Analyse
21. Mai 2019

Ertragsstrategie bei steigenden Zinsen: Merger Arbitrage

Der niedrige Zinsertrag fehlt institutionellen Investoren nicht nur im Ergebnis, sondern auch als Puffer für potenzielle Kursverluste in den Anleihenportfolios. Alternative Strategien sind hier immer dann eine sinnvolle Ergänzung zum Anleihenportfolio, wenn sie ihren Ertrag unabhängig vom Zinsniveau erzielen. Zu diesen Strategien gehört der Merger-Arbitrage-Ansatz, eine der ältesten alternativen Aktienstrategien, die in Deutschland jedoch nach wie vor wenig bekannt ist. Merger Arbitrage zeichnet sich durch ein attraktives, anleihenähnliches Chance-Risiko-Profil mit tiefer Volatilität aus. Der Ansatz hat eine geringe Korrelation zu traditionellen Anlagen und eignet sich damit ideal sowohl als Einzelstrategie als auch in gemischten Portfolios als Diversifikator.

Vorstände auf Einkaufstour

Unternehmen sind weltweit weiterhin in Einkaufslaune und das Übernahmekarussell dreht sich ohne Pause. CEOs setzen derzeit so viel Hoffnung in Fusionen und Übernahmen (M&A) wie schon lange nicht mehr. So steigt das globale M&A-Volumen weiter rasant, zum Jahresende 2018 war die magische Schwelle von 5 Billionen US-Dollar erneut übertroffen. Am stärksten ist diese Entwicklung in den USA zu beobachten: an Transaktionen wie der Übernahme von Celgene durch Bristol-Myers Squibb mit einem Volumen von 75 Milliarden US-Dollar, dem Übernahmepoker um Anadarko Petroleum, wo es um 55 Milliarden US-Dollar geht, und der Übernahme von Red Hat durch IBM mit einem Volumen von 32 Milliarden US-Dollar.

Eine rege M&A-Aktivität ist nicht untypisch für die Endphase eines Konjunkturzyklus: Nach der mehrjährigen Aufschwungphase sitzen Unternehmen auf Überschussliquidität und organisches Wachstum wird schwieriger, was CEOs auf anorganische Wachstumspfade treibt. Das Niedrigzins-umfeld macht die langfristige Finanzierung von Transaktionen attraktiv und Unternehmen wollen die anstehende Konsolidierung mit Rivalen vorantreiben, bevor der Zyklus endet. Der alternative Ansatz Merger Arbitrage hat das Ziel, von genau diesen einschneidenden Ereignissen zu profitieren.

Beim Merger-Arbitrage-Ansatz versuchen spezialisierte Fondsmanager, Kursunterschiede auszunutzen, die bei öffentlich angekündigten M&A-Transaktionen entstehen, und damit ein marktneutrales Portfolio mit einem anleihenähnlichen Ertragsprofil zu erreichen. Deshalb ist die Aktienstrategie in einem Niedrigzinsumfeld eine interessante Variante für Anleger, die nach alternativen, stetigen Renditequellen im Portfolio suchen, sich aber gleichzeitig vor Volatilität und dem mittelfristig bevorstehenden Zinsanstieg schützen wollen. Warren Buffetts Unternehmen Berkshire Hathaway macht es vor. Die Investmentgesellschaft des Altmeisters ist aktuell sowohl an dem IBM/Red Hat-Deal als auch an der Übernahme von Anadarko durch Occidental beteiligt und demnach bei zwei der sechs aktuell grössten M&A-Transaktionen in den USA investiert. Dies ist ein Ausdruck dafür, dass auch die Spezialisten im Team des Grossinvestors in stürmischen Zeiten zunehmend auf marktunabhängige Renditequellen bauen.

Einfaches Prinzip der Strategie

Der Merger-Arbitrage-Ansatz basiert auf der Ausnutzung von strukturellen Preisineffizienzen während Übernahmen: Nach der Abgabe eines offiziellen Übernahmeangebots für ein Unternehmen steigt der Kurs des Übernahmeziels in der Regel stark, aber nicht gleich bis zum gebotenen Übernahmepreis. Die Differenz umfasst das Risiko, dass die Transaktion nicht erfolgreich abgeschlossen wird. Merger-Arbitrage-Spezialisten analysieren dieses Risiko detailliert und kaufen die Aktien des Zielunternehmens, sofern sie zu dem Schluss kommen, dass die Übernahme nach Plan erfolgen wird. Danach ernten sie stückweise die damit verbundene Risikoprämie, sobald der Aktienkurs des Übernahmeziels sich dem Übernahmepreis nähert. Der Kurs hängt zu diesem Zeitpunkt nahezu ausschliesslich vom Zustandekommen der Transaktion ab und ist in der Regel unabhängig von der Richtung des Aktienmarktes sowie dessen Volatilität.

Idealtypischer Ablauf einer Merger-Arbitrage-Transaktion

Unterstützt wird die Wirksamkeit der Strategie von der Verhaltenslogik der Marktteilnehmer: Nach der Ankündigung einer Übernahme sind die meisten Marktteilnehmer in der Regel daran interessiert, die hohen Gewinne aus der ersten Kursbewegung nach dem Übernahmeangebot sofort zu realisieren. Dieser natürliche Verkaufsdruck auf die Aktien des Übernahmeziels hilft, die zu erntende Arbitrageprämie zu vergrössern (siehe Grafik). Aufgrund der binären Natur einzelner voneinander unabhängiger Merger-Arbitrage-Situationen in einem Portfolio lässt sich das zugrunde liegende unsystematische Risiko der Transaktionen dann gut diversifizieren.

Wesentlicher Risikotreiber für das Ernten der Arbitrageprämie ist der erfolgreiche Abschluss der M&A-Transaktion. Ähnlich wie bei Anleihen gilt es, Ausreisser nach unten zu vermeiden. Darüber hinaus müssen Transaktionen sorgfältig ausgewählt werden. Die im Spätsommer 2018 geplatzte Übernahme des Halbleiterspezialisten NXP durch den US-Chiphersteller Qualcomm mit einem Volumen von 44 Milliarden US-Dollar ist ein Paradebeispiel für zu vermeidende Transaktionen. Dort bestand das wesentliche Risiko der Übernahme in der noch ausstehenden Freigabe durch die kritischen chinesischen Wettbewerbsbehörden – eine essenzielle Hürde, die im sich zuspitzenden Handelskonflikt zwischen den USA und China nicht genommen werden konnte, aber durchaus kalkulierbar war.

Nachrichten zu wesentlichen Meilensteinen einer Transaktion entscheiden nahezu ausschliesslich über den Kursverlauf während einer Transaktion. Deshalb hat der Ansatz nur eine geringe Korrelation zum breiten Aktien- und Anleihenmarkt. Idealerweise wird die risikoarme Merger-Arbitrage-Strategie daher flexibel als Renditebaustein mit anderen ereignisorientierten Strategien kombiniert und dann insbesondere in einem schwächelnden Konjunktur- und Aktienmarktumfeld übergewichtet. So kann in jeder Zyklusphase das ideale Merger-Arbitrage-Exposure aufgebaut werden.

Komplexität als Renditetreiber

Je komplexer eine M&A-Transaktion ist oder je weniger sie beachtet wird, desto grösser ist in der Regel die Ineffizienz und damit die zu erntende Arbitrageprämie. Weniger beachtete Situationen, zum Beispiel im Mid-Cap-Bereich, bieten in der Regel höhere Prämien für die Inkaufnahme eines ähnlichen Risikos. Die Transaktionskomplexität orientiert sich an einer Pyramide: Am Fuss stehen die freundlichen und strategischen Fusionen mit geringen Prämien. Diese Situationen hat nahezu jeder Fondsmanager gerne in seinem Portfolio, einschliesslich der Long-only-Fondsmanager. Weiter oben in Richtung Pyramidenspitze nimmt die Komplexität zu, während weniger Marktteilnehmer die Transaktionen beobachten. Im komplexeren Bereich liegen die realisierbaren Renditen pro Transaktion statt im tiefen einstelligen dann oft im zweistelligen Prozentbereich. Komplexere Deals bieten Merger-Arbitrage-Managern oft das interessantere Chance-Risiko-Profil und geringeres absolutes Verlustpotenzial. Für solche Deals wird allerdings stets Spezialisten-Know-how benötigt, welches die meisten Fondsmanager breit gestreuter Aktienfonds nicht vorweisen können, weshalb sie bei solchen Transaktionen oft gezwungenermassen an der Seitenlinie verharren müssen.

Geringe Duration als Vorteil

M&A-Transaktionen dauern von der Ankündigung bis zum Abschluss in der Regel drei bis 18 Monate. In dieser Zeit bieten sich den Merger-Arbitrage-Spezialisten unterschiedliche Zeitpunkte für ein Engagement im Zielunternehmen. Der Portfolioumschlag der Merger-Arbitrage-Strategie ist daher hoch. In der Anleihensprache hat ein solches Portfolio eine niedrige Duration und kann schnell auf Veränderungen des Zinsniveaus sowie der Arbitrageprämienspanne reagieren. Eine Erhöhung der Leitzinsen wirkt sich prinzipiell sehr positiv auf die erzielbaren Prämien aus, da die absolute Höhe des risikolosen Zinssatzes die Arbitrageprämien direkt steuert. Insbesondere in einem Spätzyklus mit potenziell steigenden Zinsen überwiegen deshalb die Vorteile von Merger Arbitrage gegenüber vielen klassischen Anleihenstrategien als Diversifikationsinstrument für ein traditionelles Portfolio.

Fazit: Aufgrund seiner besonderen Eigenschaften ist Merger Arbitrage ein hochinteressanter Renditebaustein für Anleger, um im aktuellen Niedrigzinsumfeld mit der Aussicht auf eine Normalisierung der Notenbankenpolitik ihre Portfolios zu stabilisieren. Der Ansatz vereint das Ziel attraktiver Renditen mit geringer Volatilität. Die Zahl der M&A-Aktivitäten sollte weiterhin hoch bleiben, was grosses Potenzial für Anleger bedeutet. Dafür sprechen niedrige Fremdkapitalkosten bei Bartransaktionen, hohe Aktienbewertungen bei Aktientransaktionen und unterdurchschnittliche Wirtschaftswachstumsraten. Am besten wird der Ansatz als Baustein im Rahmen einer breiteren ereignisorientierten Aktienstrategie eingesetzt, damit das Portfolio-Exposure in Abhängigkeit von der Phase im Konjunkturzyklus gesteuert werden kann.

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