
Eine rasche Lösung der Italienkrise ist nicht in Sicht
Die Italienkrise ist mit Macht zurückgekehrt. Der Streit um den italienischen Staatshaushalt ist eskaliert und eine für alle Seiten gesichtswahrende Lösung ist derzeit nicht in Sicht. Die italienische Regierung will an dem Defizitziel von 2,4% festhalten. Die EU-Kommission darf sich wiederum nicht zu nachgiebig zeigen, ansonsten untergräbt sie die Fiskaldisziplin in der gesamten EU. Möglicherweise zerbricht die italienische Koalition an dem Konflikt. Aber auch das wird vermutlich keine Lösung sein. Matteo Salvini bleibt der starke Mann Italiens. In Anbetracht dieser Gemengelage sind erneut deutliche Spread-Ausweitungen bei italienischen Staatsanleihen wahrscheinlich.
Die Finanzmärkte erleben derzeit ein Wechselbad der Gefühle. Kurze Erholungsphasen an den Aktienbörsen und bei den Risikoaufschlägen werden immer wieder von neu aufkommenden Krisenängsten ausgebremst. In der vergangenen Woche fungierte Italien als Spielverderber.
Die italienische Regierung hat an Brüssel einen Budgetentwurf für 2019 versandt, der ein dreimal so hohes Defizit vorsieht wie ursprünglich mit den Partnerländern vereinbart (2,4% statt 0,8%). Brüssel reagierte prompt und sprach von einer historisch beispiellosen Abweichung von den Empfehlungen der EU-Kommission. Italien solle dringend seinen Haushaltsplan korrigieren. Eine für beide Seiten gesichtswahrende Lösung ist aber angesichts der verhärteten Fronten derzeit nicht absehbar.
Die Parteiführer der italienischen Regierungskoalition (Di Maio, Salvini) haben sich in der Öffentlichkeit bereits festgelegt: am Defizitziel wird nicht gerüttelt. Von den Bürokraten aus Brüssel lasse man sich nichts diktieren. Ein Einknicken gegenüber der EU-Kommission wäre mithin eine öffentliche Blamage. Der Haushaltsentwurf stellt ausserdem einen austarierten Kompromiss zwischen den beiden – sich keineswegs wohlgesinnten – Regierungsparteien dar. Ihn erneut aufzuschnüren ist schon deswegen fast unmöglich. Schliesslich hat die Regierung auch die Rückendeckung des Volkes. Laut einer Umfrage stehen 60% der Wähler hinter dem Budgetvorschlag, was auch kein Wunder ist, enthält er doch viele Wahlgeschenke (Rentenerhöhungen, Steuersenkungen, höhere Sozialhilfe etc.).
Die EU-Kommission steckt ebenfalls in einer Zwickmühle. Einen so offensichtlichen Verstoss gegen die Fiskalregeln kann sie nicht dulden. Das würde nicht nur die Nordländer in Aufruhr versetzen, sondern die Fiskaldisziplin in der gesamten EU untergraben. Erste Anzeichen dafür gibt es bereits. Schliesslich haben auch andere Länder (unter anderem Frankreich und Spanien) leicht höhere Defizitziele nach Brüssel gemeldet. Wäre Italien diplomatischer vorgegangen und hätte wie die Regierung Renzi für aussergewöhnliche Massnahmen (z.B. Brückensanierung in Genua, Grenzschutz) Ausnahmen gefordert, wäre eine Kompromisslinie leichter zu finden. So wird eine Einigung schwierig.
Ein zu laxer Umgang mit Italien würde auch die derzeit diskutierten Massnahmen zur Weiterentwicklung der Eurozone gefährden. Wie soll man sich im Rahmen der Bankenunion oder einer Arbeitslosenversicherung mit Südeuropa solidarisch zeigen, wenn sich die Länder bereits beim Stabilitätspakt nicht an die Regeln halten? Italien muss somit früher oder später einlenken.
Der anhaltende Druck auf die italienische Regierung dürfte auch innerhalb der Koalition zu weiteren Konflikten führen, die bereits in den vergangenen Wochen in aller Öffentlichkeit einen Streit über die vorgesehene Steueramnestie ausgetragen hat. Ein Bruch der Regierung und anstehende Neuwahlen sind daher weiterhin ein mögliches Szenario. Ob man sich dies allerdings wünschen sollte, ist eine andere Frage. Laut aktuellen Umfragen würden Lega und Cinque Stelle auf über 60% der Stimmen kommen (bei den Wahlen im März waren es knapp 50%). Die gemässigten Kräfte erreichen nicht einmal 30%. Letztendlich muss die EU sich daher mit dem neuen starken Mann Matteo Salvini arrangieren. Der Weg dorthin dürfte aber steinig werden.
Für die Finanzmärkte bedeutet dies, dass die italienische Spreadentwicklung vorerst hochvolatil bleibt und im 10-jährigen Laufzeitbereich eine erneute Ausweitung der Spreads auf deutlich über 300 Bp wahrscheinlich ist. Auch das Fahrwasser für andere Peripherie-Staatsanleihen und Risikoassets (High Yields, Aktien) bleibt vor diesem Hintergrund rau.
Rechtlicher Hinweis
Die in diesem Beitrag gegebenen Informationen, Kommentare und Analysen dienen nur zu Informationszwecken und stellen weder eine Anlageberatung noch eine Empfehlung oder Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Anlageinstrumenten dar. Die hier dargestellten Informationen stützen sich auf Berichte und Auswertungen öffentlich zugänglicher Quellen. Obwohl die Bantleon AG der Auffassung ist, dass die Angaben auf verlässlichen Quellen beruhen, kann sie für die Qualität, Richtigkeit, Aktualität oder Vollständigkeit der Angaben keine Gewährleistung übernehmen. Eine Haftung für Schäden irgendwelcher Art, die sich aus der Nutzung dieser Angaben ergeben, wird ausgeschlossen. Die Wertentwicklung der Vergangenheit lässt keine Rückschlüsse auf die künftige Wertentwicklung zu.

Rechtlicher Hinweis
Die in diesem Beitrag gegebenen Informationen, Kommentare und Analysen dienen nur zu Informationszwecken und stellen weder eine Anlageberatung noch eine Empfehlung oder Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Anlageinstrumenten dar. Die hier dargestellten Informationen stützen sich auf Berichte und Auswertungen öffentlich zugänglicher Quellen. Obwohl die Bantleon AG der Auffassung ist, dass die Angaben auf verlässlichen Quellen beruhen, kann sie für die Qualität, Richtigkeit, Aktualität oder Vollständigkeit der Angaben keine Gewährleistung übernehmen. Eine Haftung für Schäden irgendwelcher Art, die sich aus der Nutzung dieser Angaben ergeben, wird ausgeschlossen. Die Wertentwicklung der Vergangenheit lässt keine Rückschlüsse auf die künftige Wertentwicklung zu.