Kommentar, Presse-Information
20. April 2020

EU dürfte Italien zur Hilfe eilen

Beim EU-Gipfel am kommenden Donnerstag geht es wieder einmal um alles. Gemäss dem französischen Präsident Emmanuel Macron steht nicht weniger als das EU-Projekt auf dem Spiel. Ganz unverblümt fordert er Transfers für diejenigen Euroländer, die am stärksten vom Coronavirus betroffen sind.

Bereits am 9. April hatte sich die Eurogruppe auf ein Hilfspaket in der Grössenordnung von 540 Mrd. EUR geeinigt. Es umfasst drei Säulen: ESM-Kredite, EU-Hilfen für Kurzarbeitergeld (SURE-Projekt) sowie einen EIB-Garantiefonds. Alles zusammen wurde zwar als Zeichen des guten Willens gewertet, aber insgesamt als unzureichend angesehen. Vor allem die italienische Regierung lehnt ESM-Kredite weiter ab. Stattdessen fordert Premierminister Giuseppe Conte unverdrossen Corona-Bonds, mit denen nach neuster Lesart ein umfassender Wiederaufbaufonds finanziert werden soll.

Italien ist mehr denn je auf die Unterstützung der anderen Euroländer angewiesen. Sein Haushaltsdefizit wird in diesem Jahr wegen der einbrechenden Konjunktur und der notwendigen Hilfsmassnahmen für die Wirtschaft explodieren. Es dürfte bei weit über 10% des BIP liegen und damit die bereits überhöhte staatliche Schuldenquote (135% des BIP) deutlich nach oben treiben. Dem Land droht in der Folge der Verlust seines »BBB« Ratings. Die erste Nagelprobe in dieser Hinsicht wartet am kommenden Freitag, wenn S&P seine aktualisierte Bonitätseinstufung für Italien bekannt gibt.

Italien steht mit der Forderung nach Solidarität keinesfalls allein da. Die EU-Kommission will ebenfalls helfen und plädiert – wie Frankreich – für einen europäischen Wiederaufbaufonds, der nunmehr zentraler Bestandteil des EU-Gipfels ist. Die Grössenordnung und Finanzierung des Fonds sind noch vollkommen offen. Beim Umfang schwanken die Ideen zwischen 300 Mrd. und 1.500 Mrd. EUR. Was die Finanzierung anbetrifft, ist neben Corona-Bonds auch der EU-Haushalt im Gespräch.

Unklar ist schliesslich, wer in erster Linie Nutzniesser des Fonds sein wird. Nach den Vorstellungen der Südeuropäer und Frankreichs sollen die Mittel dorthin fliessen, wo sie am nötigsten gebraucht werden – also in die eigenen Kassen. Die Finanzierung dürfte sich aber an der Wirtschaftskraft der EU-Länder orientieren. Hier wäre natürlich der deutsche Anteil am grössten.

Wie das Geschacher am Ende ausgeht, bleibt abzuwarten. Eurobonds wird es aber wahrscheinlich nicht geben. Stattdessen werden die Länder – ähnlich dem ESM – Geld und Garantien in einen weiteren EU-Topf einbringen. Das Volumen des Fonds wird sich eher am unteren Rand der oben genannten Bandbreite bewegen. So hätten am Ende alle das Gesicht gewahrt.

Unter Umständen gelingt es Italien mithilfe des Wiederaufbaufonds, Ausgaben in Höhe von 3% bis 5% des BIP (50 Mrd. bis 90 Mrd. EUR) über Transfers zu finanzieren. Dies würde den Anstieg der Schuldenstandsquote in diesem Jahr zwar nicht aufhalten, aber zumindest dämpfen, was die Rating-Agenturen als Pluspunkt werten könnten. Noch mehr werden sie aber die anhaltende Unterstützung durch die EZB begrüssen. Mit dem neuen QE-Programm (PEPP) hat die Notenbank ein Instrument geschaffen, das den Ankauf italienischer Staatsanleihen in grossem Umfang ermöglicht. Dies trägt dazu bei, die italienischen Finanzierungskosten zu drücken. Im Ergebnis dürfte Italien bei den anstehenden Bonitätsüberprüfungen mit einem blauen Auge davonkommen. Das Damoklesschwert einer Rating-Herabstufung wird danach aber nicht verschwinden.

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