Analyse
5. Juli 2019

Investment Insight Juli 2019

Die amerikanische Konjunktur zeigt Bremsspuren. Für Europa signalisieren weit vorlaufende Indikatoren dagegen einen Aufschwung. Voraussetzung: Der jüngste Waffenstillstand im Handelskonflikt hält.

Boeing sorgt für Bremsspuren: Die US-Auftragseingänge langlebiger Güter gingen im Mai um -1,3% zurück. Grund ist die Flaute beim Flugzeughersteller, der im zweiten Monat in Folge faktisch keine neuen Bestellungen erhielt. Immerhin wies die Kernreihe der Orders (zivile Kapitalgüter ohne Flugzeuge) ein Plus von 0,4% aus. Aber dennoch zeigt der übergeordnete Trend nach unten. Nach dem Einschwenken der Orders im 2. Halbjahr 2018 in eine Seitwärtsbewegung hat sich ein Abwärtstrend herausgebildet. Der Mai-Anstieg ändert daran nichts, sondern ist im Wesentlichen als vorübergehendes Luftholen zu werten.

Die jüngsten Geschäftsklima- und Einkaufsmanagerumfragen deuten darauf hin, dass sich die Schwächephase in den kommenden Monaten fortsetzt. Unsere noch weiter vorauslaufenden eigenen Frühindikatoren zeigen an, dass dafür primär nicht die gestiegene Verunsicherung im Handelskonflikt verantwortlich ist. Vielmehr hat sich durch die ausklingenden Fiskalstimuli und die verschlechterten Finanzierungskonditionen das fundamentale Umfeld ganz grundsätzlich eingetrübt. Mit einer Wende zum Besseren ist frühestens zum Jahreswechsel zu rechnen.

Signale einer nachlassenden US-Konjunkturdynamik kamen in der vergangenen Woche aber nicht nur von der Industrie, sondern auch von den Konsumenten. Der Verbrauchervertrauensindikator des Wirtschaftsforschungsinstituts Conference Board sackte von 131,3 auf 121,5 Punkte ab. Damit ist immer deutlicher zu erkennen, dass die lange Jahre dominierende Phase einer stets weiter steigenden Zuversicht der privaten US-Haushalte inzwischen ausläuft. Verantwortlich für den nicht weiter zunehmenden Optimismus ist offensichtlich der nachlassende Schwung am Arbeitsmarkt. Hier sind die Bürger den neusten Umfragen zufolge pessimistischer geworden. Alles in allem sehen wir uns daher in unserem skeptischen US-Konjunkturausblick bestätigt. Auch bei abklingendem Handelsstreit dürfte sich das Wirtschaftswachstum im 2. Halbjahr abschwächen. Eine Wiederbelebung ist frühestens Anfang 2020 zu erwarten.

Donald Trumps Zollattacken haben auch in den deutschen Konjunkturbarometern die befürchteten Bremsspuren hinterlassen. Der IFO-Index verbuchte im Juni den neunten Rückgang innerhalb von zehn Monaten und rutschte mit 97,4 nach 97,9 Punkten auf einen neuen 4½-jährigen Tiefststand. Beim Blick auf die einzelnen Branchen sticht der Fahrzeugbau negativ hervor. Hier sackte der Erwartungsindex von -19,3 auf -22,8 Punkte ab und markierte ein neues 6½-Jahres-Tief.

Ungeachtet des jüngsten Rückschlags in den Geschäftsklimaindikatoren sind die Perspektiven für die kommenden Monate aber gar nicht so schlecht. So wurde beim vorauslaufenden IFO-Erwartungsindex im Juni kein neuer Minusrekord aufgestellt. Auch die Einkaufsmanagerindikatoren haben sich in den vergangenen Monaten auf tiefem Niveau stabilisiert. Der Composite-EMI für Deutschland war schon im April und Mai angestiegen und konnte sich im Juni trotz der neusten Trump’schen Zolltiraden auf dem zweithöchsten Wert dieses Jahres bei 52,6 Punkten behaupten.

Wenn sich eine Beruhigung im Handelsstreits abzeichnet, werden die Ampeln in der Eurozone eindeutig auf Aufschwung springen. Dafür sprechen die Finanzierungskonditionen mit gesunkenen Zinsen und Risikoaufschlägen, aber auch die verbesserten monetären Rahmenbedingungen. Eine Erholung dürfte von aussenwirtschaftlicher Seite durch eine konjunkturelle Belebung in China getragen werden. Hinzu kommen binnenwirtschaftliche Auftriebskräfte. Unter anderem wird der private Konsum vom anziehenden Lohnwachstum und von staatlichen Stimuli profitieren.

Frankreich ist weniger stark von Zollkonflikten betroffen als Deutschland. Darüber hinaus sind jenseits des Rheins die Belastungen durch die Gelbwestenproteste inzwischen verdaut und die stimulierenden Massnahmen der Regierung Macron (u.a. Steuersenkungen) entfalten mehr und mehr die gewünschte Anschubwirkung. Bei den Verbrauchern kehrt das Vertrauen in die Tragfähigkeit des Aufschwungs zurück, was für eine Wiederbelebung des zum Jahreswechsel eingebrochenen privaten Konsums spricht. Laut Statistikamt kletterte die Konsumentenstimmung im Juni mit 101,0 Punkten (nach 99,0 Punkten) auf den höchsten Stand seit über einem Jahr. Hauptprofiteure von dieser Erholung sind vor allem die konsumnahen Dienstleistungsunternehmen.

Richtet man den Blick auf die Finanzmärkte, schwankten die Investoren in der Woche vor dem lange erwarteten Trump-Xi-Treffen zwischen Hoffen und Bangen. Europäische Aktien zogen moderat an, US-Aktien tendierten seitwärts, nicht zuletzt, weil Fed-Präsident Jerome Powell die Hoffnung auf eine »grosse« Leitzinssenkung im Juli um 50 Bp nicht anfachte. Die tiefen Realzinsen liessen den Goldpreis zwischenzeitlich mit rund 1.440 USD/Feinunze auf einen 6-jährigen Höchststand klettern. Gold profitierte zudem von der anhaltenden wirtschaftlichen Unsicherheit infolge des Handelskonflikts. Das zeigt der Gleichlauf des Goldpreises mit dem sogenannten Policy Uncertainty Index, der unter anderem auf der Auswertung von Zeitungsartikeln und der Prognosestreuung von Analysten basiert.

Wir erwarten, dass der grundlegende Kampf um die globale Technologieführerschaft die Streitparteien zwar noch für lange Zeit von einer echten Lösung des Konflikts abhalten wird. Gleichwohl gilt für uns unverändert als wahrscheinlichstes Szenario, dass es wegen der drohenden wirtschaftlichen Kollateralschäden zumindest zu einer gewissen Annäherung bzw. Deeskalation kommt. Den am vergangenen Wochenende verkündeten Waffenstillstand werten wir als wichtigen Schritt in diese Richtung. Unter diesen Voraussetzungen sollte mit aussenwirtschaftlichem Rückenwind und stärkeren binnenwirtschaftlichen Auftriebskräften das Wachstum in der Eurozone wieder anziehen.

Der Abwärtstrend in den Konjunkturbarometern wird entsprechend zum Ende kommen. Unsere weit vorauslaufenden Frühindikatoren kündigen eine Erholung an, die bis ins nächste Jahr hinein tragen sollte. Im Einklang mit diesem positiven Konjunkturausblick halten wir auch an unserer positiven Einschätzung für europäische Aktien fest. Der DAX sollte entsprechend 2020 seine bisherigen Allzeithöchststände erneut in Angriff nehmen. Die sicheren Häfen sehen wir im Gegenzug unter Druck. Die Renditen 10-jähriger deutscher Bundesan­leihen dürften zum Jahresende wieder in den positiven Bereich zurückkehren.

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