Analyse
11. Juni 2018

Investment Insight Juni 2018

Donald Trump sucht Handelsstreit mit aller Welt und in Italien bleibt es turbulent: Die Weltkonjunktur dürfte von diesen Belastungsfaktoren beeinträchtigt werden. Für das 2. Halbjahr 2018 ist eine Verlangsamung des Wachstums abzusehen. Die Finanzmärkte haben den Ernstfall bereits geprobt.

Bereits vor der jüngsten Zuspitzung der Handelsstreitigkeiten mit den USA und dem italienischen Possenspiel hat sich das konjunkturelle Momentum der Eurozone verlangsamt. Dies zeigt sich am deutlichsten im Einkaufsmanagerindex der Industrie. Er ist zwischen Dezember 2017 und Mai 2018 von 60,6 auf 55,5 Punkte gefallen. Das Geschäftsklima der Eurozone hat sich zwar nicht ganz so stark eingetrübt. Dennoch zeigt auch hier der Trend eindeutig nach unten. Eine wesentliche Ursache der konjunkturellen Abkühlung ist die nachlassende Auslandsnachfrage. Dies spiegelt sich unter anderem in der Exportkomponente des Einkaufsmanagerindex wider, die in den vergangenen Monaten noch stärker als der Gesamtindex fiel. Die Verschärfung des Handelsstreits mit den USA wird diesen Trend aller Voraussicht nach verstärken. Mit der Verhängung von Strafzöllen auf Stahl- und Aluminiumimporte (25% bzw. 10%) aus der EU haben die USA den ersten Schritt getan.

Die allein daraus resultierenden Effekte sind zwar gering, aber eine Ausweitung des Handelskonfliktes wird immer wahrscheinlicher. Die EU hat bereits Vergeltung angekündigt. Im Gegenzug könnten die USA Fahrzeugimporte mit Schutzzöllen von 27,5% belegen. In der Währungsunion wären davon Güterexporte im Wert von knapp 40 Mrd. EUR betroffen (= 0,35% des BIP der Eurozone). Ein Grossteil davon stammt aus Deutschland (28 Mrd. EUR = 0,9% des deutschen BIP). Geht man davon aus, dass die möglichen Strafzölle die Exporte um 30% zurückdrängen, würde das deutsche BIP-Wachstum allein dadurch um 0,25% belastet. In der Slowakei wären es sogar 0,5% und in Italien und im Durchschnitt der Eurozone um 0,1%.

Dabei handelt es sich aber nur um den Erstrundeneffekt. Die tatsächlichen Auswirkungen wären grösser. Denn Produktionsrückgänge im Fahrzeugbau würden auch auf andere Branchen ausstrahlen und generell das Konsum- und Investitionsklima belasten. Insgesamt würde das BIP der Eurozone wohl um mehrere Zehntel nach unten gedrückt. Ohnehin aber sollte sich das Wachstum laut unserer Prognose bis Anfang 2019 von derzeit 2,5% in Richtung 1,5% bis 2,0% abkühlen. Zusätzlich dürfte sich die italienische Regierungskrise im Sentiment der Unter­nehmen negativ niederschlagen. Setzen die neuen Machthaber weiter auf Konfrontation mit Brüssel, ist Italien direkt auf dem Weg in die Stagnation.

Positiver als in der Eurozone präsentiert sich die wirtschaftliche Lage aktuell in China. Die chinesischen Einkaufsmanagerindikatoren entwickelten sich im Mai erfreulich. So verbesserten sich nach den Umfragen des nationalen Statistikamtes das Industrie- und das Service-Barometer (51,9 nach 51,4 bzw. 54,9 nach 54,8 Punkten). Die Ergebnisse von Markit deuten in die gleiche Richtung. Letztlich bleibt die Entwicklung in China aber zweigeteilt.

Auf der einen Seite verspürt die chinesische Wirtschaft vom Aussenhandel Gegenwind. Hier machen sich die Auseinandersetzungen im Handelsstreit mit den USA bemerkbar. Auf der anderen Seite scheinen die geldpolitischen Lockerungen zu wirken und die striktere Regulierung des Schattenbankensektors mehr als wettzumachen. Der Gegenwind vom Aussenhandel wird somit durch binnenwirtschaftliche Impulse ausgeglichen. Mithin steigen die Chancen, dass sich das BIP-Wachstum entgegen unseren ursprünglichen Erwartungen im laufenden Quartal nicht verlangsamt, sondern bei 6,8% gegenüber dem Vorjahr verharrt.

Dass die US-Wirtschaft noch brummt, macht der jüngste US-Arbeitsmarktbericht deutlich. Mit 223.000 übertraf das Plus der neu geschaffenen Stellen im Mai den Vormonatswert (159.000) und auch die Konsensuserwartung von rund 190.000. Gleichzeitig erreichte die Arbeits­losenquote mit 3,75% den tiefsten Stand seit fast 50 Jahren. Und schliesslich legten die Löhne um 2,8% gegenüber dem Vorjahr zu, der höchste Zuwachs seit 2009. Daneben stiegen die Ausgaben der privaten Haushalte im April um 0,6% gegenüber dem Vormonat an, der Konsum sollte aufgrund dieses Schubs im laufenden Quartal um mehr als 3,0% expandieren. Die Vorabschätzung für die Handelsbilanz im April signalisiert zudem einen moderaten Impuls vom Aussenhandel. Vor dem Hintergrund dieser verschiedenen positiven Überraschungen verschieben wir unsere ohnehin optimistische Prognose zum BIP-Wachstum im laufenden Quartal um einen halben Prozentpunkt auf 3,5% bis 4,0% nach oben. Dennoch werden die Bäume in den USA nicht in den Himmel wachsen. Der übergeordnete Trend im amerikanischen Konjunkturzyklus dreht bereits nach unten.

Die gestiegenen Zinsen werden in den kommenden Quartalen eine immer grössere Bremswirkung entfalten. Der sich zuletzt zuspitzende Handelsstreit wird zusätzlich auf der Stimmung der Unternehmen lasten. Aufgrund der sich eintrübenden Perspektiven rechnen wir im 2. Halbjahr mit wieder deutlich nachgebenden BIP-Wachstumsraten. Die Finanzmärkte haben den Ernstfall bereits geprobt. Aktien und südeuropäische Staatsanleihen reagierten zuletzt auf die Turbulenzen in Italien und Spanien negativ und gaben deutlich nach.

Wer dagegen grössere Positionen deutscher Bundesanleihen im Portfolio hatte, bekam davon kaum etwas mit. Mittel­fristig könnte die Tendenz zu sicheren Häfen anhalten. Die Unternehmensgewinne sind ohnehin von steigenden Zins-, Arbeits- und Rohstoffkosten belastet. Der Zollkonflikt stellt einen zusätzlichen Gefahrenherd dar, selbst wenn die Europäer auf Gegenmassnahmen verzichten. Donald Trump überzieht mit seinem Politikstil die gesamte Weltwirtschaft mit einem Schleier der Verunsicherung. Nach unserer Überzeugung spricht dies für künftig steigende »Risikoprämien«  – tiefere Bewertungen der Aktienmärkte wären die Folge.

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