Kaum einer EZB-Sitzung wurde mit so grosser Spannung entgegengefiebert wie der heutigen – und Mario Draghi hat geliefert. Erwartungsgemäss präsentierte der Notenbankpräsident ein umfassendes Assetkaufprogramm, das gemäss seinen Angaben mit grosser Mehrheit innerhalb des EZB-Rats beschlossen wurde. Die wichtigsten Bestandteile sind:
- Anleihekategorien: Die EZB erweitert ihr bisheriges Assetkaufprogramm (bestehend aus Covered Bonds und ABS-Papieren) und erwirbt ab März auch noch Staatsanleihen sowie Anleihen von supranationalen bzw. quasi staatlichen Organisationen (z.B. EFSF, EIB, EU, KfW etc.).
- Volumen: Es werden 60 Mrd. EUR pro Monat investiert (inklusive ABS und Covered Bonds).
- Zeitraum: Die Käufe sollen mindestens bis September 2016 durchgeführt werden. Eine darüber hinausgehende Fortsetzung ist möglich, wenn die Inflation bis dahin noch keinen »nachhaltigen Aufwärtstrend« eingeschlagen hat.
- Länderaufteilung: Die Käufe erfolgen gemäss dem Kapitalschlüssel der EZB (26% von Deutschland, 20% von Frankreich, 17% von Italien etc.).
- Risikoaufteilung: 20% der Assets (12% Supras + 8% Staatsanleihen) nimmt die EZB auf ihre Bilanz. 80% der Assets werden den nationalen Notenbanken zugerechnet, die entsprechend die Verlustrisiken tragen.
- Griechenland: Griechische Staatsanleihen werden frühestens ab Juli erworben, sofern Griechenland bis dahin planmässig seine Schulden bedient und das Land weiterhin einem Troika-Programm unterliegt.
- Sonstiges: Das Laufzeitspektrum der Ankäufe liegt zwischen 2 und 30 Jahren; es werden auch Anleihen mit Negativzins erworben; »Linker« sind ebenso Bestandteil wie Floater; maximal 33% der Anleihen eines Emittenten werden gekauft; die EZB stellt sich gleich mit den übrigen Gläubigern (»pari passu«).
Zentrale Zielsetzung des Programms ist es, eine Trendwende bei der Inflationsentwicklung herbeizuführen und entsprechend dem weiteren Absinken der langfristigen Inflationserwartungen entgegenzuwirken.
Die angekündigten Massnahmen enthalten im Vergleich zu den Markterwartungen einige positive und einige negative Überraschungen. Zu Letzteren zählt, dass Unternehmensanleihen im neuen Warenkorb der EZB nach wie vor ausgeschlossen sind.
Nicht wenige dürften sich überdies daran stossen, dass ein Grossteil der Ausfallrisiken auf die nationalen Notenbanken und damit letztendlich auf die Nationalstaaten abgewälzt wird, was manche als Renationalisierung der Geldpolitik werten. Mario Draghi wies indes explizit darauf hin, dass die Risikoaufteilung für die Wirksamkeit der aktuellen Massnahmen keine Rolle spielt. Anders als beim OMT-Programm, das ausdrücklich auf die Unterstützung eines Landes abzielt, geht es nunmehr um einen möglichst breiten Liquiditätseffekt.
Gerade deshalb hat die EZB, was das Volumen anbetrifft, einen grossen Wurf gewagt. Nicht nur die Höhe der monatlichen Käufe von 60 Mrd. EUR übertrifft die Erwartungen, sondern auch das Gesamtvolumen, das sich auf mindestens 1.140 Mrd. EUR beläuft (März 2015 bis September 2016). Es zeichnet sich damit bereits jetzt ab, dass die EZB-Bilanzsumme erkennbar über das bislang ausgegebene Ziel von 3.000 Mrd. EUR hinausschiessen wird. Mithin ist das Programm in Relation zur Wirtschaftskraft grösser als »Q3 3.0« der Fed. Dies gilt umso mehr, als sich die EZB die Option offenhält, über September 2016 hinaus die Anleihekäufe fortzuführen, falls die Inflation auf niedrigem Niveau verharrt.
Auch aus Sicht der Märkte scheint das Positive zu überwiegen. Nach dem Entscheid der EZB sind die Renditen 10-jähriger Bundesanleihen innerhalb kürzester Zeit um 14 Bp gesunken, der DAX legte um über 1,0% zu und der Euro fiel von 1,16 auf 1,14 (gegenüber USD). Ist eine Fortsetzung dieser Entwicklung in den nächsten Wochen vorgezeichnet?
Bei Quantitative Easing sind zwei Effekte zu berücksichtigen. Unbestritten ist der Liquiditätseffekt, d.h. durch die Anleihekäufe wird zusätzliches Geld in das Finanzsystem gepumpt, von dem letztendlich alle Assets profitieren.
Hinzu kommt jedoch als zweites ein psychologischer bzw. konjunktureller Effekt. Die Notenbank signalisiert mit QE, dass sie sich aktiv dem Abwärtstrend beim Wachstum und der Inflation entgegenstemmt und eine Wiederbelebung des nominalen BIPs anstrebt.