Deals, Deals, Deals
Der von Donald Trump am 2. April ausgerufene Tag der Befreiung war ein globaler Schock. Mit teils prohibitiv hohen Strafzöllen von 30% bis 50% (im Falle Chinas am Ende über 100%) haben die USA ihre wichtigsten Handelspartner vor den Kopf gestoßen. Die Botschaft schien klar: Die Vereinigten Staaten, die einst wie kein anderes Land für den freien Welthandel standen, tragen diesen nunmehr zu Grabe und kapseln sich vom Rest der Welt ab. Insbesondere von China wurde – offensichtlich auch aus ideologischen Gründen – eine völlige Entkopplung angestrebt. Der Schritt in die Isolation wurde umso glaubwürdiger, als Trump die eigene Bevölkerung auf schwierige Zeiten einstellte: Unternehmen und Konsumenten müssten temporäre Schmerzen (sprich höhere Inflation und Arbeitslosigkeit) akzeptieren, bis sich die neue Wirtschaftsordnung etabliert hat.
Es stellte sich jedoch schnell heraus, dass die USA sich mit dieser Politik der Abschottung vor allem ins eigene Fleisch schneiden. Die heftige Reaktion der Finanzmärkte (-15% beim S&P500), Spannungen am US-Treasury-Markt, Beschwerden von Unternehmen über teure Importe sowie drohende Lieferengpässe zu Thanksgiving und Weihnachten haben Trump und seine Regierung denn auch zum Umdenken bewegt. Statt weiterer Drohgebärden stehen mittlerweile Deals mit den wichtigsten Handelspartnern auf der Tagesordnung.
Den Anfang machte vergangenen Donnerstag Großbritannien. Zweifellos haben die USA bei dieser Übereinkunft vor allem für sich Vorteile herausgeschlagen – unter anderem niedrigere Zollsätze für die Exporte nach UK (statt durchschnittlich 5,1% werden nur noch 1,8% Zoll fällig) und einen einfacheren Marktzugang für Agrargüter. Immerhin gelang es der Regierung in London aber beim wichtigsten britischen Exportgut für die USA – Autos – den US-Strafzoll von 25% auf 10% zu senken (für ein Kontigent von 100.000 Fahrzeugen, was ungefähr dem Export des Jahres 2024 entspricht). Außerdem werden britische Flugzeugteile, Stahl und Aluminium völlig von US-Importzöllen befreit.
Deals mit anderen Ländern werden höchstwahrscheinlich ein ähnliches Muster aufweisen, d.h. über 10% hinausgehende Strafzölle dürften wegverhandelt werden, wenn den USA auf der anderen Seite Zugeständnisse gemacht werden (z.B. höhere Agrar- oder Energieimporte).
Kein Decoupling zwischen den USA und China
Noch wichtiger für den globalen Welthandel ist jedoch die Annäherung am Wochenende zwischen den USA und China. Bis vor Kurzem schien hier die Lage völlig verfahren zu sein und bei wechselseitigen Zöllen von über 100% alles auf einen weitgehenden Handelsstopp hinauszulaufen. Innerhalb von nur wenigen Tage herrscht aber auch zwischen den Erzrivalen plötzlich ein konstruktiver Ton. Demnach haben sich die Verhandlungsdelegationen auf eine drastische Reduzierung der gegenseitigen Zölle verständigt. Für chinesische Importe in die USA gilt ab 15. Mai nur noch ein Zollsatz von 30% (statt 145%) und für US-amerikanische Importe nach China ein Zollsatz von 10% (statt 125%). Die Vereinbarung ist zunächst für 90 Tage gültig. Außerdem hat man sich auf ein Prozedere geeinigt, wie in den kommenden Monaten weiterverhandelt werden soll.
US-Finanzminister Scott Bessent betonte denn auch: »Keine der beiden Seiten will eine wirtschaftliche Entkopplung.« Dies dürfte zugleich die wichtigste Erkenntnis der amerikanischen Seite der letzten Wochen sein. In einem globalen Wirtschaftssystem sind die einzelnen Akteure so eng miteinander verwoben, dass ein Decoupling gar nicht mehr möglich ist. Die USA sind bei bestimmten Gütergruppen vom Ausland abhängig. Auch mit Blick voraus ist es äußerst unwahrscheinlich, dass ganze Lieferketten in die USA verlagert werden.
Konjunktur im Aufwind
In Anbetracht dessen sind wir zuversichtlich, dass am Ende mit China auch ein langfristig tragfähiger Deal auf der Basis moderater Zollsätze zustande kommt. Darüber hinaus sind die Chancen auf einen Handelsdeal zwischen den USA und der EU durch die Ereignisse der vergangenen Tage gestiegen – auch wenn zuletzt von neuen Gegenzöllen vonseiten der Europäer die Rede war. Es würde mithin keinen Sinn machen, dass ausgerechnet mit dem engsten Verbündeten keine Übereinkunft erzielt würde, zumal die EU der wichtigste Exportmarkt für die USA sind.
Die jüngste Deeskalation im Handelsstreit bestärkt uns daher auch in unserer bereits seit Längerem vertretenen optimistischen Konjunktureinschätzung. Dieser lag und liegt die Überzeugung zugrunde, dass Trump eben doch kein Isolations-Ideologe ist, der bewusst eine Rezession in den USA riskiert. Es geht ihm vielmehr darum, im Rahmen von Handelsdeals möglichst viel für die USA herauszuschlagen. Werden die US-Strafzölle auf ein moderates Maß gesenkt, dürfte sich der positive konjunkturelle Grundtrend durchsetzen, der seit 2024 speziell in Europa und Asien vorherrscht. Die neuesten Zahlen zu den OECD Leading Indicators stützen diesen Ausblick (vgl. Abbildung 1). Sie haben für die meisten Regionen der Welt – darunter insbesondere Asien – weiter nach oben gedreht. Mit der Entspannung im Handelskonflikt sollten überdies auch die Sentimentindikatoren in den nächsten Monaten neuen Rückenwind erfahren.
Abb. 1: Basis für globale Konjunkturbelebung ist gelegt
Quellen: Eurostat, OECD, Bantleon
Dessen ungeachtet wird die Analyse der Konjunkturdaten zunächst herausfordernd bleiben. So hatten zu Jahresbeginn Vorzieheffekte zur Umgehung der US-Strafzölle einige Indikatoren angeschoben (z.B. die Exporte der Eurozone in die USA, vgl. Abb. 2). Bei anderen haben die Zölle bereits belastet (z.B. die Exporte von China in die USA). Hier wird es in den nächsten Monaten zu Gegenbewegungen und hoher Volatilität kommen. Ein klareres Konjunkturbild sollte sich mithin erst zu Beginn des 2. Halbjahres herauskristallisieren.
Abb. 2: Zollangst stützt Export in die USA
Quellen: Eurostat, Bantleon
Auch in den USA bleibt das Risiko eines kurzfristigen Wachstumsdämpfers zunächst bestehen. Nicht auszuschließen ist unter anderem, dass die Unsicherheit zu einer mindestens temporären Zurückhaltung bei der Investitionstätigkeit führt. Dennoch gilt auch mit Blick auf die US-Wirtschaft: Die Deeskalation des Handelskonflikts senkt die Wahrscheinlichkeit für einen scharfen Wirtschaftsabschwung.
Fazit: Als Folge der jüngsten Ereignisse dürfte die weltweite Unsicherheit abnehmen und sich das Konjunkturbild weiter aufhellen. Damit ist an den Finanzmärkten die Basis für ein Risk-on-Umfeld gelegt. Obwohl viele Börsenbarometer bereits ein dickes Jahresplus aufweisen sollten die globalen Aktienmärkte (speziell Europa und Asien) im weiteren Jahresverlauf neue Allzeithöchststände erklimmen. Umgekehrt werden Staatsanleihen unter Druck geraten und die Renditen anziehen.