Kommentar
30. März 2020

Italien mehr denn je auf EZB angewiesen

Damit aus der Corona-Pandemie keine Weltwirtschaftskrise erwächst, müssen die Staaten jetzt viel Geld in die Hand nehmen. Die zusätzliche Verschuldung sollte dabei in Kauf genommen werden. Dies fordert etwa der früherer EZB-Präsident Mario Draghi. Besonders schnell vorgeprescht sind Deutschland und die USA. Sie haben in Windeseile Hilfspakte in der Grössenordnung von 5% bis 10% des BIP aufgelegt. Darüber hinaus wurden grosszügige Kreditlinien bereitgestellt. Ziel ist es, Massenarbeitslosigkeit und eine Insolvenzwelle abzuwenden.

Nahezu alle Länder der Welt werden nicht umhinkommen, ähnliche Pakete zu schnüren – wenn sie es sich leisten können. Besonders stark von der Virusepidemie ist Italien getroffen. Damit auf die menschliche keine ökonomische Tragödie folgt, muss gerade hier der Staat beherzt eingreifen. Aufgrund der sehr strikten und langwierigen Ausgangssperren sowie der hohen Bedeutung des Tourismus dürfte das italienische BIP innerhalb Europas mit am stärksten einbrechen. Wir rechnen in diesem Jahr mit einem BIP-Rückgang von mindestens 10%. Allein dies dürfte ein Loch in den Staatshaushalt von ca. 7% des BIP reissen.

Hinzu kommt das erforderliche Hilfspaket, das ein Abrutschen in die Depression verhindern soll. Hierfür veranschlagen wir nochmals gut 5% des BIP. Einschliesslich des bereits bestehenden Defizits dürfte der negative Budgetsaldo 2020 bei rund 15% des BIP liegen. Der Finanzierungsbedarf im laufenden Jahr beträgt mithin stolze 260 Mrd. EUR. Wer soll das bezahlen?

Am einfachsten wäre es, direkt den Kapitalmarkt anzuzapfen. Italien ist indes bereits mit 135% des BIP verschuldet. Das oben skizzierte Szenario würde die Quote weiter in Richtung 160% treiben. Damit lägen fast griechische Verhältnisse vor und Rating-Herabstufungen wären vorprogrammiert. Die Finanzierung über den Kapitalmarkt setzt daher die Unterstützung der EZB voraus. Nur mit ihrer Hilfe können die Risikoaufschläge gedeckelt werden. Die Notenbank ist bereits aktiv und kauft im Rahmen des neuen Wertpapierkaufprogramms (PEPP) in grossem Stil italienische Staatsanleihen. Langfristig soll deren Anteil am Gesamtportfolio allerdings 18% (= Anteil der Banca d’Italia an der EZB) nicht überschreiten. Als Dauerlösung sind die Eingriffe der EZB daher nicht gedacht.

Italien fordert stattdessen die Auflegung eines Euro-Hilfsfonds, der durch die Ausgabe gemeinschaftlicher Anleihen (»Corona-Bonds«) refinanziert wird. Dies hätte zwei Vorteile. Zum einen würde Italien nur mit seinem EZB-Anteil haften (18%). Zum anderen könnten die Anleihen problemlos am Kapitalmarkt zu günstigen Konditionen platziert werden. Allerdings müsste das Konstrukt erst aus der Taufe gehoben werden. Zahlreiche Euroländer (darunter Deutschland, Niederlande, Österreich) haben bereits ihren Widerstand angekündigt.

Einfacher ist es daher, auf ein bestehendes Instrument wie den ESM zurückzugreifen. Derzeit wären daraus 410 Mrd. EUR abrufbar. Diese würden mit einer ESM-Anleihe refinanziert. Jedes Land, das auf Mittel zugreift, müsste allerdings dafür allein geradestehen. Ausserdem sind ESM-Kredite an Auflagen gebunden. Der deutsche Finanzminister hat in dieser Hinsicht indes Entgegenkommen signalisiert. Im Ergebnis wird es wohl auf ESM-Kredite hinauslaufen. Allerdings ist bislang vorgesehen, dass jedes Land aus dem Topf nur eine Kreditlinie von 2% des BIP ziehen darf. Das wären im Falle Italiens gerade einmal 35 Mrd. EUR.

Alles in allem ist sicherlich noch nicht das letzte Wort bei der Refinanzierung der italienischen Schulden gesprochen. Vorerst lastet die Hauptverantwortung auf der EZB. Sie hat bereits angekündigt, alles zu tun, um die italienischen Spreads, unter Kontrolle zu halten. Notfalls wird sie den Kapitalschlüssel als Orientierungsgrösse für den Ankauf von Staatsanleihen ganz über Bord werfen. Dann findet die Vergemeinschaftung der Schulden endgültig über die Notenbank statt.

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