Kommentar
10. Dezember 2018

Eurozone bleibt in schwierigem Fahrwasser

Alle Augen sind derzeit auf das britische Unterhaus gerichtet. Ein Abstimmungserfolg von Theresa May hätte weltweit ein Aufatmen zur Folge. Es sieht aber nicht danach aus, als ob der aktuelle Austrittsvertrag eine Chance hätte. Der Brexit-Kampf bleibt somit noch lange ein Belastungsfaktor. Dabei hängt der Haussegen in vielen Bereichen der Währungsunion/EU ohnehin schief – ob in Italien, Frankreich, Spanien oder Belgien – überall nehmen die politischen Spannungen zu. Das Fahrwasser für Risikoassets bleibt somit rau, auch wenn es nach den jüngsten heftigen Kursrückschlägen temporär zu einer Erholung kommen könnte.

Derzeit sind alle Augen auf das britische House of Commens gerichtet. 638 Abgeordnete entscheiden über den Austrittsvertrag mit der EU. In der Wirtschaft und an den Finanzmärkten würde es zu einem Aufatmen kommen, wenn der ausgehandelte Deal die Parlamentshürde nimmt. Zwar wäre auch dann noch Vieles in der Schwebe, z.B. muss das angestrebte Freihandelsabkommen zwischen der EU und Grossbritannien erst noch unter Dach und Fach gebracht werden. In der Übergangsphase bis Ende 2021 bliebe aber erst einmal alles beim Alten und für die Zeit danach besteht zumindest die Absicht, einen für beide Seiten günstigen Handelsvertrag abzuschliessen. Die grössten Untiefen des Brexits wären erst einmal umschifft.

Es sieht allerdings nicht danach aus, als ob Theresa May die notwendige Unterstützung erhält. Sowohl ihr Koalitionspartner (DUP: 9 Sitze) als auch mindestens 40 bis 50 Abgeordnete ihrer eigenen Partei lehnen die Vorlage ab. Sie bräuchte somit die Zustimmung von über 50 Labour-Parlamentariern, was kaum zu erwarten ist. Der Vertrag wird daher aller Voraussicht nach abgelehnt – und dann beginnt das Spiel von Neuem. Was sind die Optionen?

Auch nach einer Abstimmungsniederlage ist ein ungeordneter Brexit weiterhin unwahrscheinlich. Weder die Mehrheit im Unterhaus noch in der EU hat daran ein Interesse. Man wird daher verzweifelt nach anderen Lösungen suchen. In Frage kommen ein geänderter Austrittsvertrag oder die Initiierung eines zweiten Referendums. Beides benötigt zunächst einmal Zeit. Eine Verschiebung des Austrittsdatums (29.03.2019) ist somit unvermeidlich. Allerdings müssen dem alle EU-Mitgliedsländer zustimmen. Ausserdem scheinen alternative Lösungen nur mit einer neuen Regierung möglich. Theresa May hatte schliesslich postuliert, mit ihr gibt es nur diesen oder keinen Deal. Es dürfte daher zu Neuwahlen kommen.

Alles in allem zeichnet sich kein Ende der Brexit-Auseinandersetzung ab. Mithin bleibt es bei einem langwierigen Prozedere, bei dem der Ausgang nach wie vor völlig offen ist. Mit Blick auf ein zweites Referendum wäre unter anderem zunächst zu klären, über was überhaupt abgestimmt werden soll (das bereits beschlossene Abkommen oder nochmals neu über den Brexit)?

Für die britische Wirtschaft sind das keine guten Nachrichten. Die Unternehmen werden Investitionen weiter hinauszögern oder gleich ganz unterlassen. Aber auch die Unternehmen in der EU sehen sich mit einer Dauerbaustelle und einem schwächelnden Absatzmarkt konfrontiert.

Dabei könnte die Wirtschaft der Eurozone neuen Rückenwind gut gebrauchen. Das Wachstum hat sich seit Jahresbeginn von knapp 3,0% auf inzwischen kaum mehr als 1,0% abgeschwächt. Dies lag vor allem an der sich abkühlenden Weltwirtschaft, welche die Exportnachfrage stark gedämpft hat. Nunmehr kommen jedoch immer mehr hausgemachte – speziell politische – Probleme hinzu. In Italien führt der Budgetstreit zwischen der Regierung und der EU-Kommission die Wirtschaft an den Rand der Rezession. In Frankreich sorgen die gewalttätigen Gelbwesten-Proteste für ein miserables Weihnachtsgeschäft und schlechte Stimmung. In Spanien tritt die Minderheitsregierung Sánchez auf der Stelle und in Belgien kündigt sich eine Regierungskrise an. Kurzfristig steht die Wirtschaft der Eurozone daher nach wie vor unter Druck.

Mit Blick auf die Finanzmärkte ist demzufolge kein Klimawandel zu erwarten – Risikoassets bleiben in schwierigem Fahrwasser. Allerdings ist nach den jüngsten heftigen Kurseinbrüchen an den Aktienmärkten (DAX ‑4,2% in der ersten Dezemberwoche) bereits eine gehörige Portion an politischer Unsicherheit eingepreist. Nicht auszuschliessen ist daher, dass sich die Börsen kurzfristig nochmals erholen, bevor es Anfang 2019 zu einem erneuten Rücksetzer kommt.

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