Lagarde recht klar in ihren Aussagen – jedenfalls bis März

Die EZB hat den Zinssenkungsprozess im Rahmen der jüngsten Sitzung fortgesetzt und den Leitzins von 3,00% auf 2,75% reduziert. Darüber hinaus sind bereits weitere Lockerungen avisiert. Laut EZB ist der Disinflationstrend intakt und die Geldpolitik immer noch restriktiv. Im März dürfte jedoch die Debatte, wie weit es mit den Leitzinsen noch abwärts geht, an Intensität gewinnen. Aus unserer Sicht schliesst sich im 2. Halbjahr 2025 das Zeitfenster für weitere geldpolitische Lockerungen.

Auf dem Weg zum neutralen Leitzins

Die EZB hat im Rahmen der jüngsten Sitzung erwartungsgemäß die fünfte Leitzinssenkung um 25 Bp seit Juni 2024 vorgenommen. Die Depositenrate liegt nunmehr bei 2,75%. Begründet wurde der Schritt mit dem intakten Disinflationsprozess. Die Inflationsrate hätte sich zuletzt weitgehend im Einklang mit den EZB-Prognosen bewegt. In Anbetracht dessen sind die Währungshüter zuversichtlich, dass die Inflationsrate noch in diesem Jahr das 2,0%-Ziel erreicht. Die Teuerung der Dienstleistungen sei zwar immer noch hoch, aber auch hier kündige sich aufgrund des nachlassenden Lohndrucks Entspannung an.

Angesichts dieses optimistischen Inflationsausblicks ist die Marschrichtung für die künftige Geldpolitik klar: Es werden weitere Lockerungen folgen. Im Rahmen der Pressekonferenz nach dem Zinsentscheid ließ Notenbankpräsidentin Christine Lagarde keinen Zweifel daran, dass der Leitzins mit 2,75% immer noch restriktiv sei. Der EZB-Rat hätte folglich auch noch nicht darüber diskutiert, wann der Prozess gestoppt werden müsse. Lagarde räumte indes ein, dass sich dies im März ändern werde. Dann verfüge die EZB über zwei weitere Inflationsberichte und es lägen neue offizielle Prognosen vor. Zugleich würde ein hausinterner Forschungsbericht publiziert, welcher die Bandbreite des neutralen Leitzinses in der Eurozone eingrenze.

Mit anderen Worten: Eine nochmalige Zinssenkung in zwei Monaten auf 2,50% ist erst einmal gesetzt. Was danach geschieht, werden die Währungshüter im Rahmen der März-Sitzung diskutieren. Es ist davon auszugehen, dass 2,50% eher den oberen Rand der Bandbreite eines neutralen Leitzinsniveaus darstellen. Entsprechend ist von ein bis zwei zusätzlichen Zinssenkungen im 2. Quartal 2025 auszugehen. Dies steht überdies im Einklang mit den meisten Äußerungen wichtiger EZB-Vertreter. Demgemäß ist ein Leitzinsniveau von 2,00% bis 2,25% zur Jahresmitte auch an den Geldterminmärkten eingepreist. Wir rechnen ebenfalls mit einem solchen Szenario.

Unter 2,00% wird die Luft dünn

Während also über den Zinspfad der nächsten Monate Konsens besteht, ist noch völlig offen, wie es im 2. Halbjahr 2025 weitergeht. Senkt die EZB dann sogar den Leitzins unter 2,00% und rückt damit in den expansiven Bereich vor? Viele prominente Bankhäuser in Europa und den USA rechnen genau damit. Entscheidend für das weitere Vorgehen der EZB sind – wie immer – die Konjunktur- und Inflationsdaten.

Im 1. Halbjahr 2025 gehen wir – im Einklang mit der EZB – davon aus, dass die Kerninflationsrate von derzeit 2,7% in Richtung 2,0% fällt (vgl. nachfolgende Abbildung). Ein Grund dafür ist unter anderem, dass in den Bereichen Gastronomie, Tourismus und Kfz-Versicherungen die Nachholeffekte der vergangenen Jahre abebben sollten. Die hier vorgenommenen Preiserhöhungen werden zwar weiterhin namhaft, aber schwächer als in den Vorjahren ausfallen.

EZB rechnet mit nachhaltiger Disinflation

Quellen: Eurostat, Bantleon

Im Unterschied zur EZB erwarten wir aber nicht, dass der Teuerungsdruck im 2. Halbjahr 2025 weiter nachlässt (vgl. vorausgehende Abbildung). Vielmehr sollte die Kerninflationsrate sogar wieder leicht ansteigen. Dies liegt zum einen an Basiseffekten. Zum anderen aber auch am konjunkturellen Umfeld. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich in vielerlei Hinsicht in den vergangenen Monaten verbessert: Die Realeinkommen steigen, die Geldpolitik wurde gelockert und die Weltwirtschaft zeigt sich in guter Verfassung. Unter der Annahme, dass der Handelskonflikt mit den USA nicht eskaliert, erwarten wir ein Anziehen des Wachstums in der Eurozone auf über 1,0%, womit die Gefahr stärkerer Preisüberwälzungen einhergeht. Für die EZB besteht in der Folge keine Notwendigkeit, den Leitzins unter 2,0% zu senken. Vielmehr dürften sich die Währungshüter zum Jahresende sogar Gedanken über eine erneute geldpolitische Straffung machen.

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