Während der Stellensaldo durch die Wirbelstürme belastet wurde, erhielten die Einkaufsmanagerindikatoren durch Irma und Harvey im wahrsten Sinne des Wortes »Rückenwind«. So sprang der ISM-Einkaufsmanagerindex der Industrie von 58,8 auf 60,8 Punkte und damit auf den höchsten Stand seit 13 Jahren. Treibende Kraft war die Verlängerung der Lieferzeiten. Anstiege dieses Teilindex zeigen in normalen Zeiten eine höhere Auslastung der Unternehmen an, aktuell aber treiben ihn die sturmbedingten Unterbrechungen der Lieferketten an. Die längeren Lieferzeiten sind aber nur für rund drei Viertel des gesamten ISM-Anstiegs verantwortlich. Auch die Subindices zu Produktion und Auftragslage verbesserten sich. Das deutet darauf hin, dass das verarbeitende Gewerbe – unabhängig von den Verwerfungen durch die Wirbelstürme – weiter expandiert.
Ähnlich wie der Industrie-ISM erhielt auch das Pendant der Service-Sektoren durch Lieferengpässe einen merklichen Schub. Der entsprechende Teilindex zog massiv von 50,5 auf ein 12-Jahres-Hoch von 58,0 Punkten an. Anders als in der Industrieumfrage erklärt diese Bewegung aber »nur« weniger als die Hälfte des Anstiegs im Gesamtindex. Deutliche Zuwächse waren auch bei den Teilindices Geschäftstätigkeit und Auftragseingänge zu beobachten. Im Dienstleistungssektor ist also noch klarer als in der Industrie zu erkennen, dass sich der grundlegende Erholungsprozess fortsetzt. Die Dienstleister profitieren ihrerseits vom anziehenden privaten Konsum. So kletterten die Kfz-Verkäufe im September annualisiert von 16 Mio. auf 18,5 Mio. – den höchsten Stand seit 13 Jahren. Der Wirtschaftsaufschwung in den USA setzt sich mithin breit abgestützt fort. In diesem Umfeld sollten die Kerninflationsraten wieder nach oben drehen und die Fed die Leitzinsen im Dezember um 25 Basispunkte anheben. 2018 rechnen wir mit drei weiteren 25-Bp-Schritten.
Auch die Eurozone erlebte am 1. Oktober einen »Wirbelsturm«: Die Ereignisse rund um die Abstimmung in Katalonien machen nicht nur den Spaniern grosse Sorgen. Eine Abspaltung der wirtschaftlich stärksten Region Spaniens erwarten wir jedoch nach wie vor nicht. In repräsentativen Umfragen hat sich bis zuletzt die Mehrheit der Katalanen zwar für mehr Autonomie, aber gegen eine komplette Loslösung von Spanien ausgesprochen. Dennoch sind die Emotionen aufgrund des Konfrontationskurses der Zentralregierung aufgepeitscht. Je länger der Konflikt anhält, desto eher sind wirtschaftlich negative Folgen zu erwarten.
Mit den jüngsten Unruhen setzt Spanien überdies seinen Ruf als Musterschüler des Reformprozesses aufs Spiel. In den vergangenen Jahren hat das Land eine Vielzahl seiner Hausaufgaben erledigt. So sind etwa die Lohnstückkosten seit 2009 um 7% gefallen (Deutschland plus 12%). Die zurückhaltendende Lohnpolitik und kräftige Personalkürzungen brachten spanische Unternehmen in die Gewinnzone zurück. Das ermöglichte es ihnen, ihren Schuldenberg abzutragen. Seit 2012 sank die Verschuldung des Unternehmenssektors von 135% auf 100% des BIP und liegt damit inzwischen sogar unter dem Durchschnitt der Eurozone. Der Immobiliensektor schrumpfte sich gesund. Die strukturellen Verbesserungen haben den Export beflügelt, er liegt inzwischen 50% über dem Niveau des Jahres 2009. Die Investitionen zogen wieder an und 1,6 Mio. Arbeitsplätze sind neu entstanden. Das spanische Wachstum lag zuletzt bei rund 3%.
Fraglich ist, ob dieses Expansionstempo auch in den kommenden Quartalen gehalten werden kann. Die politische Verunsicherung hat sich zwar bis September noch nicht erkennbar negativ im Sentiment der Wirtschaft niedergeschlagen: Das Verbrauchervertrauen ist intakt und der Composite-Einkaufsmanagerindex behauptet sich mit 55,3 Punkten noch eindeutig oberhalb der Expansionsschwelle. Allerdings werden die Spitzenwerte aus dem Jahr 2015 nicht mehr erreicht. Und neben den politischen Spannungen sprechen auch einige zyklische Argumente für eine etwas langsamere konjunkturelle Gangart. So rechnen wir generell in den nächsten Monaten mit einer Eintrübung des globalen Umfelds. Darüber hinaus schwächen sich die Nachholeffekte in Spanien in einigen Bereichen ab. Im Tourismussektor sind nach jahrelanger Hausse allmählich die Kapazitätsgrenzen erreicht, auf Mallorca mehren sich die Proteste gegen den Massentourismus.
Daneben zieht aber auch die Inflation kräftig an. 2016 war die Teuerungsrate noch negativ. 2017 dürfte sie bei durchschnittlich knapp 2,0% liegen. Bislang haben viele Konsumenten den Kaufkraftentzug durch eine Reduzierung der Sparquote auf zuletzt 6,0 % kompensiert. Gleichzeitig war die Regierung in der Fiskalpolitik sehr grosszügig – Spanien ist daher trotz brummender Wirtschaft inzwischen das einzige Land in der Eurozone, das immer noch das 3%-Defizitkriterium verfehlt. Konsumenten und Fiskalpolitik geraten aber inzwischen an ihre Grenzen. Deshalb gehen wir in den nächsten Quartalen von einer Abkühlung aus. Das spanische Wachstum dürfte sich von 3,0% (2017) bis Ende 2018 auf 2,4% abschwächen. Sollte die politische Krise noch über Monate andauern, könnte der Abschwung noch grösser ausfallen.
An den Finanzmärkten zeigten der Ausgang des katalanischen Referendums und die unwürdigen Begleitumstände nur kurzfristig Wirkung. Im Vergleich zu vergangenen Jahren ist die Reaktion kaum der Rede wert. Die Risikoprämien für spanische Staatsanleihen zogen zwischenzeitlich an, kehrten dann aber doch nur auf den Mittelwert der letzten 36 Monate zurück. Der spanische Aktienindex IBEX setzte seinen Abschwung fort, die Mailänder Börse wurde in »Sippenhaft« genommen und gab ebenfalls nach. Der DAX profitierte hingegen von der anhaltenden Euro-Schwäche und kämpft mit der 13.000-Punkte-Marke. Auch die US-Indices feierten neue Höchststände. Die Steuerpläne der US-Regierung und der Wiederaufbau nach der Hurrikan-Saison sorgen für zusätzlichen Auftrieb.
Solange die Märkte steigende Leitzinsen in den USA einpreisen, bleibt auch der US-Dollar unter Aufwärtsdruck. Längerfristig aber ist der zinspolitische Anpassungsbedarf in der Eurozone definitiv grösser als in den USA, weswegen wir den Euro eher bei 1,30 USD als bei 1,10 USD sehen. Damit bleibt der Dollar für die europäischen Aktienmärkte ein Belastungsfaktor. Eine Korrektur von DAX & Co ist aber auch aus mehreren anderen Gründen durchaus möglich. So ist die Stimmung inzwischen schon zu gut. Umfragen strotzen vor Optimismus und die Volatilität an den Aktienmärkten ist historisch niedrig. Markttechnische Indikatoren haben auf breiter Front überkaufte Niveaus erreicht. Der langsame Rückzug der globalen Geldpolitik wird zudem Spuren hinterlassen.
Wir sehen daher unsere Prognose bestätigt, wonach der Börsenaufschwung eine Pause einlegen wird, die nächste grössere Bewegung sollte nach unten gerichtet sein. In diesem Umfeld sind 10-jährige Bundesanleihen eine gute Absicherung gegen die aufkommenden Risiken.