An den Anleihemärkten der Eurozone herrscht Torschlusspanik: Wer sich jetzt noch mehr als 0,50% Rendite für die nächsten zehn Jahre sichern will, muss zugreifen! Angetrieben wird der jüngste Kaufrausch von der EZB, welche die Spekulationen um Staatsanleihenkäufe weiter anheizt. So sprach Vizepräsident Constâncio bereits über Details eines möglichen Anleihenkauf-Programms und Mario Draghi mahnte eine baldige Wiederbelebung der Inflation an.
Offenkundig verfügte der EZB-Präsident allerdings (noch) nicht über den notwendigen Rückhalt für seine heikle Mission. Dass die beiden deutschen Vertreter Weidmann und Lautenschläger sowie ihr Luxemburger Kollege Mersch gegen eine Ausdehnung der Assetkäufe votieren werden, war von vornherein klar. Dem Vernehmen nach äusserten aber weitere Vertreter Bedenken, sodass sich zwar eine einfache, aber keine überwältigende Mehrheit für ein entsprechendes Programm aussprach. Letzteres ist indes aus nachvollziehbaren Gründen unverzichtbar.
Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben. Insbesondere weil die Teuerungsraten derzeit nur eine Richtung kennen: nach unten. Im November sank die EUR-Inflationsrate auf 0,3% und im Dezember wird sie sich weiter auf null zubewegen. Normalerweise könnte man die aktuelle Entwicklung gelassen sehen, schliesslich ist primär der Ölpreisverfall (seit Juni 35% in der Währung Euro) der Grund dafür. Mithin handelt es sich um einen temporären Effekt, der überdies positive konjunkturelle Wirkung entfaltet: Stärkung der Kaufkraft, Kostenentlastung der Unternehmen.
Die Währungshüter befürchten jedoch, dass sich die anhaltend niedrige Teuerung in den langfristigen Erwartungen einnistet, wofür es erste Indizien gibt. Die marktbasierten mittelfristigen Inflationserwartungen verharren seit nunmehr zwei Monaten erkennbar unter 2,0%. Insgesamt ist es deshalb wahrscheinlich, dass die Inflationsdaten den Ausschlag für eine Ausweitung der Anleihenkäufe der EZB (auf Unternehmens- und Staatsanleihen) geben.
Die Konjunkturdaten sind unterdessen in den Hintergrund getreten. Dabei mehren sich hier die »grünen Sprossen«. Im November sind alle wichtigen Geschäftsklimaindikatoren gestiegen, zum Teil bereits zum zweiten oder dritten Mal in Folge (z.B. in Frankreich, Belgien und den Niederlanden). Gleichzeitig flacht sich der Abwärtstrend beim EUR-Einkaufsmanagerindex der Industrie und bei den OECD Leading Indicators ab.
Sicher kann noch nicht von einem Durchbruch gesprochen werden – dennoch, was viele vor wenigen Wochen befürchtet haben, ist mittlerweile unwahrscheinlich geworden: der Rückfall der Eurozone in die Rezession. Stattdessen gewinnt unser seit langem propagiertes Szenario einer konjunkturellen Bodenbildung (in Q4/2014) an Plausibilität.
Was die fundamentalen Rahmenbedingungen anbetrifft, gilt ohnehin: wenn nicht jetzt, wann dann? Die Rohstoffpreise fallen markant, die Geldpolitik wird immer expansiver und die Fiskalpolitik ist kein Bremsfaktor mehr. So ging angesichts des Trubels um die Vorstellung des neuen EU-Investitionsfonds eine Entscheidung ganz unter: Die EU-Kommission will vorerst keine Strafen gegen Frankreich verhängen, obwohl das Land in den kommenden Jahren klar gegen die Defizitregeln verstösst.
Den Gegnern und Skeptikern von Staatsanleihenkäufen im EZB-Rat könnte die sich anbahnende zyklische Belebung in die Hände spielen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die konjunkturelle Trendwende holprig verläuft und somit die Befürworter Anfang 2015 noch genügend Argumente auf ihrer Seite haben werden.
Was heisst das für die Finanzmärkte? Risikoassets bleiben aus zwei Gründen gut unterstützt. Erstens wegen der sich verdichtenden Hinweise auf eine konjunkturelle Besserung im Jahr 2015. Darauf haben wir in den vergangenen Monaten immer wieder hingewiesen. Zweitens weil die Geldpolitik der EZB am Ende des Tages gerade darauf abzielt, die Investoren in risikobehaftete Anlagen zu treiben; Mario Draghi hat diesen Portfolioeffekt mehrfach lobend erwähnt.
In den sicheren Häfen wird das Umfeld hingegen rauer. Die konjunkturelle Belebung führt im Verbund mit der angestrebten Inflationsbelebung zu steigenden Renditen. Die anstehenden Anleihenkäufe der EZB können den Zinsanstieg zwar dämpfen, aber auf Dauer nicht aufhalten.
Zunächst profitiert aber noch fast jede Anlageklasse vom absehbaren Geldsegen. Dementsprechend bleiben wir kurzfristig für den Anleihenmarkt verhalten optimistisch und behalten unsere Anleihenpositionen vorerst noch bei. Gleichzeitig schöpfen wir aber inzwischen auch die Aktienquoten in allen entsprechenden Fonds wieder weitgehend aus.
Für das Gesamtjahr 2015 erwarten wir, dass sich die Ertragsbeiträge aus Aktien und Anleihen im Jahresverlauf abwechseln werden. Zunächst sollte die Konjunkturbelebung den Aktienmärkten deutliche Kursgewinne bescheren, zumal die anstehenden Negativzinsen auf Bankguthaben bei vielen Investoren die Risikobereitschaft erhöhen dürfte. Die Anleihen sind in diesem Umfeld uninteressant und dürften mit steigenden Renditen reagieren.
Wenn jedoch zur Jahresmitte das Wirtschaftswachstum wieder erste Erschöpfungstendenzen zeigt – was in den USA auch das ausdrückliche Ziel der Fed werden könnte –, kehrt sich die Ausgangslage um. Dann trifft der neue Konjunkturpessimismus auf höhere Anleihenrenditen. Entsprechend sollte es in der zweiten Jahreshälfte zu Umschichtungen aus Aktien in Anleihen kommen, weshalb in dieser Phase vor allem mit verzinslichen Wertpapieren Kursgewinne zu erzielen sein dürften.
So schwierig das volatile Aktienjahr 2014 gerade auch für unsere stark sicherheitsbewussten Fonds war, so optimistisch starten wir mit diesem Ausblick in das Jahr 2015.