Lockdowns geben. Dies wird die konjunkturelle Belebung in Europa nochmals ins Stocken bringen. Dass sie bereits am Laufen ist, haben die jüngsten März-Umfragen unmissverständlich deutlich gemacht. Sowohl der Composite-Einkaufsmanagerindex der Eurozone als auch das ifo-Geschäftsklima haben sich spürbar verbessert. Allen voran das verarbeitende Gewerbe profitiert von der Belebung der Weltwirtschaft. Die Nachfrage nach Industriegütern ist so kräftig, dass die Auftragsbestände auf einen Höchststand gesprungen sind. 

Der Servicesektor wird zwar im April auf die ausgebliebenen Öffnungsschritte mit Enttäuschung reagieren, dabei dürfte es sich jedoch nur um eine temporäre Durststrecke handeln. Denn neben den misslichen Meldungen zur Pandemie gibt es auch eine sehr erfreuliche: die verfügbaren Impfstoffe sind hochwirksam. Dies zeigt sich speziell in den USA, Grossbritannien und Israel. Hier ist es zuletzt gelungen, die Neuinfektionszahlen zu drücken. In allen drei Ländern wird spätestens zur Jahresmitte Herdenimmunität erreicht sein. Europa sollte im Herbst folgen, denn die Impfstofflieferungen werden hier in den nächsten Wochen kräftig hochgefahren. Mit Blick auf die Lockerungen gilt damit definitiv: aufgeschoben ist nicht aufgehoben. 

Bei der Abwägung aller Chancen und Risiken ist es somit für die Investoren einmal mehr plausibel, die kurzfristigen Schwierigkeiten hintanzustellen und stattdessen den Fokus nach vorne zu richten. Der mittelfristig positive Ausblick wird nicht zuletzt von den USA befeuert. Eine dritte Welle ist hier zwar auch nicht auszuschliessen. Angesichts des schnellen Impffortschritts dürfte sie aber nicht sehr ausgeprägt ausfallen. Ausserdem besitzt das neue Fiskalpaket eine solche Wucht, dass die Wirtschaftsdaten allein davon mitgerissen werden. Als ein erstes Indiz sollte sich der Arbeitsmarktbericht vom März erweisen, der einen Stellenzuwachs von nahezu 1 Mio. mit sich bringen könnte. Alles in allem gehen wir davon aus, dass das Risk-on-Sentiment in den nächsten Wochen die Oberhand behalten wird. 

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