Kommentar
6. Juli 2020

Corona-Krise: Die USA könnten von Europa lernen

Seit einigen Wochen stehen die Finanzmärkte ganz im Zeichen des Kräftemessens zwischen einerseits positiv überraschenden Konjunkturdaten und anderseits wachsenden Problemen bei der Eindämmung der Coronavirus-Pandemie in den USA. In den vergangenen Tagen konnten trotz zuletzt immer schneller zulegender Neuinfektionszahlen einmal mehr die positiven Wirtschaftsnachrichten den Sieg davontragen. Zu eindrucksvoll waren hier die Hinweise auf einen vielerorts kräftig anziehenden Konsum, eine deutliche Aufhellung der Unternehmensstimmung und einen wieder in Gang kommenden Arbeitsmarkt. Alles zusammen zeigt, dass die wirtschaftliche Erholung nach dem Ende des Shutdowns offensichtlich schneller gelingt als gedacht.

Die beschleunigte Ausbreitung des Coronavirus in den USA sorgte vor diesem Hintergrund zwar für Verunsicherung. Immerhin hat sich die Zahl der täglichen Neuinfektionen innerhalb von gut zwei Wochen mehr als verdoppelt. Das reichte aber nicht aus, um den Risikoappetit der Investoren nachhaltig zu bremsen. In gewisser Weise wirkte auch beruhigend, dass in vielen US-Bundesstaaten die Gesundheitssysteme noch nicht an ihre Grenzen ge-stossen sind. Zusätzlich mindert die nach wie vor niedrige Sterblichkeit die Angst vor erneuten gravierenden Lockdown-Massnahmen.

Ermutigend ist schliesslich, dass sich die Coronavirus-Neuinfektionen im zweitgrössten Wirtschaftsraum der Welt – in Europa – seit geraumer Zeit stabil auf tiefem Niveau bewegen. Und das, obwohl hier in den vergangenen Wochen und Monaten die Lockdown-Massnahmen mehr und mehr zurückgenommen wurden. Zusammen mit China liefert Europa damit ein wichtiges Vorbild, wonach es durchaus gelingen kann, die Pandemie unter Kontrolle zu halten und gleichzeitig die Wirtschaft wieder in Gang zu setzen.

Die USA sind jedoch offensichtlich noch ein gutes Stück davon entfernt, diesen Spagat zu meistern. Aktuell werden angesichts der dynamisch zunehmenden Neuinfektionen die Einschränkungen für die Wirtschaft erneut hochgefahren. Inzwischen sind schon wieder rund 40% der Bevölkerung davon betroffen – Tendenz schnell steigend. Nur langsam scheint sich bei der Mehrheit der Bevölkerung die Einschätzung durchzusetzen, dass die angeordneten Schutzmassnahmen, wie das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, tatsächlich hilfreich sind. Präsident Trumps Gehabe, die Gefahren des Virus demonstrativ zu ignorieren, sind für diesen Bewusstseinswandel nicht unbedingt förderlich.

Wie die Erfahrungen anderer Länder gezeigt haben, wird es allerdings immer schwieriger, die Pandemie unter Kontrolle zu bringen, je stärker sich das Virus in der Bevölkerung ausgebreitet hat. In Anbetracht dessen ist es sehr wahrscheinlich, dass die Neuinfektionszahlen in den USA zunächst weiter ansteigen, woraufhin zusätzliche Lockdown-Massnahmen ergriffen werden müssen. Die Erholung der US-Wirtschaft wird damit zwar nicht gänzlich in Frage gestellt, zumindest wächst aber das Risiko eines empfindlichen Dämpfers bei der konjunkturellen Wiederbelebung. Wenn die grösste Volkswirtschaft der Welt unter Druck kommt, wird das zwangsläufig auf den Rest der Welt ausstrahlen, was dann auch die Finanzmärkte stärker beunruhigen dürfte. Ungeachtet des übergeordnet positiven Konjunkturausblicks sehen wir daher bei Risikoassets nach wie vor die Gefahr eines temporären Rückschlags. Die sicheren Häfen sollten in diesem Umfeld zunächst gut unterstützt bleiben.

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