
IFO-Überraschung: kurzes Aufatmen, aber kein Befreiungsschlag
Der IFO-Index hat im August einen Überraschungscoup gelandet und ist entgegen den Erwartungen kräftig angestiegen. Damit wurde ein Grossteil der vorangegangenen Rückgänge wieder wettgemacht. Die jüngste Stimmungsaufhellung ist massgeblich im Bau- und Dienstleistungsgewerbe angesiedelt und ist entsprechend ein Indiz für die nach wie vor robuste Binnennachfrage. Daneben kam es aber auch im Fahrzeugbau (im Nachgang zum »Trump-Juncker-Deal«) zu einem Aufatmen. Wir sind skeptisch, ob diese Erholung von Dauer ist. Stattdessen spricht viel dafür, dass bald wieder die Gegenwinde im Aussenhandel die Oberhand gewinnen. Entsprechend sollte auch das deutsche Wachstum im weiteren Jahresverlauf moderat nachgeben und parallel dazu der IFO-Index seinen Abwärtstrend wieder aufnehmen.
Im bisherigen Jahresverlauf hatten die Ergebnisse der IFO-Umfrage fast durchweg enttäuscht. Zwischen November 2017 und Juli 2018 hat das IFO-Barometer entsprechend einen klaren Abwärtstrend beschrieben. Im August war indes plötzlich alles anders. Der seit April 2018 um den Dienstleistungssektor erweiterte Indikator überraschte positiv und machte einen Satz um 2,1 Punkte nach oben (103,8 nach 101,7 Punkten), während der Konsensus lediglich von einer Seitwärtsbewegung ausgegangen war (101,8 Punkte). Es handelte sich überhaupt um den grössten Monatsanstieg seit dreieinhalb Jahren. Vier der vorangegangenen acht Rückgänge wurden damit auf einen Streich wettgemacht (vgl. Abb. 1).
Bei den Geschäftserwartungen ist die Bewegung noch beeindruckender. Hier ging es gleich um 3,0 Punkte aufwärts (101,2 nach 98,2 Punkten), womit fast wieder das Niveau vom Januar erreicht wurde (vgl. Abb. 1). Etwas verhaltener fällt lediglich der Anstieg der Lagekomponente aus (106,4 nach 105,3 Punkten). Ist mit diesem Ergebnis der konjunkturelle Abwärtstrend des laufenden Jahres ausradiert?
Abb. 1: Überraschungscoup beim IFO

Als Ausgangspunkt für eine vertiefende Analyse betrachten wir zunächst den Saldowert des IFO-Geschäftsklimas (Differenz aus positiven und negativen Antworten) – sozusagen die Vorstufe zum IFO-Index. Sein Verlauf ist vollkommen identisch zum klassischen IFO-Barometer, lediglich die Amplitude ist grösser. Der Vorteil des Saldowerts besteht darin, dass er – anders als der Index – für jede Branche verfügbar ist. Im August legte der IFO-Saldo um 4,6 Punkte zu (in den sieben Monaten davor war er um 7,8 Punkte gefallen).
Abb. 2: Der Bausektor verströmt Euphorie

Der Blick auf die Sektorergebnisse (vgl. Abb. 2) legt folgende Rückschlüsse nahe:
- Der Dienstleistungssektor, der mit Abstand das grösste Gewicht (50%) im reformierten IFO-Index besitzt, verzeichnete im August einen überproportionalen Anstieg von 5,6 Punkten. Die überraschende Stimmungsaufhellung ist somit massgeblich dem Dienstleistungssektor zuzuschreiben. Allein damit lässt sich 80% der Bewegung im Gesamtindex erklären.
- Die Verbesserung in der Industrie fällt deutlich kleiner aus (+1,4 Punkte) und konzentriert sich ausschliesslich auf die Geschäftserwartungen. Die Lage wurde im verarbeitenden Gewerbe sogar schlechter bewertet als im Juli.
- Eine der grössten Überraschungen stellt das Baugewerbe dar. Das Geschäftsklima hatte sich dort bereits im Juli – entgegen dem damaligen Trend – massiv verbessert (+8,0 Punkte). Eine Gegenbewegung schien daher im August vorprogrammiert. Stattdessen kam es jedoch zu einem weiteren Anstieg (+2,5 Punkte), der das Bauklima auf ein neues Allzeithoch katapultierte (vgl. Abb. 2).
- Nicht vom Fleck kommt dagegen der Gross- und Einzelhandel, dessen Index sich kaum verändert hat (+0,1 Punkte) und somit weiterhin einen übergeordneten Abwärtstrend beschreibt.
Der jüngste Höhenflug im Baugewerbe stellt ein kleines Rätsel dar. Zweifellos ist das Umfeld hervorragend (Niedrigzinsphase, Anlagenotstand, wachsende Einkommen etc.) – das ist es aber bereits seit Jahren. Neu hinzugekommen sind lediglich leicht verbesserte staatliche Rahmenbedingungen (Baukindergeld, öffentliche Investitionsoffensive).
Abb. 3: Stimmung hat sich entkoppelt

Darüber hinaus ist anzumerken, dass die Korrelation zwischen dem Geschäftsklima im Baugewerbe und der Realwirtschaft nicht besonders eng ist und sich gerade in jüngster Zeit eine grosse Lücke zwischen Stimmung und Realität aufgetan hat (vgl. Abb. 3). Wir gehen daher davon aus, dass die Bauaktivität in den nächsten Monaten zwar robust bleibt, aber aller Voraussicht nach die Dynamik nicht weiter anzieht. Dafür sprechen auch Kapazitätsengpässe bei der Produktion.
Abb. 4: Dienstleiter im Sog des Bausektors

Die positive Stimmung im Baugewerbe strahlt unterdessen auf das Dienstleistungswerbe ab (vgl. Abb. 4). So gehören innerhalb dieses Sektors die baunahen Branchen (Servicedienste im Bau- und Wohnungswesen, Leasing, Ingenieurbüros) zu den stärksten Gewinnern im Monat August. Daneben fällt ein kräftiger Sprung beim Geschäftsklima des personenbezogenen Transportgewerbes auf (Bahn, Busse), das im Juli noch mächtig abgesackt war. Hier dürfte es sich um eine Sonderbewegung handeln.
Ein erstes Zwischenfazit lautet daher: Die weiterhin günstigen Rahmenbedingungen für die Binnennachfrage sorgen vor allem in der Immobilienwirtschaft für gute Stimmung. Die Bauinvestitionen werden demzufolge ein konjunktureller Stützfaktor bleiben und sollten verhindern, dass der diesjährige Abschwung in einen Absturz übergeht.
Abb. 5: Fahrzeugbau atmet leicht auf

Anders sieht es in der Industrie aus, die seit Jahresbeginn unter Druck steht – nicht nur wegen der generellen weltwirtschaftlichen Abkühlung, sondern auch wegen des von Donald Trump verschärften Handelskonflikts, der vor allem in der Autoindustrie für Unruhe sorgt. Die Abkühlung im deutschen Geschäftsklima ging mithin massgeblich vom deutschen Fahrzeugbau aus (vgl. Abb. 5). Die Drohgebärden mit Autozöllen erreichten hier im Juli einen Höhepunkt. Das Aufatmen über das Waffenstillstandsangebot vom 25. Juli (»Trump-Juncker-Deal«) war demzufolge gross (vgl. Abb. 5) – im ersten Moment sogar noch grösser als es auch wir erwartet hatten. Welche zusätzlich positive Wirkung eine mögliche Revision des Nafta-Abkommens hat, bleibt abzuwarten.
Ganz unabhängig davon gehen wir davon aus, dass die übrigen konjunkturellen Gegenwinde so stark sind, dass die jüngste IFO-Überraschung nicht den Beginn einer neuen Belebung darstellt, sondern nach einer kurzen Erholung wieder der Abwärtstrend dominiert. So hat die Weltwirtschaft auch ohne Handelsstreit ihren Zenit zum Jahresbeginn durchschritten. Vor allem das Momentum in China befindet sich auf einem Abwärtspfad. Ausserdem dürfen die Augen – ungeachtet der jüngsten Deeskalation – nicht davor verschlossen werden, dass der Protektionismus bereits zugenommen hat (Aluminium- und Stahlzölle, Handelsbeschränkungen zwischen USA und China) und somit im Vergleich zum Vorjahr ein Belastungsfaktor ist. Mithin unterschreibt Trump nur Deals, die vordergründig für die USA, aber nicht für die Weltwirtschaft von Vorteil sind.
Dafür dass der zyklische Abwärtstrend intakt ist, sprechen schliesslich noch andere Indizien. Unter anderem hat der Einkaufsmanagerindex der Industrie im August erneut Federn gelassen. Daneben legen auch viele Unterkomponenten der IFO-Umfrage keinerlei Belebung nahe (vgl. Abb. 6). Summa summarum dürfte die IFO-Euphorie nur kurz anhalten und schon bald wieder wachsender Pessimismus die Oberhand gewinnen. Das deutsche BIP-Wachstum sollte ebenfalls nach einem Zwischenhoch im 3. Quartal im Schlussquartal wieder nachlassen.
Abb. 6: Noch keine Anzeichen einer Belebung

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Die in diesem Beitrag gegebenen Informationen, Kommentare und Analysen dienen nur zu Informationszwecken und stellen weder eine Anlageberatung noch eine Empfehlung oder Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Anlageinstrumenten dar. Die hier dargestellten Informationen stützen sich auf Berichte und Auswertungen öffentlich zugänglicher Quellen. Obwohl die Bantleon AG der Auffassung ist, dass die Angaben auf verlässlichen Quellen beruhen, kann sie für die Qualität, Richtigkeit, Aktualität oder Vollständigkeit der Angaben keine Gewährleistung übernehmen. Eine Haftung für Schäden irgendwelcher Art, die sich aus der Nutzung dieser Angaben ergeben, wird ausgeschlossen. Die Wertentwicklung der Vergangenheit lässt keine Rückschlüsse auf die künftige Wertentwicklung zu.

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