Analyse
10. Juli 2020

Investment Insight Juli 2020

Weltweit signalisierten die Konjunkturindikatoren zuletzt ein Ende der wirtschaftlichen Talfahrt. Aber die Verschärfung der Pandemie in den USA wird zu einem neuen Belastungsfaktor. Den zuletzt so stabilen Aktienmärkten droht ein temporärer Rückschlag.

Die US-Konjunkturdaten haben zuletzt positiv überrascht. Bei den Vorverträgen für Hauskäufe wurde im Mai ein Plus von 44% gemeldet, das den vorherigen Einbruch um rund drei Viertel kompensiert. Anschliessend sorgte das Juni-Verbrauchervertrauen mit einem unerwartet deutlichen Anstieg von 85,9 auf 98,1 Punkte für Aufsehen. Noch mehr erstaunte der ISM-Einkaufsmanagerindex der Industrie, der mit dem grössten Monatszuwachs seit 40 Jahren (+9,5 Punkte) auf 52,6 Punkte anzog. Der Teilindex zu den Auftragseingängen schoss sogar um 24,6 Punkte auf 56,4 Punkte. Das war der stärkste Zuwachs seit 1947. Gekrönt wurde der Datenreigen durch den Arbeitsmarktbericht für Juni. Mit 4,8 Mio. neuen Beschäftigungsverhältnissen war der Stellenzuwachs rund doppelt so hoch wie im Vormonat und übertraf auch die Konsensuserwartung merklich. Die Arbeitslosenquote ging von 13,3% auf 11,1% zurück.

Alle Daten zusammen belegen, wie schnell die US-Wirtschaft nach dem Corona-Absturz wieder zur Erholung angesetzt hat. Allerdings zeigen diese Statistiken nicht die allerjüngsten Entwicklungen an. Denn durch die seit gut zwei Wochen erneut kräftig ansteigenden Coronavirus-Neuinfektionen wird die Wirtschaft wieder gebremst. Rund 40% der US-Bevölkerung sind mittlerweile von neuen Lockdown-Massnahmen betroffen. Täglich erhobene Aktivitätszahlen wie die Tischreservierungen in Restaurants spiegeln diese Abschwächung bereits wider.

Aktuell muss davon ausgegangen werden, dass die Trends steigender Neuinfektionen und vermehrter Lockdown-Massnahmen zunächst weiter anhalten. Der Ausblick auf die Juli-Konjunkturdaten trübt sich entsprechend ein. Je deutlicher die Kontaktbeschränkungen ausfallen, umso stärker werden die konjunkturellen Bremseffekte sein. Allerdings dürften Geld- und Fiskalpolitik die konjunkturellen Bremseffekte zusätzlicher Lockdown-Massnahmen abfedern. Unter anderem rechnen wir mit einer neuen Runde an Einkommensschecks für die US-Bürger und einer Verlängerung der Arbeitslosenhilfe.

Während in den USA die beschleunigte Ausbreitung des Coronavirus den kurzfristigen Konjunkturausblick belastet, scheint China die Pandemie unter Kontrolle zu behalten. Die Neuinfektionszahlen lassen einen Abwärtstrend auf niedrigem Niveau erkennen und die Einkaufsmanagerindizes signalisieren eine fortschreitende Erholung. So machte der Service-EMI von Markit unerwartet einen kräftigen Satz von 55,0 auf einen 10-jährigen Höchststand bei 58,4 Punkten. Auch der Industrie-EMI von Markit verbesserte sich von 50,7 auf 51,2 Punkte. Die vom nationalen Statistikamt erhobenen Einkaufsmanagerindikatoren zeigen in dieselbe Richtung. Die Botschaft der ersten chinesischen Konjunkturindikatoren für Juni ist eindeutig: Die Wirtschaft bleibt auf Erholungskurs.

In Europa nimmt die von uns erwartete kräftige Konjunkturerholung im 3. Quartal immer stärker Kontur an. Die Einzelhandelsumsätze für Mai legten europaweit zu – zwischen 2,7% in Finnland und 25,6% in Frankreich. In einigen Ländern und insbesondere in Deutschland lagen die Umsätze sogar über dem Ausgangsniveau von vor Beginn der Krise. Offenbar sind die Konsumenten wenig verunsichert. Sie kaufen neue Möbel und Fernseher, statt in den Urlaub zu fahren. Für Juni sind die Aussichten ebenfalls äusserst günstig. Für die Eurozone zeichnet sich ein Umsatz ab, der nur noch leicht unter dem Vorkrisenniveau vom Februar liegt. Daten zum Besuch von Restaurants lassen den Schluss zu, dass die Erholung der Dienstleistungsbranche in der Eurozone ähnlich dynamisch verläuft wie im Einzelhandel. Wenn eine zweite Infektionswelle und damit grossflächige Lockdown-Massnahmen weiterhin verhindert werden können, stehen die Vorzeichen für eine kräftige Gegenbewegung bei den privaten Konsumausgaben zwischen Juli und September sehr gut. Der für das 2. Quartal erwartete Rückgang um rund 15% könnte schon im 3. Quartal fast zur Gänze wieder aufgeholt werden. Damit wäre auch der Weg für eine ähnliche Entwicklung beim BIP geebnet.

Die europäischen Unternehmen jedenfalls sind zunehmend positiver gestimmt. So fielen im Juni die endgültigen Ergebnisse der Einkaufsmanagerindizes (EMI) markant besser aus als die vorläufigen Zahlen. Der Industrie-EMI der Eurozone wurde von 46,9 auf 47,4 Punkte revidiert. Für den Dienstleistungs-EMI fiel die Korrektur sogar noch deutlicher aus (48,3 statt 47,3 Punkte). Diese Abweichung geht nur auf die Antworten von 10% bis 15% der insgesamt befragten Unternehmen zurück. Entsprechend müssen diese »Nachmelder« im Juni erheblich bessere Stimmungsdaten abgegeben haben als die in der vorläufigen Veröffentlichung abgebildeten Unternehmen. Nach unseren Berechnungen entsprechen die nachgemeldeten Umfrageergebnisse einem Industrie-EMI von 51 Punkten und einem Dienstleistungs-EMI von 55 Punkten. Die Aufwärtsrevision der EMI-Zahlen für die Eurozone geht dabei zu einem grossen Teil auf die deutschen Ergebnisse zurück. Die positive Beurteilung von Ende Juni wird bis in den Juli tragen. Wir sehen die errechneten Werte der »Nachzügler-EMIs« als Untergrenze für die Juli-Werte. Im Servicebereich spricht insbesondere der Wegfall der Reisebeschränkungen innerhalb der EU ab dem 1. Juli für einen noch stärkeren Anstieg.

Die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf die Inflation bleiben überschaubar. Preisdämpfende (Hotels, vorgezogene Schlussverkäufe) und preistreibende Effekte (Restaurants und Dienstleistungen) halten sich in etwa die Waage. Perspektivisch dürften allerdings eher die Preiserhöhungen Bestand haben. Im Juli wird die Kerninflation zwar wegen der deutschen MwSt.-Senkung nochmals sinken, ab Anfang 2021 fällt der Anstieg dann aber umso stärker aus. Die Inflationsrate wird die Bewegung der Kerninflationsrate wegen der nachlassenden dämpfenden Basiseffekte bei den Energiepreisen noch prononcierter nachvollziehen.

Die positiven Konjunkturdaten trieben zuletzt die Aktienkurse weiter an, auch die Spreads an den Anleihenmärkten engten sich ein. Gebremst wurde die Euphorie allerdings durch die sprunghaft anziehenden Coronavirus-Neuinfektionen in den USA. Vieles spricht dafür, dass sich die Trends steigender Fallzahlen und vermehrter Lockdown-Massnahmen in den kommenden Tagen fortsetzen. Das aktuell erfreuliche Konjunkturbild sollte folglich Risse bekommen, was für Risikoassets wachsende Rückschlaggefahren bedeutet. Im Gegenzug bleibt der kurzfristige Ausblick für die sicheren Häfen freundlich.

Erst wenn sich zeigt, dass die neuen Kontaktbeschränkungen und Auflagen die Ausbreitung des Virus tatsächlich verlangsamen, dürfte der Gegenwind für die Finanzmärkte nachlassen. Unterstützung kommt derweil weiterhin von den Notenbanken. So wird in den USA diskutiert, die Leitzinsen so lange nicht anzuheben, bis das 2%-Inflationsziel leicht übertroffen wurde. Weil das in den vergangenen zwölf Jahren gerade einmal in neun Monaten gelang, würde dies faktisch einer Festschreibung der Renditen am kurzen Ende gleichkommen.

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