Analyse
5. April 2019

Investment Insight April 2019

Die aktuelle Schwäche der deutschen Industrie erinnert fast schon an die Finanzkrise. Aber der stabile Dienstleistungssektor, eine weltwirtschaftliche Belebung und die Geldpolitik wecken Hoffnungen auf ein besseres 2. Halbjahr 2019.

Die US-Wirtschaft ist mit uneinheitlichen Signalen in das Jahr 2019 gestartet. Auf der einen Seite überraschte das Aussenhandelsdefizit für Januar mit einem deutlichen Rückgang. Ein Anstieg der Ausfuhren um 0,9% (nach -1,9%) und ein gleichzeitiger Rückgang der Einfuhren um 2,6% (nach +2,1%) liessen den Fehlbetrag von 59,9 Mrd. USD auf 51,1 Mrd. USD schrumpfen. Damit wächst die Wahrscheinlichkeit, dass der Aussenhandel das Expansionstempo nicht gedämpft hat. Diese erfreuliche Entwicklung wurde jedoch durch den privaten Konsum konterkariert. Auf den Einbruch im Dezember (-0,6%) folgte nur eine bescheidene Gegenbewegung (+0,1%). Das Konsumwachstum dürfte entsprechend im 1. Quartal mit knapp +1,0% (annualisiert gegenüber dem Vorquartal) nur rund halb so gross ausfallen wie bisher angenommen. Alles in allem rechnen wir daher beim BIP-Wachstum des 1. Quartals lediglich mit einem Plus von rund 1,5%.

Negativ überraschte zuletzt auch der Verbrauchervertrauensindex des Conference Board für März. Er gab von 131,4 auf 124,1 Punkte nach. Selbst wenn er sich im April wieder etwas erholen dürfte, ist übergeordnet ein Ende des langjährigen Aufwärtstrends und ein Einschwenken in eine Seitwärtsbewegung unverkennbar. Wir sehen darin einen weiteren Beleg für unsere Einschätzung, wonach sich das Wirtschaftswachstum 2019 abschwächt. Einen scharfen Einbruch halten wir jedoch für unwahrscheinlich – nicht zuletzt, weil der jüngste Regimewechsel der Fed eine weitere Verbesserung der Finanzierungskonditionen nach sich gezogen hat.

In Deutschland war die wirtschaftliche Entwicklung selten so gespalten wie derzeit: Das Baugewerbe floriert und der Servicesektor wächst solide, aber die Industrie befindet sich in ihrer schwersten Krise seit zehn Jahren. Dies hat sich bereits 2018 in den Wachstumsraten der Sektoren bemerkbar gemacht. So stürzte das Expansionstempo der Industrie zwischen dem 4. Quartal 2017 und dem 4. Quartal 2018 von +5,4% auf -2,0% ab (Wachstumsraten jeweils im Vorjahresvergleich). Dem stand in den Dienstleistungssektoren eine lediglich moderate Abschwächung von +2,2% auf +1,4% und im Bausektor sogar eine Beschleunigung von +0,7% auf +2,2% gegenüber.

Zu Jahresbeginn hat sich die Tendenz sogar noch verschärft. Das belegt die Einkaufsmanagerumfrage vom März. Der EMI des verarbeitenden Gewerbes brach auf ein 6-Jahres-Tief ein (44,1 nach 47,6 Punkten), die Auftragskomponente landete sogar auf dem niedrigsten Niveau seit zehn Jahren (39,3 Punkte). Der rasante Abwärtstrend erinnert an die Finanzkrise von 2008/2009 und entspricht einer »Industrierezession«. Der Service-EMI dagegen setzte seine Seitwärtsbewegung fort (54,9 nach 55,3 Punkten). In der IFO-Umfrage trübte sich im März ebenfalls das Geschäftsklima der Industrie ein – zum 13. Mal in den vergangenen 14 Monaten. Auch hier koppelte sich das Dienstleistungsgewerbe ab und erholte sich vom Rücksetzer im Februar. Die Belebung im IFO-Barometer des Servicesektors fiel im März sogar so kräftig aus, dass der Rückschlag im verarbeitenden Gewerbe komplett wettgemacht wurde und der IFO-Gesamtindex zum ersten Mal seit sechs Monaten wieder zulegte (99,6 nach 98,5 Punkten).

Dennoch: Der besorgniserregende Abwärtstrend im verarbeitenden Gewerbe beschwört Rezessionsgefahren in der gesamten Wirtschaft herauf. Die Industrieunternehmen begründen ihre miese Stimmung mit der anhaltenden Nachfrageschwäche in Asien, Verunsicherungen durch den Handelskrieg bzw. den Brexit sowie mit den Schwierigkeiten im Fahrzeugbau. Deutschland bekommt jetzt die Kehrseite der starken Spezialisierung auf den Automobilsektor zu spüren. Die Branche leidet unter der weltwirtschaftlichen Abkühlung, aber auch unter zahlreichen weiteren Baustellen (Dieselskandal, WLTP-Abgastests, technologischer Wandel, Kartellvorwürfe, Zolldrohungen etc.).

 

Innerhalb der letzten zehn Jahre hat sich der Wertschöpfungsanteil des Fahrzeugbaus am verarbeitenden Gewerbe von 13% auf über 20% erhöht – nicht zuletzt dank der Absatzerfolge in China. Die Autoindustrie ist damit vor dem Maschinenbau (15%) zum grössten Industriezweig Deutschlands aufgestiegen. Die Geschäftserwartungen der Elektrotechnik und des Metallgewerbes sind als »Nachbarsektoren« zuletzt ebenfalls stark unter die Räder gekommen. Der Abschwung des Fahrzeugbaus trifft Deutschland daher besonders hart. In anderen Euroländern geht es im verarbeitenden Gewerbe nicht ganz so steil abwärts.

Anders als während der Finanzkrise sehen wir die Abschwächung der Industrie aber nicht als Vorbote einer Rezession. Das weltwirtschaftliche Umfeld dürfte sich in den nächsten Monaten erholen. Dafür gibt es mehrere Gründe. Die chinesische Regierung hat zahlreiche Stimuli lanciert, die der einheimischen Wirtschaft mehr Wachstum bringen sollen. Zudem zeichnet sich im Handelsstreit mit den USA eine Kompromisslösung ab. Schliesslich deutet sich trotz allem Chaos auch beim Handel mit dem Vereinigten Königreich ein »unternehmensfreundlicher« Ausgang an. Es spricht zumindest viel dafür, dass Grossbritannien für längere Zeit in der Zollunion oder sogar im Binnenmarkt bleiben wird.

Eine weltwirtschaftliche Belebung signalisiert auch einer unserer wichtigsten Frühindikatoren: das Global Growth Momentum. Der Indikator hat zuletzt klar nach oben gedreht. Die deutsche Industrieproduktion sollte entsprechend im Laufe des Jahres wieder Fahrt aufnehmen. Den binnenorientierten Sektoren droht ohnehin wenig Ansteckungsgefahr. So befindet sich der Immobilienmarkt in einem Superzyklus und wird von Faktoren gestützt, die nicht so schnell abebben dürften (Niedrigzinsumfeld, Nachholeffekte, Anlagenotstand etc.). Der Dienstleistungssektor erhält Impulse durch das kräftige Einkommenswachstum bei den Privathaushalten. Schliesslich erzeugt der Staat durch kräftige Ausgabensteigerungen (Mütterrente, Pflegestärkungsgesetz, Kita-Ausbau, Digitalpakt etc.) Rückenwind. Deshalb gehen wir davon aus, dass sich das Expansionstempo in Deutschland nach der Stagnation im 2. Halbjahr 2018 erholt. Das Wachstum pro Quartal sollte in Richtung 0,4% bis 0,5% steigen. Im Jahresdurchschnitt dürfte das Wachstum aufgrund der niedrigen Ausgangsbasis aber nur 1,0% erreichen (nach 1,4% 2018 und 2,5% 2017).

Die Notenbanken beflügelten zuletzt die Anleihenmärkte. Derzeit verspricht die EZB, am aktuellen Leitzinsniveau noch mindestens bis Ende 2019 festzuhalten. Einige Notenbanker liessen jedoch durchblicken, dass die Forward Guidance ohne Probleme noch bis ins Jahr 2020 verschoben werden könnte. Das Nachdenken über die Einführung eines gestaffelten Systems an Strafzinsen wird gar als Vorbereitung für noch tiefere Leitzinsen interpretiert. Nach diesen EZB-Aussagen rutschten die Renditen von Bundesanleihen weiter ab. Bei 30-jährigen Laufzeiten sanken die Renditen zwischenzeitlich auf +0,51% und rentierten damit 30 Bp tiefer als Anfang März. Die Investoren sichern sich hier die letzten positiven Renditen am deutschen Anleihenmarkt.

Die Aktienmärkte freuten sich ebenfalls über die geldpolitische Schützenhilfe und verbuchten moderate Kursgewinne. Wir gehen in unserem Basisszenario davon aus, dass sich die wirtschaftliche Lage im Laufe des Jahres stabilisiert – mithin sollten sich die Befürchtungen der Notenbanken nicht bewahrheiten. Infolgedessen schliesst sich das Fenster für nochmalige Rückschläge bei Risikoassets. Gleichzeitig dürften die Anleihenmärkte zunehmend unter Druck geraten. Die Folge sind steigende Renditen, mit denen wir im 2. Halbjahr 2019 rechnen. 10-jährige Bundrenditen sollten dann auf deutlich über +0,50% zulegen.

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