EZB will »agil« bleiben

Die EZB hat im April ihren Kurs fortgesetzt und den Leitzins von 2,50% auf 2,25% gesenkt. Aufgrund der günstigen Inflationsentwicklung dürften in den nächsten Monaten noch ein bis zwei geldpolitische Lockerungen (um jeweils 25 Basispunkte) hinzukommen. Die Markterwartungen von einem Leitzinsniveau von 1,50% am Jahresende sehen wir derzeit als zu aggressiv an.

Gute Gründe für April-Zinssenkung

Die EZB hat im Rahmen der jüngsten Notenbanksitzung erwartungsgemäß den Leitzins ein weiteres Mal um 25 Basispunkte auf 2,25% gesenkt. Die EZB zeigt sich zum einen zufrieden mit der aktuellen Inflationsentwicklung. Man sei auf Kurs, das Inflationsziel zeitnah zu erreichen. Insbesondere wird auf den nachlassenden Preisdruck bei den Dienstleistungen verwiesen, deren Teuerungsrate im März mit 3,4% erstmals seit Langem erkennbar unter die 4,0%-Marke gerutscht ist.

Zum anderen habe sich der Konjunkturausblick durch den Handelskonflikt mit den USA eingetrübt. Die Trump’sche Zollkeule ist in den Augen der EZB ein negativer Nachfrageschock, der sich aller Voraussicht nach dämpfend auf das Wachstum der Eurozone auswirken wird. Immerhin hätte die Wirtschaft der Währungsunion zuletzt aber an Stabilität gewonnen.

Der Nettoeffekt des Handelskonflikts auf die Inflation sei indes noch nicht ganz klar. Die nachlassende Nachfrage dürfte zwar einerseits den Preisdruck mindern, andererseits könnten jedoch gestörte Lieferketten die Teuerung befeuern.

Geldpolitik muss »agil« und »flexibel« sein

Beim Leitzinsausblick blieb EZB-Präsidenten Christine Lagarde einmal mehr vage und warf zahlreiche Nebelkerzen. Zunächst wies sie darauf hin, dass das Konzept des »neutralen Leitzinssatzes« im aktuellen Umfeld, das von zahlreichen ökonomischen Schocks geprägt sei, keinen Sinn mehr ergebe. Folgerichtig wurde die entsprechende Passage im offiziellen Statement der Notenbank gestrichen. Stattdessen sind die neuen Schlagworte von Lagarde »Bereitschaft« und »Flexibilität«. Je nachdem, ob sich in den nächsten Wochen die aktuellen Schocks (etwa in der Zoll- oder Fiskalpolitik) abschwächen oder verstärken, müsse die EZB darauf flexibel und gegebenen-falls mit Nachdruck reagieren. Sollte sich also z.B. herausstellen, dass die Strafzölle der USA im Außenhandel der Eurozone markant negative Spuren hinterlassen, dürfte die Notenbank darauf mit einer weiteren geldpolitischen Lockerung reagieren. Sehr verklausuliert hat die EZB damit die Neigung zu weiteren Leitzinssenkungen unterstrichen. Schließlich dominieren in den Augen der Währungshüter die Abwärtsrisiken beim Wachstum.

Ein bis zwei Zinssenkungen in der Pipeline

Auch aus unserer Sicht dürften die Daten der kommenden Wochen den Weg für zumindest ein bis zwei weitere geldpolitische Lockerungen ebenen. Der Inflationsausblick hat sich zuletzt aus verschiedenen Gründen aufgehellt: So ist unter anderem der Ölpreis seit Mitte März um mehr als 10% abgestürzt, was sich in weiter fallenden Benzinpreisen niederschlagen wird. Parallel dazu hat der Euro um gut 8% gegenüber dem USD aufgewertet. Dies wird die Importpreise nach unten drücken. Die Inflationsrate, die im März bei 2,2% lag, könnte in Anbetracht dessen bereits im Mai die 2,0%-Marke erreichen und im Sommer eventuell sogar leicht unterschreiten. Damit hatte die EZB eigentlich erst Anfang 2026 gerechnet.

Daneben dürfte die Unsicherheit über die Trump’sche Zollpolitik anhalten. So endet etwa die 90-Tage-Frist zur Aussetzung der individuellen Strafzölle erst im Juli. Vor diesem Hintergrund gehen wir davon aus, dass im Rahmen der kommenden Notenbanksitzung, die nächste Zinssenkung um 25 Basispunkte auf dann 2,00% erfolgt. Einen weiteren Schritt auf 1,75% im Juli oder September wollen wir nicht ausschließen. Dies hängt vom Verlauf der Zollverhandlungen ab. Wir halten es am Ende jedoch nach wie vor für sehr wahrscheinlich, dass Trump im Handelsstreit – um der eigenen Wirtschaft nicht zu sehr zu schaden – einlenken muss. Entsprechend dürfte es auch mit der EU zu einer Einigung kommen, die im beiderseitigen Interesse liegt.

Vor dieser Kulisse sollte im 2. Halbjahr 2025 immer stärker das positive konjunkturelle Momentum in der Eurozone zur Geltung kommen, womit zusätzliche Zinssenkungen obsolet werden. Wir sehen daher den Tiefpunkt bei den Leitzinsen bei 1,75% bis 2,00%. Die aktuellen Markterwartungen (1,50% Ende 2025) sind in unseren Augen zu aggressiv.

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