Kommentar
6. Dezember 2021

Aktienmärkte können geldpolitische Wende verkraften

Das Auftauchen der Omikron-Variante hat an den Finanzmärkten für gehörige Verunsicherung gesorgt. Weltweit gingen die Aktienkurse auf Talfahrt. In diesem Umfeld wäre es nicht verwunderlich gewesen, wenn die Notenbanken sofort dagegengehalten hätten. Etwa mit klaren Ankündigungen, die bevorstehende Rückführung der ultraexpansiven Geldpolitik aufzuschieben, sollte die Wirtschaft durch ein Neuaufleben der Pandemie ernsthaft gebremst werden. 

Vergangene Woche kam es aber anders. Fed-Präsident Jerome Powell verwies nur am Rande auf die Risiken, die von der Virusmutation ausgehen. Stattdessen konzentrierte er sich in seinen Ausführungen auf das Vorhaben, das Tapering schon bald zu beschleunigen. Er verstärkte seine falkenhafte Haltung sogar noch, indem er verlauten liess, man könne den aktuellen Teuerungsschub nun nicht mehr als vorübergehend bezeichnen. Mithin bleibt die Fed auf Kurs, die Anleihenkäufe schon im Frühjahr 2022 zu beenden und nicht erst wie ursprünglich avisiert im Juni. Eine erste Zinserhöhung schon im Sommer ist damit sehr wahrscheinlich.

Auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde widerstand der Versuchung, aufgrund von Omikron einem geldpolitischen Richtungswechsel eine Absage zu erteilen. Vielmehr gestand sie zum ersten Mal seit Langem ein, die EZB werde die Leitzinsen anheben, wenn die Bedingungen dafür erfüllt sind – bislang hatte sie keinen einzigen Gedanken an Zinserhöhungen verschwendet.

An den Aktienmärkten sorgte dieses eher falkenhafte Auftreten der Währungshüter für den zweiten Tiefschlag in der vergangenen Woche. Schliesslich wird damit der Nachschub an billigem Geld bzw. letztlich der schon zur Normalität gewordene Notenbank-Put in Frage gestellt. 

Diese kritische Sicht dürfte aber nicht lange Bestand haben. Wir sehen es nach wie vor als wahrscheinlich an, dass die Omikron-Variante nur ein temporäres Störfeuer, nicht aber einen Gamechanger darstellt. Für ein abschliessendes Urteil liegen zwar immer noch nicht genügend Informationen vor. Immerhin deutet sich aber an, dass die neue Virusmutation keine schwereren Krankheitsverläufe auslöst. Wenn sich diese erfreulichen Signale bestätigen, sollten die konjunkturellen Sorgen wieder in den Hintergrund treten und die von dieser Seite auf die Aktienmärkte einwirkende Verunsicherung abnehmen.

Als eine potenzielle Gefahr verleiben damit die vermeintlichen Querschüsse vonseiten der Geldpolitik. Auch hier spricht jedoch vieles dafür, dass Risikoassets dadurch nicht nachhaltig belastet werden. Letztlich ist es zu begrüssen, wenn Notenbanken geldpolitische Kurswechsel möglichst früh ankündigen. Denn nur so können sie eine abrupte Verschärfung der Finanzierungskonditionen vermeiden, zu der es kommen würde, wenn sie unvermittelt die Zügel anziehen. Der Tapering-Prozess der Fed ist hier ein gutes Beispiel. Er war von den Währungshütern mit grossem zeitlichen Vorlauf angekündigt. Als dann die Anleihenkäufe im November erstmals reduziert wurden, hat das die Finanzmärkte kaum beeindruckt. 

Darüber hinaus steht ausser Frage, dass die Notenbanken die geldpolitischen Rahmenbedingungen nur sehr langsam straffen werden. Selbst wenn in den USA die Leitzinserhöhungen wie von uns erwartet umfangreicher ausfallen als derzeit von den Geldterminmärkten eskomptiert, wird das im historischen Vergleich ein ausgesprochen flacher Zinserhöhungszyklus sein. Entsprechend dürften auch die Treasury-Renditen nur moderat anziehen – der Notenbank-Put sollte mithin nicht grundsätzlich in Zweifel gezogen werden. 

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