Deutsche Industrie macht Hoffnung

Die jüngsten Mai-Zahlen aus der deutschen Industrie sind durchwachsen ausgefallen. Dennoch ist vorsichtiger Optimismus angebracht. Auftragseingänge und Industrieproduktion befinden sich übergeordnet im Aufwärtstrend – speziell beim Fahrzeugbau und den rüstungsnahen Industriezweigen (Metallindustrie) gibt es klare Anzeichen für eine Wiederbelebung. Dies liegt auch daran, dass sich die Rahmenbedingungen im Vergleich zu den Vorjahren verbessert haben. Investitionen können an den Kapitalmärkten und bei Banken derzeit zu sehr günstigen Konditionen vorgenommen werden. Außerdem ist ab 1. Juli dank des Investitions-Boosters der Bunderegierung eine beschleunigte Abschreibung (30% pro Jahr) von Maschinen, Geräten und Fahrzeugen möglich. Viele Unternehmen werden darüber hinaus von der staatlichen Investitionsoffensive profitieren. Dem stehen auf der anderen Seite die Strafzölle in den USA gegenüber. Es bleibt jedoch zu hoffen, dass es der EU-Kommission bei den aktuellen Verhandlungen gelingt, den allgemeinen Schaden für die deutsche Wirtschaft zu begrenzen. Wir halten daher daran fest, dass das deutsche BIP – nicht zuletzt dank der Industrie – in diesem Jahr um 0,5% bis 0,6% (Konsensus: 0,2%) und im kommenden Jahr um 1,8% (Konsensus: 1,1%) zulegen sollte.

Industrieproduktion hui, Auftragseingänge pfui

Die jüngsten Mai-Zahlen aus der deutschen Industrie sind gemischt ausgefallen. So haben einerseits die Auftragsdaten nach der bislang sehr positiven Entwicklung im Jahr 2025 enttäuscht. Die Orders gingen im Mai im Vormonatsvergleich um 1,4% zurück (nach +1,6% im April, Konsensus: -0,2%), unter Ausklammerung von Großaufträgen sogar um 3,1% (nach +0,9% im April). Andererseits verbuchte die Industrieproduktion mit +1,2% (nach -1,6%, Konsensus: -0,2%) das dritte deutliche Plus in diesem Jahr. Der befürchtete Einbruch im 2. Quartal nach dem starken Jahresauftakt ist mithin ausgeblieben.

Der Rückschlag bei den Auftragseingängen ist zwar bedauerlich, die übergeordnete Belebung wird dadurch aber nicht infrage gestellt. Speziell die Bestellungen aus dem Ausland befinden sich in einem, wenn auch flachen, Aufwärtstrend (vgl. nachfolgende Abbildung). Geht es nach den Umfragen hat sich diese Tendenz bis zuletzt fortgesetzt.

Auswirkungen auf das deutsche BIP

Bei der Industrieproduktion zeichnet sich nach dem deutlichen Anstieg im 1. Quartal (+0,8% im Vergleich zu Q4/2024) im 2. Quartal zumindest erneut ein moderater Zuwachs ab (+0,3% bis +0,4%). Dies ist mit Blick auf die BIP-Schätzung für das 2. Quartal von großer Bedeutung (vgl. nachfolgende Abbildung). Zu Jahresbeginn wurden Lieferungen aus Deutschland in die USA vorgezogen, um den drohenden Strafzöllen auszuweichen. Dies hatte einen positiven Produktionseffet zur Folge und schlug sich entsprechend auch im BIP nieder, das im 1. Quartal um kräftige 0,4% zulegte. Die absehbare Gegenbewegung im 2. Quartal hält sich nunmehr aber in Grenzen. Zumindest eine Stabilisierung des BIP oder sogar ein leichter Zuwachs gegenüber Q1 sind möglich (unsere Prognose: ±0,0% bis 0,1%). Dies legt auch der jüngste Wert des Composite-Einkaufsmanagerindex (50,4 Punkte) nahe. Bewahrheitet sich unsere Prognose, wäre die deutsche Wirtschaftsleistung im 1. Halbjahr ordentlich expandiert.


Sektoren: Positive Tendenzen überwiegen

Als Bremsklotz für die Industrieproduktion erweist sich im 2. Quartal der Bausektor. Der Output dürfte hier klar rückläufig sein (ca. -2,5% in Q2 versus Q1). Dabei sollte es sich aber nur um eine temporäre Schwäche handeln, denn gerade dieser Sektor wird von der geplanten Investitionsoffensive der neuen Bundesregierung profitieren. Im Tiefbau sind entsprechend erste Anzeichen für eine Produktionsbelebung bereits ersichtlich (vgl. nachfolgende Abbildung).


Im Kernbereich der deutschen Wirtschaft – dem verarbeitenden Gewerbe – läuft es besser. Die Produktion dürfte in Q2 um rund 0,6% zugelegt haben (nach +0,8% in Q1). Vor allem im Fahrzeugbau ist seit Jahresbeginn eine Wiederbelebung bei der Produktion und den Bestellungen im Gang (vgl. nachfolgende Abbildung). Nach dem sehr schwachen Jahr 2024 (Fahrzeugproduktion: -7,5%) entlädt sich hier der Nachholbedarf. Die Juni-Zahlen des deutschen Automobilverbands (VDA) deuten auch zum Ende des 2. Quartals auf eine robuste Produktion hin.


Ganz anders sieht das Bild in der Chemieindustrie aus. Der übergeordnete Abwärtstrend ist hier noch nicht zum Stillstand gekommen. Die Auftragseingänge haben zuletzt weiter nachgegeben (vgl. nachfolgende Abbildung). Dies steht im Einklang mit jüngsten Meldungen, wonach sich die Grundstoff-Chemie aus Europa zurückzieht. Werkschließungen (z.B. von Dow Chemical in Ostdeutschland) werden dabei auch mit der anhaltenden Nachfrageschwäche in Europa gerechtfertigt.


Ein Hoffnungsträger ist dagegen die Rüstungsindustrie, die in den kommenden Jahren auf einen anhaltenden Auftragsboom setzen kann. Vorboten davon sind bereits in den Daten der Metallindustrie beobachtbar, wo unter anderem die Herstellung von Munition verbucht wird (vgl. nachfolgende Abbildung). Der jüngste Orderschub (+18,2% im Mai) kommt genau aus diesem Bereich – und es dürfte nicht der letzte gewesen sein. Insgesamt verläuft die Entwicklung in den einzelnen Sektoren derzeit zwar ambivalent, zuletzt haben jedoch die Gewinner gegenüber den Verlierern die Oberhand behalten – ein Trend, der sich aus unserer Sicht in den nächsten Monaten noch verstärken wird.

Fazit: Auf die Bodenbildung folgt die Erholung

Alles in allem ist mit Blick auf die deutsche Industrie vorsichtiger Optimismus angebracht. Im Vergleich zu den Vorjahren haben sich die Rahmenbedingungen grundsätzlich verbessert. Investitionen können an den Kapitalmärkten und bei Banken derzeit zu sehr günstigen Konditionen vorgenommen werden. Außerdem ist ab 1. Juli dank des Investitions-Boosters der Bunderegierung eine beschleunigte Abschreibung (30% pro Jahr) von Maschinen, Geräten und Fahrzeugen möglich. Viele Unternehmen werden darüber hinaus von der staatlichen Investitionsoffensive profitieren. Bereits in diesem Jahr sollen mehrere 10 Mrd. Euro an öffentlichen Aufträgen freigegeben werden.

Dem stehen auf der anderen Seite die Strafzölle in den USA gegenüber. Sollte es aber der EU-Kommission bei den aktuellen Verhandlungen gelingen, den allgemeinen Importzoll auf 10% zu limitieren und beim Fahrzeugimport (aus der EU) Ausnahmen auszuhandeln, dürfte sich der Schaden für die deutsche Wirtschaft in Grenzen halten. Mithin sollte die Belebung in der deutschen Industrie durch die Trump’sche Zollpolitik nur gedämpft, aber nicht abgewürgt werden. Der freundliche konjunkturellen Basistrend spiegelt sich auch in unseren Frühindikatoren und dem OECD Leading Indicator wider (vgl. nachfolgende Abbildung). Hier haben sich die positiven Signale zuletzt ebenfalls weiter erhärtet. Wir halten daher daran fest, dass das deutsche BIP – nicht zuletzt dank der Industrie – in diesem Jahr um 0,5% bis 0,6% (Konsensus: 0,2%) und im kommenden Jahr um 1,8% (Konsensus: 1,1%) zulegen sollte.

Rechtlicher Hinweis

Die in diesem Beitrag gegebenen Informationen, Kommentare und Analysen dienen nur zu Informationszwecken und stellen weder eine Anlageberatung noch eine Empfehlung oder Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Anlageinstrumenten dar. Die hier dargestellten Informationen stützen sich auf Berichte und Auswertungen öffentlich zugänglicher Quellen. Obwohl die Bantleon AG der Auffassung ist, dass die Angaben auf verlässlichen Quellen beruhen, kann sie für die Qualität, Richtigkeit, Aktualität oder Vollständigkeit der Angaben keine Gewährleistung übernehmen. Eine Haftung für Schäden irgendwelcher Art, die sich aus der Nutzung dieser Angaben ergeben, wird ausgeschlossen. Die Wertentwicklung der Vergangenheit lässt keine Rückschlüsse auf die künftige Wertentwicklung zu.

nach oben