Analyse
10. Mai 2019

Investment Insight Mai 2019

Trotz bester Arbeitsmarktdaten geben die Einkaufsmanagerindikatoren in den USA spürbar nach. China und Europa dagegen stehen vor einer Erholung. In der zweiten Jahreshälfte könnte Europa die USA sogar beim Wachstum einholen.

Die US-Wirtschaft bleibt auch zu Beginn des 2. Quartals auf stabilem Wachstumskurs – das ist die Botschaft des April-Arbeitsmarktberichts. Mit 263.000 übertraf die Zahl der neu geschaffenen Stellen die Konsensuserwartung von 190.000 deutlich. Der mittelfristige Trend der Stellenschaffungen liegt mit gut 200.000 weiterhin auf einem sehr robusten Niveau. Das sind rund doppelt so viele Stellen wie gebraucht werden, um allen neu auf den Arbeitsmarkt drängenden US-Bürgern einen Job zu bieten. Zudem rutschte die Arbeitslosenquote überraschend von 3,8% auf 3,6% ab und markierte einen neuen 49-jährigen Tiefststand! Da konnten auch eine leicht rückläufige Erwerbsquote und nur moderate Lohnsteigerungen das gute Bild nicht trüben.

Grösseren Anlass zur Sorge bereitet jedoch die jüngste Entwicklung der Einkaufsmanagerindikatoren. Sie bestätigen unsere skeptische Sicht auf die Konjunkturperspektiven für die kommenden Quartale. Der prominente Industrie-ISM verschlechterte sich mit 52,8 nach 55,3 Punkten deutlich und sackte damit auf ein neues 2½-jähriges Tief ab. Auch das Pendant für die Service- und Bausektoren überraschte mit einem erneuten Rückgang (55,5 nach 56,1 Punkten). Vor allem der immer klarer sichtbare Abwärtstrend beim Industrieindex ist ein ernst zu nehmendes Warnsignal. Wenn die Investitionsnachfrage der Unternehmen an Schwung verliert, wird auch der Arbeitsmarkt unter Druck geraten und die Dynamik bei den Stellenschaffungen nachlassen. Unsere Frühindikatoren deuten darauf hin, dass sich die Abwärtsbewegung der wichtigen Konjunkturbarometer in den kommenden Monaten fortsetzen wird. Wir halten entsprechend an unserer Prognose einer merklichen Wachstumsverlangsamung in den USA im 2. Halbjahr fest.

Ähnlich wie in den USA gingen auch in China im April die Einkaufsmanagerindikatoren zurück. Sowohl der Industrieindex des Statistikamtes (50,1 nach 50,5 Punkten) als auch das Pendant von Markit (50,2 nach 50,8 Punkten) gaben erkennbar nach. Anders als in den USA ist das jedoch unbedenklich. Einmal mehr dürften die saisonalen Schwankungen nach dem Neujahrsfest für Verzerrungen gesorgt haben. Nachdem der März von der diesjährigen Lage der Feiertage begünstigt wurde, war eine technische Gegenbewegung unvermeidlich. Im März hatte der Markit-EMI mit 1,6 Punkten so kräftig wie seit knapp drei Jahren nicht mehr zugelegt, beim EMI des Statistikamtes war es mit +1,3 Punkten sogar das stärkste Plus seit sieben Jahren. Vor diesem Hintergrund sind die April-Rückgänge (-0,6 bzw. -0,4 Punkte) problemlos zu verschmerzen. Die jüngste Aufwärtsbewegung wird dadurch nicht infrage gestellt.

Gleichzeitig deutet in China alles auf eine Fortsetzung des Besserungstrends hin. Die bisher ergriffenen staatlichen Anschubmassnahmen entfalten ihre Wirkung üblicherweise erst mit einer Verzögerung von einem bis mehreren Quartalen. Allein die moderaten geldpolitischen Lockerungen (Mindestreservesatzsenkung um zusammen 3,5%-Punkte in den zurückliegenden zwölf Monaten), die bereits einen merklichen Zinsrückgang begünstigt haben, dürften noch bis zum Jahresende stimulieren. Hinzu kommen weitere Stützungsmassnahmen wie die Senkung der Mehrwertsteuer und der Sozialversicherungsbeiträge. Dank dieser zusätzlichen Impulse sollten die EMIs in den kommenden Monaten weiter nach oben tendieren.

Die Konjunktur- und Inflationsdaten der Eurozone haben in den vergangenen Tagen in der Mehrzahl positiv überrascht. Mit einem Wachstum von +0,4% (auf das Jahr hochgerechnet +1,5%) ist die Wirtschaft der Eurozone weit von einer Rezession entfernt. Dies bestätigte auch der Rückgang der Arbeitslosenquote auf den tiefsten Stand seit mehr als zehn Jahren (März: 7,7% nach 7,8% im Februar).

Das BIP-Plus von 0,4% lag über den Erwartungen des Konsensus (+0,3%) und fiel überdies deutlich dynamischer aus als in den zwei Vorquartalen. Allerdings signalisiert das beschleunigte Wachstum noch keine neue konjunkturelle Belebung. Es handelt sich vor allem um eine Gegenbewegung zum schwachen 2. Halbjahr 2018, das unter einem trüben weltwirtschaftlichen Umfeld litt und zudem von Sonderfaktoren belastet wurde. An erster Stelle sind die Schwierigkeiten mit den neuen Abgastests (WLTP) zu nennen, die die Fahrzeugproduktion und den PKW-Absatz gedrückt haben. Im 1. Quartal 2019 schnellten die PKW-Zulassungen wieder in die Höhe (+7,4% nach -11,4%, jeweils im Vergleich zum Vorquartal). Dies hat zu Jahresbeginn entsprechend den privaten Verbrauch stimuliert, der zusätzlich von den rückläufigen Inflationsraten und dem warmen Wetter gestützt wurde. Das Wetter sorgte überdies für einen Schub bei den Bauinvestitionen.

Innerhalb der Eurozone stellt nach wie vor Spanien ein Wachstumszentrum dar. Mit +0,7% lag der BIP-Zuwachs hier erneut deutlich über dem Mittelwert der Währungsunion. Zu den Erfolgsfaktoren der Spanier gehören die anhaltend kräftige Arbeitsmarkterholung (das Beschäftigungswachstum beträgt seit Ende 2014 mehr als 2,0% p.a.), die in den vergangenen Jahren gestiegene Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und der Aufholprozess am Immobilienmarkt. Ausserdem leidet Spanien kaum unter den negativen Effekten des Brexits und der schwächelnden Nachfrage aus China. Der Grund: Spanien hat mit einem Anteil der Exporte am BIP von 32% nach wie vor eine relativ niedrige Exportquote und einen geringen Aussenhandel mit China. Frankreich legte erwartungsgemäss mit 0,3% ein solides BIP-Ergebnis im 1. Quartal vor. Italien schliesslich überraschte mit einem BIP-Anstieg um 0,2% positiv.

Im 2. Quartal ist noch einmal mit einer kleinen Wachstumsdelle zu rechnen. Ab dem Sommer sollten sich dann endgültig die positiven Spillover-Effekte aus China bemerkbar machen. Das wieder anziehende Kreditwachstum im Reich der Mitte kündigt bereits eine zyklische Erholung in der zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt an. Mit einer Verzögerung von einigen Monaten werden sich die Impulse aus Asien auf die Wirtschaft der Währungsunion übertragen. Allen voran Deutschland dürfte davon profitieren. Wir gehen daher davon aus, dass das BIP-Wachstum der Eurozone bis zum Jahresende in Richtung 0,5% bis 0,6% pro Quartal anzieht.

Die positiven Konjunkturdaten brachten die Kurse der Anleihen unter Druck. Die Bund-Renditen (10 Jahre) stiegen wieder über die Nulllinie. Anders als die sicheren Häfen bekamen die Aktienmärkte Rückenwind vom erfreulichen konjunkturellen Datenflow. Zu den Gewinnern zählte nicht zuletzt der DAX, der seit Beginn des 2. Quartals weltweit zu den Outperformern gehört und zuletzt in den Zuwachsraten den Eurostoxx50 und den S&P500 überflügelte. In den USA dagegen kamen die jüngsten Kommentare der Fed ernüchternd an. Wir sehen uns durch die jüngste Entwicklung in einer zentralen Einschätzung bestätigt: Die europäischen Aktien­märkte dürften in diesem Jahr besser abschneiden als die US-Börsen.

Der deutliche Wachstumsvorsprung, den die US-Wirtschaft gegenüber der Eurozone 2018 innehatte, sollte Ende 2019 zusammengeschmolzen sein. Eine solche gegenläufige Entwicklung im Konjunkturtrend der USA und der Eurozone ist auch in der Vergangenheit immer wieder aufgetreten und blieb an den Finanzmärkten nicht ohne Auswirkungen. In der Konsequenz rechnen wir in diesem Jahr für die US-Aktienmärkte lediglich mit einer Seitwärtsbewegung. Die europäischen Börsen sollten demgegenüber vom heutigen Niveau aus noch deutlich zulegen.

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