Der IFO-Geschäftsklimaindex zeigt sich nach wie vor völlig unbeeindruckt von allen Gegenwinden und erreichte im Juli einen weiteren Rekordhöchststand. Wir werten dies vor allem als erneute Bestätigung für das aussergewöhnlich starke 2. Quartal. Auch mit Blick voraus ist Zuversicht angebracht. Allerdings rechnen wir in den nächsten Monaten mit einer etwas langsameren konjunkturellen Gangart.
Verfolgt man derzeit die Presse, befindet sich die deutsche Industrie wegen der Autokrise in extrem schwierigem Fahrwasser. Ein ganz anderes Bild zeichnet die IFO-Umfrage, die monatlich unter 7.000 Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft durchgeführt wird. Das daraus hervorgehende Geschäftsklimabarometer ist – wie in den Aufschwungsphasen 2006/2007 sowie 2010/2011 – nicht zu bremsen. Bereits im Juni war es mit 115,2 Punkten auf ein Allzeithoch im wiedervereinigten Deutschland geklettert (vgl. Abb. 1). Eine Verschnaufpause wäre schon allein aus diesem Grund plausibel gewesen. Stattdessen setzte der Index seinen Aufwärtstrend im Juli ungebremst fort und legte weiter auf 116,0 Punkte zu. Unter Einbezug des früheren westdeutschen Geschäftsklimas ist es der höchste Stand seit Ende der 1960er Jahre – sprich die Stimmung war in den vergangenen 50 Jahren nie so gut wie heute (vgl. Abb. 1).
IFO-Index trotzt Autokrise
Abb. 1: Stimmung war noch nie so gut wie heute

Quellen: IFO, Bantleon; *bis 1990 IFO-Index Westdeutschland
Die Euphorie schlägt sich nach wie vor insbesondere bei der Beurteilung der aktuellen Geschäftslage nieder (125,4 nach 124,2 Punkten). Sie ist im September 2016 in einen steilen Aufwärtstrend eingeschwenkt und verbessert sich seitdem durchschnittlich um monatlich 1,1 Punkte. Bei den IFO-Geschäftserwartungen (107,3 nach 106,8 Punkten) fällt die Belebung weiterhin etwas zögerlicher aus. Inzwischen nähert sich aber auch dieser Teilindex früheren Höchstständen an (vgl. Abb. 2).
Die Rekordjagd hat derweil auch alle Branchen erfasst. War es zunächst nur der Bausektor, der in neue Dimensionen vorstiess, schnuppern inzwischen das Geschäftsklima der Industrie und des Grosshandels ebenfalls an Allzeithöchstständen.
Wie ist der Höhenflug des IFO-Index zu bewerten? Ist nunmehr auch beim BIP-Wachstum Aussergewöhnliches zu erwarten? Bekommt der seit Ende 2013 anhaltende Aufschwung den zweiten Frühling? Beschwichtigend ist zunächst anzumerken, dass bei der Einschätzung der aktuellen Geschäftslage seit dem Jahr 2006 eine kontinuierliche Niveauverschiebung nach oben stattgefunden hat (vgl. Abb. 2). Der Indikator hat sich entsprechend zunehmend von der Entwicklung der Realwirtschaft gelöst. Bei den Erwartungen ist der Trend stabiler. Der Index kehrt immer wieder zum Mittelwert zurück (vgl. Abb. 2). Zur Abschätzung des Wachstumsniveaus sind daher die Geschäftserwartungen besser geeignet. Letzteres sorgt für eine gewisse Erdung der aktuellen Zahlen.
Abb. 2: Lagekomponente löst sich zunehmend von Fundamentaldaten

Quellen: IFO, Bantleon
Nichtsdestotrotz sehen wir in den jüngsten erfreulichen IFO-Ergebnissen zunächst eine Bestätigung für den aussergewöhnlich positiven Verlauf des 2. Quartals 2017. Wir rechnen hier mit einem BIP-Zuwachs von +0,8% bis +1,0% im Vergleich zum Vorquartal. Auf das Jahr hochgerechnet würde das Expansionstempo damit erstmals seit Langem wieder über 3,0% liegen. Der Konsensus erwartet hingegen lediglich ein Quartalsplus von 0,5% und damit sogar eine leicht nachlassende Dynamik gegenüber dem 1. Quartal (+0,6%). Die Prognosen für Q2 sind zwar immer noch mit relativ grosser Unsicherheit behaftet (es liegen noch nicht allzu viele realwirtschaftliche Daten vor). Es zeichnet sich dennoch in unseren Augen eine faustdicke Überraschung ab.
Darüber hinaus gibt das Juli-Hoch beim IFO-Index auch mit Blick auf das laufende Vierteljahr Entwarnung. Eine abrupte Abkühlung ist nicht in Sicht. Von einer Topbildung beim Wachstum gehen wir dennoch aus.
Dafür spricht unter anderem die Entwicklung bei den deutschen Einkaufsmanagerindikatoren. Sie haben im Juli im Gegensatz zum IFO-Index einen Dämpfer erfahren (vgl. Abb. 3). Der Industrieindex sank von 59,6 auf 58,3 Punkte. Das Pendant des Servicesektors verzeichnete sogar bereits den zweiten Rückgang in Folge (53,5 nach 54,0 Punkten). Entsprechend befindet sich der Composite-EMI (55,1 nach 56,4 Punkten) zwar immer noch auf robustem, aber nicht mehr aussergewöhnlich hohem Niveau (vgl. Abb. 3).
Abb. 3: Einkaufsmanagerindex mit kleinem Dämpfer

Quellen: Destatis, Markit, Bantleon; *Q3/2017 = Juli 2017
Darüber hinaus gibt es auch fundamentale Gründe, die eine Verlangsamung des Expansionstempos nahelegen. Die Euro-Aufwertung nagt immer stärker an den Erträgen (seit Februar hat der handelsgewichtete Wechselkurs 6% zugelegt). Schliesslich dürften die neuen Kartell-Vorwürfe gegenüber den Autokonzernen zumindest für Verunsicherung in der Branche sorgen.
Andererseits zeigt die (positive) Entwicklung des IFO-Index seit Ausbruch des Dieselskandals eben auch, dass die deutsche Wirtschaft nicht nur aus dem Fahrzeugbau besteht. Zwar hat er in den vergangenen 8 Jahren den Wertschöpfungsanteil am verarbeitenden Gewerbe von 13% auf knapp 20% ausgebaut. Dennoch haben zuletzt unter anderem der Maschinenbau und die Elektrotechnik positiv überrascht und damit innerhalb der Industrie ein wirksames Gegengewicht gebildet.
Fazit: Der jüngste Höhenflug des IFO-Index ist vor allem ein Beleg für das starke 1. Halbjahr. Die deutsche Wirtschaft ist voraussichtlich deutlich stärker expandiert als allgemein erwartet (annualisierte Wachstumsrate: 3,0%). Im 2. Halbjahr dürfte es etwas weniger werden, was angesichts des hohen Ausgangsniveaus aber zu verschmerzen sein sollte.
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